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Die Häufigkeit der Störung des Sozialverhaltens in einer Einrichtung ...

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1<br />

<strong>Die</strong> <strong>Häufigkeit</strong> <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe<br />

e<strong>in</strong>gereicht am: 20.01.2000<br />

Betreuer: Prof. Dr. H. Schöttke<br />

Prof. Dr. K.-H. Wiedl<br />

Diplomarbeit<br />

Universität Osnabrück<br />

Fachbereich Psychologie


Inhaltsverzeichnis<br />

I. E<strong>in</strong>leitung<br />

1<br />

2<br />

II. <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> 3<br />

II.1. Beschreibung <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> 3<br />

II.2. Kategorien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Internationalen Klassifikation psychischer <strong>Störung</strong>en 3<br />

II.3. Diagnostisches Statistisches Manual 6<br />

III. Epidemiologie 8<br />

IV. Differentialdiagnostik und Komorbidität 10<br />

IV.1. Affektive <strong>Störung</strong>en 10<br />

IV.1.1. Depression und Angststörungen 11<br />

IV.2. Hyperk<strong>in</strong>etische <strong>Störung</strong>en 11<br />

IV.3. Komb<strong>in</strong>ierte <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und <strong>der</strong> Emotionen 12<br />

IV.4. Tiefgreifende Entwicklungsstörungen 12<br />

IV.5. Schizophrenie 13<br />

IV.6. <strong>Störung</strong> mit oppositionellem Trotzverhalten 13<br />

IV.8. <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und antisoziale Persönlichkeitsstörung 13<br />

V. Verlauf 14<br />

V.1. Verlauf <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit 15<br />

V.1.1. Altersspezifische Symptomverteilung<br />

16<br />

V.2. Verlauf bis <strong>in</strong> das Erwachsenenalter 17<br />

V.3. Der E<strong>in</strong>fluß von Therapie auf den Verlauf <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> 20<br />

VI. Risikofaktoren 21<br />

VI.1. Geschlecht 21<br />

VI.2. Frühes Verhalten 22<br />

VI.3. Familiäre Faktoren 23<br />

VI.3.1. Psychische Auffälligkeiten <strong>der</strong> Eltern 23<br />

VI.3.2. Eltern-K<strong>in</strong>d-Interaktionen 23<br />

VI.3.3. Eheliche Disharmonie und „Broken homes” 25<br />

VI.4. Biologische E<strong>in</strong>flüsse 25<br />

VI.5. Religiosität 26<br />

VI.6. Fernsehkonsum 26<br />

VI.7. Kognitive Faktoren 27<br />

VI.7.1. Intelligenz 27<br />

VI.7.2. Informationsverarbeitung 28<br />

VI.8. Soziale Schicht 29<br />

VI.9. Kulturelle Unterschiede 29<br />

VI.10. Schulische Faktoren 30


3<br />

VI.11. Adoption 30<br />

VII. Erklärungsansätze 31<br />

VII.1. Personenspezifische, biologische Prädispositionen 31<br />

VII.2. Genetische E<strong>in</strong>flüsse 32<br />

VII.2.1. Chromosomale Abweichungen 33<br />

VII.2.2. Biochemische Unterschiede 33<br />

VII.3. Lerntheoretische Erklärungen 33<br />

VII.4. Antisoziales Verhalten als Kompetenz 34<br />

VII.5. Fazit 35<br />

VIII. Geschlechtsunterschiede 35<br />

IX. Fragestellung 41<br />

X. Methoden<br />

42<br />

X.1. Erhebungs<strong>in</strong>strumente 42<br />

X.1.1. K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS 42<br />

X.1.2. Child Behavior Checklist 44<br />

X.1.3. Erhebung <strong>der</strong> Risikofaktoren 44<br />

X.1.4. Durchführungsbed<strong>in</strong>gungen 45<br />

X.2. Darstellung <strong>der</strong> Stichprobe 45<br />

X.2.1. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>richtung 45<br />

X.2.2. Ausschlußkriterien für e<strong>in</strong>e Aufnahme <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung 45<br />

X.2.3. <strong>Die</strong> Stichprobe 46<br />

X.2.4. Statistische Auswertung 46<br />

XI. Ergebnisse 46<br />

XI.1. Deskriptive Daten <strong>der</strong> Stichprobe 46<br />

X1.1.1. Alter und Geschlecht 46<br />

X1.1.2. Anzahl <strong>der</strong> Geschwister und Rangstellung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Geschwister<br />

46<br />

X1.1.3. Schulform 47<br />

X1.1.4. Religionszugehörigkeit 47<br />

X1.1.5. Soziodemographische Daten <strong>der</strong> Eltern 47<br />

XI.1.5.1. Familienstand <strong>der</strong> Eltern 47<br />

XI.1.5.2. Alkoholkrankheit <strong>der</strong> Eltern 47<br />

XI.1.5.3. Soziale Schichtzugehörigkeit <strong>der</strong> Eltern 47<br />

XI.2. Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> erhobenen <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS 48<br />

XI.2.1. Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen den Diagnosen nach Angaben <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>der</strong> Erzieher im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS 48<br />

XI.3. Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> 49<br />

XI.3.1. Ergebnisse <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS 50<br />

XI.3.1.1. Akute Diagnose 50


4<br />

XI.3.1.2. Frühere Diagnose 51<br />

XI.3.1.3. <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und Geschlecht 52<br />

XI.3.1.4. Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> 52<br />

XI.3.1.5. Schweregrad <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> 52<br />

XI.3.1.6. Gruppenzugehörigkeit und <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> 53<br />

XI.3.2. Ergebnisse <strong>der</strong> Child Behavior Checklist 54<br />

XI.3.3. Diagnose SSV im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS und Werte <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL 54<br />

XI.3.3.1. SSV <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>version <strong>des</strong> DIPS und Werte <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL 54<br />

XI.3.3.2. SSV <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erzieherversion <strong>des</strong> DIPS und Werte <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBC 55<br />

XI.3.3.3. Zusammenfassung <strong>des</strong> Zusammenhangs zwischen SSV im<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS und CBCL <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tabelle 56<br />

XI.3.3.4. Multivariater Hotell<strong>in</strong>g T 2 -Test zur Überprüfung e<strong>in</strong>es Unterschieds<br />

zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong> und ohne nach dem<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS bezüglich <strong>der</strong> „<strong>in</strong>ternalen” und „externalen” <strong>Störung</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> CBCL 56<br />

XI.3.4. Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS angegebenen Symptome<br />

<strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> 59<br />

XI.4. Komorbidität <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> mit an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n 61<br />

XI.5. Zusammenhang zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

und dem Auftreten bestimmter Risikofaktoren 65<br />

XII. Diskussion 66<br />

XIII. Zusammenfassung 70<br />

XIV. Literaturverzeichnis 71


I. E<strong>in</strong>leitung<br />

5<br />

In dieser Arbeit geht es um die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (SSV) bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Nach den emotionalen <strong>Störung</strong>en s<strong>in</strong>d <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> die<br />

zweithäufigste Diagnose <strong>in</strong> <strong>der</strong> k<strong>in</strong><strong>der</strong>- und jugendpsychiatrischen Kl<strong>in</strong>ik<br />

(Ste<strong>in</strong>hausen, 1996).<br />

Bei <strong>der</strong> SSV handelt es sich um Verhaltensweisen, mit denen altersgemäße<br />

Normen, Regeln und Rechte an<strong>der</strong>er bee<strong>in</strong>trächtigt werden. Entsprechend<br />

bezeichnet man sie auch als Dissozialität o<strong>der</strong> antisoziales Verhalten. SSV gehören<br />

zu den gängigsten Gründen für Eltern, Schulen und Gerichte, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen professionelle Hilfe zukommen zu lassen (Alexan<strong>der</strong> & Pugh, 1996).<br />

Wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> antisoziale Verhaltensweisen zeigen, ist es unwahrsche<strong>in</strong>lich, daß sich<br />

solches Verhalten im Laufe <strong>der</strong> Zeit „auswächst”.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit o<strong>der</strong> Adoleszenz e<strong>in</strong>e SSV aufweisen,<br />

s<strong>in</strong>d stärker gefährdet, im Erwachsenenalter psychiatrische Erkrankungen,<br />

Alkoholabhängigkeit, krim<strong>in</strong>elles Verhalten und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>e antisoziale<br />

Persönlichkeitsstörung zu entwickeln. Schätzungen zufolge, weisen bis zu 50% <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, bei denen e<strong>in</strong>e SSV diagnostiziert wurde, im Erwachsenenalter e<strong>in</strong>e<br />

antisoziale Persönlichkeitsstörung auf (Hersen & Last, 1990, Möller-Nehr<strong>in</strong>g, Moach,<br />

Castell, Weigel & Meyer, 1998).<br />

Anfang <strong>des</strong> 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts war es durchaus noch üblich, auch K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit dem<br />

Begriff Psychopathie zu beschreiben, wie z. B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit von F. Kramer und R. v.<br />

d. Leyen „Entwicklungsverläufe anethischer, psychopathischer, gemütloser K<strong>in</strong><strong>der</strong>”<br />

(1934). Mc Cord und Mc Cord def<strong>in</strong>ierten dabei den Begriff Psychopath<br />

folgen<strong>der</strong>maßen: „Der Psychopath ist e<strong>in</strong>e asoziale, höchst impulsive Person, die<br />

ger<strong>in</strong>ge o<strong>der</strong> überhaupt ke<strong>in</strong>e Schuldgefühle entwickelt und außerstande ist<br />

dauerhafte Gefühlsbeziehungen zu an<strong>der</strong>en Menschen herzustellen” (zitiert aus<br />

Remschmidt, 1978). Kramer und v. d. Leyen (1934) spekulierten dazu, daß das<br />

Fehlen e<strong>in</strong>es Gewissens Ausdruck e<strong>in</strong>es Abwehrvorgangs ist. Sie schrieben <strong>in</strong> ihrem<br />

Artikel: „Gerade die Sensivität <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ist als <strong>der</strong> Grund anzusehen, daß sie <strong>der</strong><br />

Unerträglichkeit <strong>der</strong> Situation gegenüber ke<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Ausweg f<strong>in</strong>den, als sich <strong>in</strong><br />

sich abzusperren und <strong>in</strong> die Unempf<strong>in</strong>dlichkeit zu flüchten”. Heute benutzt man den<br />

Begriff <strong>der</strong> Psychopathie nicht mehr bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, weil es dem Entwicklungsgedanken<br />

wi<strong>der</strong>spricht.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> ist e<strong>in</strong> schwerwiegen<strong>des</strong> Problem, denn zum<br />

e<strong>in</strong>en gibt es immer mehr K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, die unter dieser <strong>Störung</strong> leiden.<br />

Zum an<strong>der</strong>en ist die Prognose ungünstig. Es fehlen effektive<br />

Interventionsmaßnahmen sowie e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutig zuzuordnende Ätiologie für dieses<br />

<strong>Störung</strong>sbild (Atk<strong>in</strong>s & Osborn, 1993). E<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong> verläuft nicht selten<br />

chronisch und wird oftmals über Generationen weitergegeben (Craig & Pepler,<br />

1997). <strong>Die</strong> <strong>Störung</strong> hat weitreichende Auswirkungen auf Geschwister, Eltern, Lehrer,<br />

aber auch Fremde, die unter den antisozialen und aggressiven Handlungen <strong>der</strong><br />

betroffenen K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu leiden haben (Craig & Pepler, 1997). Desweiteren s<strong>in</strong>d die


6<br />

Kosten, die dadurch verursacht werden immens hoch. Zum e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d immer neue<br />

Systeme an <strong>der</strong> Diagnostik und Intervention beteiligt (z.B. Gesundheitssystem,<br />

spezielle Erziehungse<strong>in</strong>richtungen, Jugendgerichtsbarkeit usw.) (Craig & Pepler,<br />

1997) und zum an<strong>der</strong>en durch konkret verursachte Schäden, die die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

anrichten (Frick, 1998).<br />

E<strong>in</strong> weiterer Aspekt dieses <strong>Störung</strong>sbil<strong>des</strong> ist, daß <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nicht die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

selber unter ihren dissozialen Verhaltensweisen leiden son<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>e. <strong>Die</strong>s führt<br />

zu e<strong>in</strong>em Mangel an Interesse, das Verhalten zu än<strong>der</strong>n und damit zu e<strong>in</strong>er<br />

schlechten therapeutischen Prognose (Kolko, 1994).<br />

Zur Epidemiologie <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> liegen unterschiedliche Angaben vor. Es wird gesagt,<br />

daß die Auftretenshäufigkeit bei kl<strong>in</strong>ischen Stichproben zwischen e<strong>in</strong>em Drittel und<br />

<strong>der</strong> Hälfte liegt (Coid, 1993). Dagegen gibt es nur wenige Studien, die sich mit <strong>der</strong><br />

Auftretenshäufigkeit <strong>in</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe beschäftigen,<br />

obwohl sich vermuten läßt, daß gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen E<strong>in</strong>richtung das<br />

<strong>Störung</strong>sbild beson<strong>der</strong>s häufig zu f<strong>in</strong>den ist. Denn K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>er solchen E<strong>in</strong>richtung<br />

s<strong>in</strong>d (bzw. waren) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>er erhöhten Anzahl von Risikofaktoren ausgesetzt.<br />

Mit diesem Thema beschäftigt sich die vorliegende Diplomarbeit. Es werden K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendliche, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er privaten E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe<br />

bef<strong>in</strong>den, daraufh<strong>in</strong> untersucht, ob sie e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> aufweisen.<br />

Es wird außerdem untersucht, ob an<strong>der</strong>e <strong>Störung</strong>en überzufällig häufig mit dem<br />

Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> e<strong>in</strong>hergehen. Desweiteren wird<br />

überprüft, ob bestimmte familiäre Risikofaktoren <strong>in</strong> signifikantem Zusammenhang<br />

zum Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> stehen. Zur Beantwortung dieser<br />

Fragestellungen werden sowohl die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung mit<br />

Hilfe <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS befragt als auch <strong>der</strong>en pädagogischen Betreuer. Das K<strong>in</strong><strong>der</strong>-<br />

DIPS erfragt <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>, die im K<strong>in</strong><strong>des</strong>- und Jugendalter auftreten. Zusätzlich<br />

bearbeiten die pädagogischen Betreuer e<strong>in</strong>en Fragebogen zur<br />

Verhaltensbeurteilung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen.<br />

In <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit wird zunächst die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> anhand<br />

<strong>der</strong> Klassifikationssysteme DSM-IV und ICD-10 vorgestellt (Kapitel II). In Kapitel III<br />

wird aufgezeigt, wie verbreitet die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> ist. Da e<strong>in</strong>e<br />

dissoziale <strong>Störung</strong> nicht immer e<strong>in</strong>deutig von an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>en abzugrenzen ist,<br />

wird <strong>in</strong> Kapitel IV auf die Komorbidität und Differentialdiagnostik e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Kapitel V beschreibt den Verlauf <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit und bis <strong>in</strong> das<br />

Erwachsenenalter. Mit Kapitel VI werden Risikofaktoren aufgezeigt, die zur<br />

Entstehung und Persistenz <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> beitragen. In e<strong>in</strong>em eigenen Kapitel wird<br />

dann kurz auf die möglichen Wirkmechanismen e<strong>in</strong>gegangen (Kapitel VII). Hier wird<br />

unter an<strong>der</strong>em auf die Anlage-Umwelt-Kontroverse Bezug genommen. <strong>Die</strong> <strong>Störung</strong><br />

wird bei Jungen häufiger diagnostiziert als bei Mädchen. In Kapitel VIII wird daher<br />

die Frage behandelt, ob dies tatsächlich die Verteilung wie<strong>der</strong>gibt o<strong>der</strong> ob, wie<br />

e<strong>in</strong>ige Autoren vermuten, Mädchen antisoziales Verhalten an<strong>der</strong>s ausleben als<br />

Jungen. Kapitel IX beschäftigt sich mit <strong>der</strong> Fragestellung, die <strong>in</strong> dieser Diplomarbeit<br />

untersucht wird. In Kapitel X werden die Methoden, die zur Untersuchung <strong>der</strong>


7<br />

Fragestellung benutzt werden, beschrieben. Kapitel XI beschäftigt sich mit den<br />

Ergebnissen <strong>der</strong> Untersuchung. In Kapitel XII werden die gefundenen Ergebnisse<br />

kritisch gewürdigt und diskutiert. Kapitel XIII enthält e<strong>in</strong>e kurze zusammenfassende<br />

Darstellung <strong>der</strong> Fragestellung, Methoden und Ergebnisse dieser Arbeit. In Kapitel<br />

XIV f<strong>in</strong>det sich das Literaturverzeichnis.<br />

II. <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

II.1. Beschreibung <strong>der</strong> <strong>Störung</strong><br />

<strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (SSV) umfassen e<strong>in</strong> breites Spektrum antisozialer<br />

Verhaltensweisen wie Aggressivität, <strong>Die</strong>bstahl, Vandalismus, Brandstiftung, Lügen,<br />

Schulschwänzen und Fortlaufen von zu Hause, Substanzmißbrauch, Wutausbrüche,<br />

Schlägereien, Waffengebrauch, gestörte Beziehungen, Mangel an Empathie,<br />

Mangel an Schuldbewußtse<strong>in</strong>, Grausamkeiten gegenüber Menschen und Tieren<br />

sowie sexuelles Fehlverhalten.<br />

<strong>Die</strong> Def<strong>in</strong>itionen <strong>der</strong> Diagnosesysteme ICD-10 und DSM-IV unterscheiden sich<br />

vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

Im ICD-10 wird zwischen e<strong>in</strong>er auf den familiären Rahmen beschränkten <strong>Störung</strong><br />

(F91.0), <strong>der</strong> SSV bei fehlenden sozialen B<strong>in</strong>dungen (F91.1), <strong>der</strong> SSV bei<br />

vorhandenen sozialen B<strong>in</strong>dungen (F91.2), <strong>der</strong> SSV mit oppositionellem, aufsässigen<br />

Verhalten (F91.3), den sonstigen SSV (F91.8) und <strong>der</strong> nicht näher bezeichneten<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (F91.9) unterschieden. Das DSM-IV listet e<strong>in</strong>e Reihe<br />

von Symptomen auf, von denen m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens drei während <strong>der</strong> letzten zwölf Monate<br />

und m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens e<strong>in</strong> Kriterium <strong>in</strong> den letzten sechs Monaten aufgetreten se<strong>in</strong><br />

müssen.<br />

II.2. Kategorien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Internationalen Klassifikation psychischer<br />

<strong>Störung</strong>en (Dill<strong>in</strong>g, Mombour und Schmidt (Hrsg.), ICD-10, Kapitel V (F),<br />

1993)<br />

F91 <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

Allen geme<strong>in</strong>sam ist e<strong>in</strong> sich wie<strong>der</strong>holen<strong>des</strong> und andauern<strong>des</strong> Muster dissozialen,<br />

aggressiven o<strong>der</strong> aufsässigen Verhaltens. <strong>Die</strong>ses Verhalten be<strong>in</strong>haltet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

schwersten Formen gröbste Regelverletzungen altersentsprechen<strong>der</strong> sozialer<br />

Erwartungen. Es soll aber schwerwiegen<strong>der</strong> se<strong>in</strong> als gewöhnlicher k<strong>in</strong>discher Unfug<br />

o<strong>der</strong> jugendliche Aufmüpfigkeit. E<strong>in</strong>zelne solcher Handlungen alle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d jedoch ke<strong>in</strong><br />

Grund für die Diagnose. Beurteilungen über das Bestehen e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> müssen das Entwicklungsniveau <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> berücksichtigen.<br />

Wutausbrüche s<strong>in</strong>d beispielsweise bei Dreijährigen e<strong>in</strong>e normale Ersche<strong>in</strong>ung und<br />

begründen nicht die Diagnose e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>. Beispiele im ICD-<br />

10, die ausreichen für die Bennenung e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>


8<br />

extremes Maß an Streiten o<strong>der</strong> Tyrannisieren, Grausamkeit gegenüber an<strong>der</strong>en<br />

Menschen o<strong>der</strong> Tieren, erhebliche Destruktivität gegen Eigentum, Feuerlegen,<br />

Stehlen, häufiges Lügen, Schulschwänzen und Weglaufen von zu Hause,<br />

ungewöhnlich häufige o<strong>der</strong> schwere Wutausbrüche und Ungehorsam. Allerd<strong>in</strong>gs gilt<br />

auch hier wie<strong>der</strong>, daß e<strong>in</strong>e erhebliche Ausprägung vorhanden se<strong>in</strong> muß. Isolierte<br />

Handlungen genügen nicht für e<strong>in</strong>e Diagnose. E<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

tritt oft zusammen mit schwierigen psychosozialen Umständen wie unzureichenden<br />

familiären Beziehungen und Schulversagen auf. Sie wird bei Angehörigen <strong>des</strong><br />

männlichen Geschlechts häufiger gesehen.<br />

<strong>Die</strong> Forschungskriterien <strong>der</strong> ICD-10 (Dill<strong>in</strong>g, Mombour, Schmidt & Schulte-Markwort,<br />

1994) verlangen das Vorliegen von m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens drei <strong>der</strong> folgenden Symptome:<br />

1. für das Entwicklungsalter <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> ungewöhnlich häufige und schwere<br />

Wutausbrüche<br />

2. häufiges Streiten mit Erwachsenen<br />

3. häufige aktive Ablehnung und Zurückweisung von Wünschen und Vorschriften<br />

Erwachsener<br />

4. häufiges, offensichtlich wohlüberlegtes Ärgern an<strong>der</strong>er<br />

5. häufig verantwortlich machen an<strong>der</strong>er, für die eigenen Fehler o<strong>der</strong> für eigenes<br />

Fehlverhalten<br />

6. häufige Empf<strong>in</strong>dlichkeit o<strong>der</strong> Sichbelästigtfühlen durch an<strong>der</strong>e<br />

7. häufiger Ärger o<strong>der</strong> Groll<br />

8. häufige Gehässigkeit o<strong>der</strong> Rachsucht<br />

9. häufiges Lügen o<strong>der</strong> Brechen von Versprechen um materielle Vorteile und<br />

Begünstigungen zu erhalten o<strong>der</strong> um Verpflichtungen zu vermeiden<br />

10. häufiges Beg<strong>in</strong>nen von körperlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen (außer<br />

Geschwisterause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen)<br />

11. Gebrauch von gefährlichen Waffen (z.B. Schlagholz, Ziegelste<strong>in</strong>, zerbrochene<br />

Flasche, Messer, Gewehr)<br />

12. häufiges Draußenbleiben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dunkelheit, entgegen dem Verbot <strong>der</strong> Eltern<br />

13. körperliche Grausamkeit gegenüber an<strong>der</strong>en Menschen (z.B. Fesseln, e<strong>in</strong> Opfer<br />

mit e<strong>in</strong>em Messer o<strong>der</strong> mit Feuer verletzen)<br />

14. Tierquälerei<br />

15. absichtliche Destruktivität gegenüber dem Eigentum an<strong>der</strong>er (außer<br />

Brandstiftung)<br />

16. absichtliches Feuerlegen mit dem Risiko o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Absicht, ernsthaften Schaden<br />

anzurichten<br />

17. Stehlen von Wertgegenständen ohne Konfrontation mit dem Opfer, entwe<strong>der</strong><br />

Zuhause o<strong>der</strong> außerhalb (z.B. Ladendiebstahl, E<strong>in</strong>bruch,<br />

Unterschriftenfälschung)<br />

18. häufiges Schuleschwänzen<br />

19. Weglaufen von den Eltern o<strong>der</strong> elterlichen Ersatzpersonen, m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens zweimal<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>mal länger als e<strong>in</strong>e Nacht (außer dies geschieht zur Vermeidung<br />

körperlicher o<strong>der</strong> sexueller Mißhandlung)


9<br />

20. jede krim<strong>in</strong>elle Mißhandlung, bei <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Opfer direkt angegriffen wird<br />

(e<strong>in</strong>schließlich Handtaschenraub, Erpressung, Straßenraub)<br />

21. Zw<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Person zu sexuellen Aktivitäten<br />

22. häufiges Tyrannisieren an<strong>der</strong>er (z.B. absichtliches Zufügen von Schmerzen o<strong>der</strong><br />

Verletzungen - e<strong>in</strong>schließlich andauern<strong>der</strong> E<strong>in</strong>schüchterung, Quälen o<strong>der</strong><br />

Belästigung)<br />

23. E<strong>in</strong>bruch <strong>in</strong> Häuser, Gebäude o<strong>der</strong> Autos.<br />

<strong>Die</strong> Symptome 11., 13., 15., 16., 20., 21. und 23. brauchen nur e<strong>in</strong>mal aufgetreten<br />

zu se<strong>in</strong>, um das Kriterium zu erfüllen.<br />

In den e<strong>in</strong>zelnen Subkategorien werden genaue Angaben gemacht welche<br />

Symptome erfüllt se<strong>in</strong> müssen, um die jeweiligen Kriterien für die Untergruppe zu<br />

erfüllen.<br />

F91.0 Auf den familiären Rahmen beschränkte SSV<br />

<strong>Die</strong> auf den familiären Rahmen beschränkte <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> umfaßt<br />

dissoziales Verhalten, das fast ausschließlich auf den häuslichen Rahmen o<strong>der</strong> auf<br />

Interaktionen mit Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kernfamilie bzw. <strong>der</strong> unmittelbaren<br />

Lebensgeme<strong>in</strong>schaft beschränkt ist. <strong>Die</strong>se Kategorie for<strong>der</strong>t, daß ke<strong>in</strong>e dissozialen<br />

Handlungen außerhalb <strong>des</strong> familiären Rahmens auftauchen.<br />

F91.1 SSV bei fehlenden sozialen B<strong>in</strong>dungen<br />

<strong>Die</strong> Kategorie <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> bei fehlenden sozialen B<strong>in</strong>dungen ist<br />

charakterisiert durch die Komb<strong>in</strong>ation von andauerndem dissozialen Verhalten mit<br />

e<strong>in</strong>er deutlichen und umfassenden Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>der</strong> Beziehungen <strong>des</strong><br />

betroffenen K<strong>in</strong><strong>des</strong> zu an<strong>der</strong>en. Dabei ist das Hauptunterscheidungsmerkmal<br />

gegenüber den „sozialisierten” SSV das Fehlen e<strong>in</strong>er wirksamen E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Peer Group. Gestörte Beziehungen zu Gleichaltrigen zeigen sich hauptsächlich <strong>in</strong><br />

Isolation, Zurückweisung o<strong>der</strong> durch Unbeliebtheit bei an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, weiter durch<br />

e<strong>in</strong> Fehlen enger Freunde o<strong>der</strong> dauerhafter, e<strong>in</strong>fühlen<strong>der</strong> wechselseitiger<br />

Beziehungen zu Gleichaltrigen. <strong>Die</strong> Beziehungen zu Erwachsenen zeichnen sich<br />

meist durch Unstimmigkeiten, Fe<strong>in</strong>dseligkeit und Verärgerung aus.<br />

F91.2 SSV bei vorhandenen sozialen B<strong>in</strong>dungen<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> bei vorhandenen sozialen B<strong>in</strong>dungen bedeutet, daß<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> andauernde dissoziale Verhaltensweisen zeigen, aber dabei gut <strong>in</strong> ihre<br />

Altersgruppe e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d. Das heißt die K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben angemessene,<br />

andauernde Freundschaften mit etwa Gleichaltrigen. Oft besteht diese<br />

Bezugsgruppe aus del<strong>in</strong>quenten o<strong>der</strong> dissozialen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen.<br />

Beziehungen zu Autoritätspersonen s<strong>in</strong>d häufig schlecht, jedoch kann zu e<strong>in</strong>igen<br />

Erwachsenen e<strong>in</strong> gutes Verhältnis bestehen. <strong>Die</strong>se Form kann auch den familiären<br />

Rahmen betreffen, ist aber nicht darauf begrenzt.<br />

F91.3 SSV mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten


10<br />

<strong>Die</strong>se Art <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> tritt charakteristischerweise bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n unter neun o<strong>der</strong> zehn<br />

Jahren auf. Sie ist gekennzeichnet durch e<strong>in</strong> deutlich aufsässiges, ungehorsames,<br />

provokatives, fe<strong>in</strong>dseliges und trotziges Verhalten bei Fehlen schwerer dissozialer<br />

o<strong>der</strong> aggressiver Handlungen, die das Gesetz o<strong>der</strong> die Rechte an<strong>der</strong>er verletzen.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs reicht nur mutwilliges o<strong>der</strong> unerzogenes Verhalten alle<strong>in</strong> für die<br />

Diagnosestellung nicht aus. K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit dieser <strong>Störung</strong> neigen oft dazu, häufig und<br />

aktiv Anfor<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Regeln Erwachsener zu mißachten und überlegt an<strong>der</strong>e<br />

Menschen zu ärgern. Sie s<strong>in</strong>d oft zornig, übelnehmerisch und verärgert über an<strong>der</strong>e<br />

Menschen, welchen sie die Verantwortung für ihre eigenen Fehler o<strong>der</strong><br />

Schwierigkeiten zuschreiben. Generell haben sie e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Frustrationstoleranz<br />

und werden schnell wütend. Der Trotz, den sie zeigen, hat e<strong>in</strong>e provokative Qualität,<br />

so daß sie Konfrontationen hervorrufen. Sie legen e<strong>in</strong> extrem hohes Maß an<br />

Grobheit, Unkooperativität und Wi<strong>der</strong>stand gegen Autoritäten an den Tag. <strong>Die</strong>ses<br />

Verhalten ist häufig viel offensichtlicher bei Interaktionen mit Menschen, die das K<strong>in</strong>d<br />

gut kennt. Deshalb können während e<strong>in</strong>er kl<strong>in</strong>ischen Untersuchung H<strong>in</strong>weise auf<br />

das Vorliegen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> fehlen.<br />

Bei dieser Form <strong>der</strong> SSV treten Verhaltensweisen wie Verletzungen <strong>der</strong> Gesetze<br />

o<strong>der</strong> Rechte an<strong>der</strong>er (z. B. <strong>Die</strong>bstahl, Grausamkeit, Quälen, Vergewaltigung und<br />

Destruktivität) nicht auf.<br />

F91.8 Sonstige SSV<br />

<strong>Die</strong>se Form <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> wird im ICD-10 nicht näher beschrieben.<br />

F91.9 Nicht näher bezeichnete SSV<br />

Hier handelt es sich um e<strong>in</strong>e Restkategorie, <strong>der</strong> die Fälle zugeordnet werden sollen,<br />

die zwar die allgeme<strong>in</strong>en Kriterien <strong>der</strong> SSV erfüllen, bei welchen aber ke<strong>in</strong>e Kriterien<br />

für die E<strong>in</strong>ordnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Subgruppe erfüllt s<strong>in</strong>d.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus gibt es im ICD-10 noch die komb<strong>in</strong>ierten SSV. <strong>Die</strong>se s<strong>in</strong>d<br />

gekennzeichnet durch die Komb<strong>in</strong>ation von andauerndem aggressiven, dissozialen<br />

o<strong>der</strong> aufsässigen Verhalten mit offensichtlichen und deutlichen Symptomen von<br />

Depression, Angst o<strong>der</strong> sonstigen emotionalen <strong>Störung</strong>en.<br />

II.3. Diagnostisches Statistisches Manual (Sass, DSM-IV, 1998)<br />

Diagnostische Kriterien für e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (312.8)<br />

Kriterium A<br />

Es liegt e<strong>in</strong> repetitives und anhalten<strong>des</strong> Verhaltensmuster vor, durch das die<br />

grundlegenden Rechte an<strong>der</strong>er und wichtige altersentsprechende gesellschaftliche<br />

Normen o<strong>der</strong> Regeln verletzt werden. <strong>Die</strong>s manifestiert sich durch das Auftreten von<br />

m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens drei <strong>der</strong> folgenden Kriterien während <strong>der</strong> letzten zwölf Monate, wobei<br />

m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens e<strong>in</strong> Kriterium <strong>in</strong> den letzten sechs Monaten aufgetreten se<strong>in</strong> muß:


11<br />

Aggressives Verhalten gegenüber Menschen und Tieren<br />

♦ bedroht o<strong>der</strong> schüchtert häufig e<strong>in</strong>,<br />

♦ beg<strong>in</strong>nt häufig Schlägereien,<br />

♦ hat Waffen benutzt, die an<strong>der</strong>en schweren körperlichen Schaden zufügen<br />

können (z. B. Schlagstöcke, Ziegelste<strong>in</strong>e, zerbrochene Flaschen, Messer,<br />

Gewehre),<br />

♦ war körperlich grausam zu Menschen,<br />

♦ quälte Tiere,<br />

♦ hat <strong>in</strong> Konfrontation mit dem Opfer gestohlen (z.B. Taschendiebstahl,<br />

Erpressung, bewaffneter Raubüberfall),<br />

♦ zwang an<strong>der</strong>e zu sexuellen Handlungen;<br />

Zerstörung von Eigentum<br />

♦ beg<strong>in</strong>g vorsätzlich Brandstiftung mit <strong>der</strong> Absicht, schweren Schaden zu<br />

verursachen,<br />

♦ zerstörte vorsätzlich frem<strong>des</strong> Eigentum (jedoch nicht durch Brandstiftung);<br />

Betrug o<strong>der</strong> <strong>Die</strong>bstahl<br />

♦ brach <strong>in</strong> fremde Wohnungen, Gebäude o<strong>der</strong> Autos e<strong>in</strong>,<br />

♦ lügt häufig, um sich Güter o<strong>der</strong> Vorteile zu verschaffen o<strong>der</strong> um Verpflichtungen<br />

zu entgehen (d. h. „legt an<strong>der</strong>e here<strong>in</strong>”),<br />

♦ stahl Gegenstände von erheblichem Wert ohne Konfrontation mit dem Opfer (z.<br />

B. Ladendiebstahl, jedoch ohne E<strong>in</strong>bruch, sowie Fälschungen);<br />

Schwere Regelverstöße<br />

♦ bleibt vor dem Alter von 13 Jahren trotz elterlicher Verbote häufig über Nacht<br />

weg,<br />

♦ lief m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens zweimal über Nacht von zu Hause weg, während er/sie noch bei<br />

den Eltern o<strong>der</strong> bei e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Bezugsperson wohnte (o<strong>der</strong> nur e<strong>in</strong>mal mit<br />

Rückkehr erst nach längerer Zeit),<br />

♦ schwänzt schon vor dem Alter von 13 Jahren häufig die Schule.<br />

Kriterium B<br />

<strong>Die</strong> Verhaltensstörung verursacht <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>isch bedeutsamer Weise Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

<strong>in</strong> sozialen, schulischen o<strong>der</strong> beruflichen Funkionsbereichen.<br />

Kriterium C<br />

Bei Personen, die 18 Jahre o<strong>der</strong> älter s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d nicht die Kriterien e<strong>in</strong>er antisozialen<br />

Persönlichkeitsstörung erfüllt.<br />

Weiterh<strong>in</strong> soll unterschieden werden zwischen dem Typus mit Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong>dheit, d. h. <strong>der</strong> Beg<strong>in</strong>n m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> für die <strong>Störung</strong> charakteristischen<br />

Merkmale, soll vor dem Alter von zehn Jahren aufgetreten se<strong>in</strong> und dem Typus mit<br />

Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Adoleszenz, d. h. ke<strong>in</strong> Kriterium tritt vor dem Alter von zehn Jahren<br />

auf. Bei dem Typus mit Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit s<strong>in</strong>d die Betroffenen meist männlich.


12<br />

Es besteht <strong>in</strong> diesem Fall eher die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, daß die <strong>Störung</strong> längerfristig<br />

andauert und daß die Betroffenen im Erwachsenenalter e<strong>in</strong>e antisoziale<br />

Persönlichkeitsstörung aufweisen. Bei dem zweiten Typ mit Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Adoleszenz, weisen die Betroffenen im Vergleich zur ersten Kategorie weniger<br />

aggressive Verhaltensweisen auf und haben ausgeglichenere Beziehungen zu<br />

Gleichaltrigen. Hier ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Jungen im Verhältnis zu Mädchen ger<strong>in</strong>ger als<br />

für den Typus mit Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit.<br />

Gleichzeitig soll noch <strong>der</strong> Schweregrad <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> bestimmt werden.<br />

„Leicht” bedeutet, daß zusätzlich zu den für die Diagnose erfor<strong>der</strong>lichen Symptomen<br />

wenige o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e weiteren Probleme <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> auftreten, und die<br />

Probleme <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> fügen an<strong>der</strong>en nur ger<strong>in</strong>gen Schaden zu.<br />

„Mittelschwer” heißt, daß die Anzahl <strong>der</strong> Probleme <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und die<br />

Auswirkungen auf an<strong>der</strong>e zwischen „leicht” und „schwer” liegen.<br />

„Schwer” me<strong>in</strong>t, daß zusätzlich zu den für die Diagnose erfor<strong>der</strong>lichen Symptomen<br />

viele weitere Probleme <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> auftreten o<strong>der</strong> daß die Probleme <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> an<strong>der</strong>en beträchtlichen Schaden zufügen.<br />

Auch wenn die beiden Diagnosesysteme unterschiedliche E<strong>in</strong>teilungen vornehmen,<br />

gehen sie doch von gleichen Symptomen aus. Auch <strong>der</strong> Tatsache, daß es nach<br />

Me<strong>in</strong>ung verschiedener Autoren e<strong>in</strong>en Unterschied macht, <strong>in</strong> welchem Alter die<br />

<strong>Störung</strong> beg<strong>in</strong>nt (Rob<strong>in</strong>s, 1966, White, Moffitt, Earls, Rob<strong>in</strong>s und Silva, 1990), tragen<br />

sie Rechnung, wobei im ICD-10 e<strong>in</strong>e eigene Untergruppe <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> e<strong>in</strong>gerichtet wurde (SSV mit oppositionellem, aufsässigen<br />

Verhalten), von <strong>der</strong> gesagt wird, daß sie charakteristischerweise bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n unter<br />

zehn Jahren auftritt. Es wird die Me<strong>in</strong>ung vertreten, daß dieses Verhalten eher e<strong>in</strong>e<br />

leichtere Form <strong>der</strong> SSV darstellt als e<strong>in</strong>e qualitativ unterschiedliche Form. <strong>Die</strong>se<br />

E<strong>in</strong>teilung schließt nicht aus, daß auch bereits jüngere K<strong>in</strong><strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Symptome<br />

zeigen können.<br />

Im DSM-IV dagegen wird die <strong>Störung</strong> unterteilt <strong>in</strong> die <strong>Störung</strong> mit oppositionellem<br />

Trotzverhalten (313.81) und die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (312.8). Weiterh<strong>in</strong><br />

wird die Diagnose näher spezifiziert, dah<strong>in</strong>gehend <strong>in</strong> welchem Alter die ersten<br />

Symptome aufgetreten s<strong>in</strong>d. Dabei geht das DSM-IV davon aus, daß wenn die<br />

<strong>Störung</strong> bereits vor dem zehnten Lebensjahr beg<strong>in</strong>nt, die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit <strong>des</strong><br />

Auftretens e<strong>in</strong>er antisozialen Persönlichkeitsstörung im Erwachsenenalter erhöht ist.<br />

<strong>Die</strong>ser Befund wurde <strong>in</strong> unterschiedlichen Untersuchungen verschiedener Autoren<br />

bestätigt (Rob<strong>in</strong>s, 1966, White, Moffitt, Earls, Rob<strong>in</strong>s und Silva, 1990).<br />

III. Epidemiologie<br />

<strong>Die</strong> Schätzungen, wie oft diese <strong>Störung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung verteilt ist, unterscheiden<br />

sich stark. <strong>Die</strong>s beruht vor allem auf unterschiedlichen Def<strong>in</strong>itionen, aber auch auf<br />

unterschiedlichen Altersgruppen die untersucht wurden. In e<strong>in</strong>em Artikel von Offord,<br />

Al<strong>der</strong> und Boyle (1986) wird über die „Isle of Wight”-Studie berichtet, die sich


13<br />

beispielsweise nur mit <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> zehn- und elfjährigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> beschäftigt.<br />

<strong>Die</strong> Studie f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e Auftretensrate von <strong>in</strong>sgesamt 4,2% <strong>in</strong> dieser Altersgruppe.<br />

Betrachtet man <strong>in</strong> dieser Studie Jungen und Mädchen getrennt, so s<strong>in</strong>d 6,0% <strong>der</strong><br />

Jungen und 1,6% <strong>der</strong> Mädchen von <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> betroffen.<br />

Offord, Boyle und Rac<strong>in</strong>e (1991) berichten über Ergebnisse <strong>der</strong> „Ontario Child<br />

Health Study” (OCHS). In dieser epidemiologischen Studie wird untersucht, wieviele<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche zwischen vier und sechzehn Jahren e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>, e<strong>in</strong>e Hyperaktivitätsstörung, e<strong>in</strong>e emotionale <strong>Störung</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

somatische <strong>Störung</strong> aufweisen. Desweiteren wird untersucht, welche<br />

soziodemographischen Zusammenhänge es mit <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

gibt. Befragt werden die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen selbst sowie <strong>der</strong>en Eltern und<br />

Lehrer mit e<strong>in</strong>er abgewandelten Form <strong>der</strong> „Child behavior checklist” (Achenbach &<br />

Edelbrock, 1981). <strong>Die</strong> Gesamtrate <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> beträgt 5,5%,<br />

wobei die Rate bei den Jungen 8,1% beträgt und bei den Mädchen 2,8%.<br />

Desweiteren wird unterschieden zwischen <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> vier- bis elfjährigen<br />

und <strong>der</strong> zwölf- bis sechzehnjährigen. In <strong>der</strong> jüngeren Gruppe zeigen 6,5% <strong>der</strong><br />

Jungen und 1,8% <strong>der</strong> Mädchen e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>, während es <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> älteren Gruppe 10,4% <strong>der</strong> Jungen und 4,1% <strong>der</strong> Mädchen s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Die</strong> größte Überschneidung h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Diagnosen ergab sich zwischen <strong>der</strong><br />

dissozialen <strong>Störung</strong> und <strong>der</strong> Hyperaktivitätsstörung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> vier- bis<br />

elfjährigen K<strong>in</strong><strong>der</strong>. 58,7% <strong>der</strong> Jungen und 56,3% <strong>der</strong> Mädchen mit e<strong>in</strong>er antisozialen<br />

<strong>Störung</strong> zeigen ebenfalls e<strong>in</strong>e Hyperaktivitätsstörung. Bei den zwölf- bis<br />

sechzehnjährigen Jugendlichen s<strong>in</strong>d es 30,5% <strong>der</strong> Jungen und 37,0% <strong>der</strong> Mädchen<br />

die beide <strong>Störung</strong>en aufweisen. <strong>Die</strong> Überschneidung zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> und e<strong>in</strong>er emotionalen <strong>Störung</strong> variiert zwischen 15,3% (<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gruppe <strong>der</strong> vier- bis elfjährigen) und 18,6% (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> zwölf- bis<br />

sechzehnjährigen) bei Jungen und 31,3% und 48,1% bei Mädchen <strong>der</strong><br />

entsprechenden Altersgruppen.<br />

Bei den soziodemographischen Daten zeigt sich <strong>der</strong> stärkste Zusammenhang<br />

zwischen antisozialem Verhalten und ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen. Interessanterweise<br />

zeigt sich ke<strong>in</strong> Zusammenhang zu übermäßigem elterlichen Alkoholkonsum.<br />

An<strong>der</strong>e Autoren sprechen von e<strong>in</strong>er <strong>Häufigkeit</strong> von 4% bis 10% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

England und den USA (Wolff, 1993). Lösel und Ben<strong>der</strong> (1997) gehen davon aus,<br />

daß 7% bis 10% aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> zeitweise Antisozialitätsprobleme haben und daß<br />

Jungen sechs- bis neunmal häufiger e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> aufweisen<br />

als Mädchen.<br />

Jungen entwickeln demzufolge sehr viel häufiger e<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong> als<br />

Mädchen. Ste<strong>in</strong>hausen (1996) beispielsweise gibt an, daß aggressives und<br />

dissoziales Verhalten bei 4% bis 8% <strong>der</strong> zehn- bis zwölfjährigen Jungen vorkommt<br />

und daß Jungen bis zu dreimal häufiger auffällig s<strong>in</strong>d als Mädchen. An<strong>der</strong>en<br />

Angaben zufolge tritt die SSV bei 11% aller Jungen und Mädchen unter 18 Jahren<br />

auf, dabei s<strong>in</strong>d 9% <strong>der</strong> Betroffenen Jungen und nur 2% Mädchen (Myschker, 1993).


14<br />

International wird die Rate von <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> für das gesamte<br />

K<strong>in</strong><strong>des</strong>- und Jugendalter auf 5% bis 15% geschätzt, wobei Jungen vier- bis fünfmal<br />

häufiger betroffen s<strong>in</strong>d als Mädchen (Ste<strong>in</strong>hausen, 1996).<br />

Insgesamt ist es schwierig, e<strong>in</strong>e angemessene Schätzung anzugeben, weil zum<br />

e<strong>in</strong>en die Def<strong>in</strong>itionen nicht e<strong>in</strong>heitlich s<strong>in</strong>d, zum an<strong>der</strong>en aber auch sehr<br />

unterschiedliche Stichproben untersucht wurden (z. B. h<strong>in</strong>sichtlich <strong>des</strong> Alters o<strong>der</strong><br />

<strong>des</strong> Geschlechtes). Man kann auch davon ausgehen, daß <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>ischen Stichproben<br />

die <strong>Häufigkeit</strong> bei e<strong>in</strong>em Drittel bis zu e<strong>in</strong>er Hälfte liegt (Coid, 1993). In e<strong>in</strong>er Studie<br />

von Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al. (1998), die <strong>in</strong>sgesamt 1076 Patienten <strong>der</strong> Abteilung für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendpsychiatrie <strong>der</strong> Universität Erlangen-Nürnberg untersuchte, die<br />

dort zwischen 1989 und 1994 behandelt wurden, wiesen 235 Patienten e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> auf. Das entspricht 21,8% <strong>der</strong> Gesamtstichprobe.<br />

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es Studien gibt, die sich mit <strong>der</strong><br />

Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

beschäftigen und auch Studien, die untersucht haben wie häufig die <strong>Störung</strong> <strong>in</strong><br />

kl<strong>in</strong>ischen Stichproben auftritt.<br />

E<strong>in</strong>e Studie, die sich unter an<strong>der</strong>em damit befaßt, wie häufig die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen auftritt, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Heime<strong>in</strong>richtung bef<strong>in</strong>den, ist die Untersuchung von Hebborn-Brass (1991). Es<br />

handelt sich dabei um e<strong>in</strong>e Längsschnittstudie, die alle 268 K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die von 1968 bis<br />

1985 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Institution aufgenommen wurden, untersucht. Sie benutzt zur Diagnostik<br />

das „Multiaxiale Klassifikationsschema für psychiatrische Erkrankungen im K<strong>in</strong><strong>des</strong>und<br />

Jugendalter” von Remschmidt, Schmidt und Klipcera (1977). <strong>Die</strong><br />

Diagnosestellung erfolgt <strong>in</strong> dieser Untersuchung durch zwei kl<strong>in</strong>ische Experten<br />

(Diplom-Psychlog<strong>in</strong> und K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendpsychiater), die zunächst unabhängig<br />

vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> für je<strong>des</strong> K<strong>in</strong>d aufgrund persönlicher Kenntnis und nach Aktenstudium<br />

e<strong>in</strong>e Diagnose erstellten, welche dann geme<strong>in</strong>sam bis zum Konsens diskutiert<br />

wurde. Bei <strong>der</strong> Erfassung <strong>der</strong> Intelligenz und Entwicklungsrückständen wurden<br />

zusätzlich Tests gemacht. In Ergänzung dazu wurde e<strong>in</strong> psychologischer<br />

Verhaltensbeurteilungsbogen e<strong>in</strong>gesetzt, <strong>der</strong> verschiedene Dimensionen abdeckt<br />

(e<strong>in</strong>schließlich <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>).<br />

78 K<strong>in</strong><strong>der</strong> (29%) weisen e<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong> auf, davon s<strong>in</strong>d 55 Jungen und 23<br />

Mädchen. Sie bilden <strong>in</strong> dieser Untersuchung aber nur die zweitgrößte Gruppe. <strong>Die</strong><br />

zahlenmäßig größte Syndromgruppe stellt die <strong>der</strong> prognostisch günstigen<br />

neurotisch-emotionalen <strong>Störung</strong>en mit 102 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n (38% <strong>der</strong> Gesamtstichprobe)<br />

dar. 50 K<strong>in</strong><strong>der</strong> (19% <strong>der</strong> Stichprobe) werden als hyperaktiv diagnostiziert.<br />

<strong>Die</strong> Frage wie oft e<strong>in</strong>e solche <strong>Störung</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er privaten E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und<br />

Jugendhilfe auftritt, wird <strong>in</strong> dieser Diplomarbeit untersucht.<br />

IV. Differentialdiagnostik und Komorbidität<br />

Im ICD-10 wird e<strong>in</strong>e Überschneidung <strong>der</strong> SSV mit an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>en e<strong>in</strong>geräumt.<br />

Zu den Ausschlußdiagnosen gehören affektive <strong>Störung</strong>en (F30-39), hyperk<strong>in</strong>etische


15<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (F90.1), komb<strong>in</strong>ierte <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

und <strong>der</strong> Emotionen (F92), tiefgreifende Entwicklungsstörungen (F84) und<br />

Schizophrenie (F20).<br />

Das DSM-IV faßt die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen und die<br />

<strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> zu e<strong>in</strong>er Gruppe <strong>der</strong> „<strong>Störung</strong>en <strong>der</strong><br />

Aufmerksamkeit, <strong>der</strong> Aktivität und <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>” zusammen, um damit die<br />

engen Beziehungen zwischen diesen <strong>Störung</strong>en deutlich zu machen. <strong>Die</strong><br />

Diagnosekriterien für die SSV entsprechen sich <strong>in</strong> beiden Systemen weitgehend.<br />

In diesem Kapitel wird auf das geme<strong>in</strong>same Auftreten und die Differenzierung von<br />

an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>en näher e<strong>in</strong>gegangen.<br />

IV.1. Affektive <strong>Störung</strong>en<br />

Affektive <strong>Störung</strong>en können schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit und Jugend beg<strong>in</strong>nen. <strong>Die</strong><br />

Hauptsymptome bestehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Stimmung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Affektivität,<br />

die meist mit e<strong>in</strong>em Wechsel <strong>des</strong> allgeme<strong>in</strong>en Aktivitätsniveaus e<strong>in</strong>hergehen. <strong>Die</strong>se<br />

gesteigerte körperliche und psychische Aktivität kann bei e<strong>in</strong>zelnen <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n<br />

zu Reizbarkeit, Mißtrauen, Selbstüberschätzung und flegelhaftem Verhalten,<br />

Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefiziten sowie starker Ablenkbarkeit, e<strong>in</strong>em<br />

impulsiven, unkontrollierten Interesse an neuen Unternehmungen, zum Verlust<br />

sozialer Hemmungen, Aggression und Gewalttätigkeit führen. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Episoden stehen oft <strong>in</strong> Zusammenhang mit belastenden Ereignissen o<strong>der</strong><br />

Situationen. Dabei handelt es sich dann häufig um e<strong>in</strong>e Reaktion auf belastende<br />

Faktoren wie Trennungserfahrungen, <strong>in</strong>trafamiliäre Spannungen bzw. <strong>der</strong>en Folgen<br />

sowie Erziehungs- und B<strong>in</strong>dungsdefizite (Ste<strong>in</strong>hausen, 1996).<br />

VI.1.1. Depression und Angststörungen<br />

Untersuchungen weisen darauf h<strong>in</strong>, daß auch Depression und Angststörungen als<br />

<strong>in</strong>ternalisierende <strong>Störung</strong>en mit aggressivem Verhalten e<strong>in</strong>hergehen können.<br />

Demnach sei angstmotivierte Aggression das Mittel, um sich bei an<strong>der</strong>en Respekt<br />

zu verschaffen und die eigene Unsicherheit zu verr<strong>in</strong>gern (Petermann &<br />

Warschburger, 1996). An<strong>der</strong>erseits könne die Depression als sekundäres Problem<br />

angesehen werden, entstanden durch die negativen Rückmeldungen <strong>in</strong> bezug z. B.<br />

auf schulische Leistungen und <strong>der</strong>en schädliche Auswirkungen auf die<br />

Selbstachtung. Es wurde festgestellt, daß Jungen ohne Angstsymptomatik mehr und<br />

schwerwiegen<strong>der</strong>e Aggressionssymptome zeigen als überängstliche<br />

verhaltensgestörte Jungen (Petermann & Warschburger, 1996).<br />

An<strong>der</strong>e Autoren berichten, daß Depression e<strong>in</strong> Vorläufer o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Begleitersche<strong>in</strong>ung bei <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> mit Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Adoleszenz se<strong>in</strong> kann (Craig & Pepler, 1997). Desweiteren gehen sie davon aus,<br />

daß die Komb<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> mit Depression e<strong>in</strong> erhöhtes<br />

Suizidrisiko für die Betroffenen darstellt.


16<br />

Auch Schleiffer (1988) verweist darauf, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche neben<br />

externalisierten Symptomen auch e<strong>in</strong>e charakteristische Labilität im S<strong>in</strong>ne von<br />

Beziehungs- und Belastungsschwäche aufweisen, die auf die Nähe zwischen<br />

depressiven <strong>Störung</strong>en und <strong>der</strong> dissozialen <strong>Störung</strong> schließen lassen.<br />

Verschiedene Autoren berichten, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong> stärker<br />

gefährdet s<strong>in</strong>d ebenfalls e<strong>in</strong>e depressive <strong>Störung</strong> und/o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Angststörung zu<br />

entwickeln als K<strong>in</strong><strong>der</strong> ohne e<strong>in</strong>e solche <strong>Störung</strong> (Kolko, 1994, Craig & Pepler, 1997,<br />

Frick, 1998).<br />

IV.2. Hyperk<strong>in</strong>etische <strong>Störung</strong>en<br />

Hyperk<strong>in</strong>etische <strong>Störung</strong>en treten zusammen mit den <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> k<strong>in</strong><strong>der</strong>- und jugendpsychiatrischen E<strong>in</strong>richtungen am häufigsten<br />

auf. In e<strong>in</strong>er k<strong>in</strong><strong>der</strong>psychiatrischen Inanspruchnahmepopulation besaß die Hälfte<br />

aller als hyperk<strong>in</strong>etisch gestört diagnostizierten K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen zusätzlich<br />

e<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong>. Umgekehrt wurde <strong>in</strong> 17,4% <strong>der</strong> Fälle e<strong>in</strong>e SSV ohne<br />

hyperk<strong>in</strong>etische <strong>Störung</strong> diagnostiziert (Döpfner, 1996). Nach den Ergebnissen<br />

mehrerer Studien sieht es so aus, daß bei 30% bis 90% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />

beiden <strong>Störung</strong>skategorien klassifiziert waren, auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Kategorie e<strong>in</strong>e<br />

Diagnose gestellt wurde. S<strong>in</strong>d zusätzlich zu den Kriterien für e<strong>in</strong>e SSV auch die<br />

Kriterien für e<strong>in</strong>e hyperk<strong>in</strong>etische <strong>Störung</strong> erfüllt, sollte die Diagnose hyperk<strong>in</strong>etische<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (F90.1) lauten. Dabei wird dem dissozialen Verhalten<br />

e<strong>in</strong>e sekundäre Stellung zugewiesen, das hyperk<strong>in</strong>etische Verhalten stellt das<br />

Hauptproblem dar (ger<strong>in</strong>gere Ausprägungen von Überaktivität und<br />

Unaufmerksamkeit s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs bei SSV üblich, die Hyperaktivität sollte <strong>des</strong>halb<br />

umfassend und schwerwiegend se<strong>in</strong>). Nach ICD-10 wird e<strong>in</strong>e hyperk<strong>in</strong>etische<br />

<strong>Störung</strong> mit Priorität vor e<strong>in</strong>er SSV diagnostiziert. Verschiedene Autoren<br />

(Ste<strong>in</strong>hausen, 1996, Döpfner, 1996) weisen sogar darauf h<strong>in</strong>, daß die Gültigkeit <strong>des</strong><br />

Konzeptes <strong>des</strong> hyperk<strong>in</strong>etischen Syndroms bzw. e<strong>in</strong>e Differenzierung dieser<br />

<strong>Störung</strong>en <strong>in</strong> Frage gestellt ist, angesichts <strong>der</strong> Koexistenz von dissozialen <strong>Störung</strong>en<br />

mit Aufmerksamkeitsdefiziten und Hyperaktivität. K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, die beide<br />

<strong>Störung</strong>en aufweisen, zeigen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>en früheren Beg<strong>in</strong>n und e<strong>in</strong>e längere<br />

Persistenz <strong>der</strong> Verhaltensauffälligkeiten als diejenigen mit e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> (Hirschberg, 1994, Ste<strong>in</strong>hausen, 1996) o<strong>der</strong> diejenigen mit e<strong>in</strong>er<br />

re<strong>in</strong>en hyperk<strong>in</strong>etischen <strong>Störung</strong> (Döpfner, 1996). K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, die<br />

ausschließlich e<strong>in</strong>e hyperk<strong>in</strong>etische <strong>Störung</strong> zeigen, haben die günstigste Prognose.<br />

<strong>Die</strong>s wird nach Auffassung verschiedener Autoren dadurch bed<strong>in</strong>gt, daß erstere <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel mehr und schwerere Symptome von Verhaltensauffälligkeiten zeigen und<br />

damit psychisch stärker gestört s<strong>in</strong>d als Jugendliche, bei denen nur e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> beiden<br />

Problemfel<strong>der</strong> besteht (Hirschberg, 1994, Döpfner, 1996). An<strong>der</strong>e Ergebnisse<br />

zeigen, daß das hyperk<strong>in</strong>etische Syndrom faktorenanalytisch von <strong>der</strong> SSV zu<br />

trennen ist (Hirschberg, 1994, Rob<strong>in</strong>s, 1991, Döpfner, 1996) und mit verschiedenen<br />

„background characteristics” und Prognosen verbunden ist (Kazd<strong>in</strong>, 1990), wenn


17<br />

sich auch die Faktorensummen <strong>der</strong> beiden Dimensionen als hoch korreliert<br />

erwiesen. Zudem konnte gezeigt werden, daß beson<strong>der</strong>s diejenigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit<br />

e<strong>in</strong>em hyperk<strong>in</strong>etischen Syndrom auch e<strong>in</strong>e SSV aufweisen, <strong>der</strong>en hyperk<strong>in</strong>etisches<br />

Verhalten situationsunabhängig war (Hirschberg , 1994).<br />

IV.3. Komb<strong>in</strong>ierte <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und <strong>der</strong> Emotionen<br />

Bei <strong>der</strong> komb<strong>in</strong>ierten <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und <strong>der</strong> Emotionen (F92)<br />

kommen zusätzlich zu andauernden aggressiven, dissozialen o<strong>der</strong> aufsässigen<br />

Symptomen auch offensichtliche und deutliche Symptome von Depression, Angst<br />

o<strong>der</strong> sonstigen emotionalen <strong>Störung</strong>en h<strong>in</strong>zu. Trauer- und Verlustreaktionen gehen<br />

dabei mit isolierten dissozialen Verhaltensweisen bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>her, die ihre<br />

Verunsicherung durch aus <strong>der</strong> Umwelt stammenden Ängsten und Befürchtungen<br />

nach außen <strong>in</strong> aggressiven Handlungen ausagieren (Ste<strong>in</strong>hausen, 1996). Nach ICD-<br />

10 existieren ke<strong>in</strong>e ausreichenden Forschungsanstrengungen, die e<strong>in</strong>e Trennung<br />

dieser Kategorie von den SSV im K<strong>in</strong><strong>des</strong>alter garantieren. <strong>Die</strong>se Trennung wurde<br />

aufgrund e<strong>in</strong>er möglichen ätiologischen und therapeutischen Bedeutung und <strong>des</strong><br />

Beitrags zur diagnostischen Zuverlässigkeit <strong>der</strong> Klassifikation vorgenommen.<br />

IV.4. Tiefgreifende Entwicklungsstörungen<br />

Wie auch bei <strong>der</strong> dissozialen <strong>Störung</strong> liegen bei tiefgreifenden<br />

Entwicklungsstörungen (F84) qualitative Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>in</strong> gegenseitigen<br />

sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern vor. Außerdem tritt jedoch e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>geschränktes, stereotypes, sich wie<strong>der</strong>holen<strong>des</strong> Repertoire von Interessen und<br />

Aktivitäten auf. <strong>Die</strong>se <strong>Störung</strong>en s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong> Verhalten def<strong>in</strong>iert, das nicht dem<br />

Intelligenzalter <strong>des</strong> Individuums entspricht.<br />

IV.5. Schizophrenie<br />

<strong>Die</strong> Schizophrenie (F20) kann durch schwere Verhaltensstörungen, zu denen<br />

verantwortungsloses und unvorhersagbares Verhalten zählt, e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Inadäquatheit <strong>des</strong> Affekts sowie durch <strong>Störung</strong>en <strong>der</strong> Stimmung wie Reizbarkeit,<br />

plötzliche Wutausbrüche und Mißtrauen gekennzeichnet se<strong>in</strong>. Aggressivität mit<br />

möglicherweise erheblicher Selbst- und Fremdgefährdung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e aus <strong>der</strong><br />

Antriebssteigerung bzw. Stimmungsverän<strong>der</strong>ung resultierende aggressive<br />

Gespanntheit und Gereiztheit e<strong>in</strong>schließlich aggressiver Akte bei den Manien kann<br />

häufig aus dem psychotischen Erleben von Angst o<strong>der</strong> aus Wahn<strong>in</strong>halten entstehen<br />

(Ste<strong>in</strong>hausen, 1996). <strong>Die</strong> Hauptkennzeichen <strong>der</strong> schizophrenen <strong>Störung</strong>en s<strong>in</strong>d<br />

grundlegende und charakteristische <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> Denkens und <strong>der</strong><br />

Wahrnehmung sowie <strong>in</strong>adäquate o<strong>der</strong> verflachte Affektivität.


18<br />

IV.6. <strong>Störung</strong> mit oppositionellem Trotzverhalten<br />

Im Gegensatz zur <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> werden bei <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> mit<br />

oppositionellem Trotzverhalten nach DSM-VI (313.81) die grundlegenden Rechte<br />

an<strong>der</strong>er akzeptiert; die Betroffenen zeigen aber e<strong>in</strong>e ablehnende, fe<strong>in</strong>dselige und<br />

trotzige Haltung, vor allem gegenüber vertrauten Personen. Verschiedene<br />

Ergebnisse legen nahe, aufgrund <strong>der</strong> enormen Komorbidität dieser <strong>Störung</strong>en,<br />

oppositionelles Trotzverhalten als Vorläufer e<strong>in</strong>er SSV aufzufassen (Petermann &<br />

Warschburger, 1996). Gestützt wird diese Ansicht durch vergleichbare, wenn auch<br />

beim oppositionellen Trotzverhalten weniger stark belastete, familiäre Muster. <strong>Die</strong><br />

ICD-10 weist diese Kategorie nicht als eigenständige <strong>Störung</strong> auf, son<strong>der</strong>n als<br />

Untergruppe <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (F91.3 SSV mit oppositionellem<br />

Trotzverhalten).<br />

IV.7. <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und antisoziale<br />

Persönlichkeitsstörung<br />

<strong>Die</strong> antisoziale Persönlichkeitsstörung ist charakterisiert durch e<strong>in</strong> andauern<strong>des</strong><br />

Muster <strong>der</strong> Nichtachtung und Verletzung sozialer Rechte an<strong>der</strong>er Menschen seit<br />

dem 15. Lebensjahr, fehlen<strong>des</strong> Wahrheitsempf<strong>in</strong>den, Impulsivität, Reizbarkeit und<br />

Aggressivität, Verantwortungslosigkeit und fehlende Gewissensbisse. <strong>Die</strong> Diagnose<br />

e<strong>in</strong>er antisozialen Persönlichkeitsstörung wird nicht vor dem 18. Lebensjahr gestellt;<br />

wobei die Diagnose durch das Vorliegen e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong>dheit gestützt wird. Das beste Abgrenzungsmerkmal <strong>der</strong> beiden <strong>Störung</strong>en<br />

vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ist das Alter. <strong>Die</strong> SSV wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur bis zum 18. Lebensjahr<br />

diagnostiziert, e<strong>in</strong>e Persönlichkeitsstörung erst ab dem 18. Lebensjahr. E<strong>in</strong>e<br />

Untersuchung von Eppright, Kashani, Robison und Reid (1993) befaßt sich trotzdem<br />

mit <strong>der</strong> Komorbidität <strong>der</strong> beiden <strong>Störung</strong>en. <strong>Die</strong> Autoren untersuchten 100<br />

jugendliche Straftäter im Alter zwischen elf und siebzehn Jahren auf e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und Persönlichkeitsstörungen. 87 Versuchspersonen erfüllten<br />

die Kriterien für e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und 13 nicht.<br />

Sie fanden ke<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und<br />

Geschlecht o<strong>der</strong> Alter. 75 Probanden erfüllten die Kriterien für die Diagnose e<strong>in</strong>er<br />

antisozialen Persönlichkeitsstörung, wobei die Autoren das Alter <strong>der</strong><br />

Versuchspersonen außer acht ließen. Es konnten auch an<strong>der</strong>e<br />

Persönlichkeitsstörungen festgestellt werden, aber die <strong>der</strong> antisozialen<br />

Persönlichkeitsstörung kam mit Abstand am häufigsten vor und war die e<strong>in</strong>zige, bei<br />

<strong>der</strong> sich e<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang mit <strong>der</strong> SSV zeigte. <strong>Die</strong> Autoren weisen<br />

allerd<strong>in</strong>gs darauf h<strong>in</strong>, daß dieses Ergebnis nicht weiter verwun<strong>der</strong>lich ist, da die<br />

Kriterien <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> im DSM-III-R sehr ähnlich s<strong>in</strong>d.


19<br />

Allgeme<strong>in</strong> läßt sich feststellen, daß das Auftreten e<strong>in</strong>es weiteren <strong>Störung</strong>sbil<strong>des</strong> die<br />

therapeutische Arbeit erschwert und <strong>der</strong>en Erfolg gefährdet (Petermann &<br />

Warschburger, 1996). Außerdem erkennen sowohl ICD-10 als auch DSM-IV an, daß<br />

sich aus e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> e<strong>in</strong>e dissoziale (ICD-10) o<strong>der</strong><br />

antisoziale (DSM-IV) Persönlichkeitsstörung entwickeln kann. Im folgenden werden<br />

<strong>der</strong> Verlauf e<strong>in</strong>er SSV und die Risikofaktoren für die Entstehung und Vertiefung bzw.<br />

Persistenz <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> sowie Erklärungsansätze näher erläutert.<br />

<strong>Die</strong> Frage welche <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

auftreten, ist unter an<strong>der</strong>em Thema dieser Diplomarbeit.<br />

V. Verlauf<br />

In diesem Kapitel wird darauf e<strong>in</strong>gegangen, wie e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n verläuft. Es wird gezeigt, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> unterschiedlichen Alters<br />

unterschiedliche Symptome zeigen. Weiterh<strong>in</strong> wird beschrieben, was aus den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die antisoziales Verhalten zeigen, im Erwachsenenalter wird. Dabei gibt es<br />

H<strong>in</strong>weise darauf, daß antisoziales Verhalten stark abhängig ist vom Geschlecht.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> ist e<strong>in</strong>e schwerwiegende Verhaltensauffälligkeit,<br />

die als Vorbote von chronischem antisozialen Verhalten im Erwachsenenalter<br />

gesehen werden kann.<br />

Es gibt unterschiedliche Zahlen darüber, welcher Anteil <strong>der</strong>jenigen, die als K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e<br />

dissoziale <strong>Störung</strong> aufweisen, im Erwachsenenalter e<strong>in</strong>e antisoziale<br />

Persönlichkeitsstörung haben. Rob<strong>in</strong>s (1966) fand <strong>in</strong> ihrer Studie, daß von allen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die wegen antisozialer Verhaltensweisen <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik gekommen waren,<br />

28% als Erwachsene die Diagnose „Soziopathische Persönlichkeit” erhielten.<br />

Frick (1998) geht davon aus, daß 40% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong> als<br />

Erwachsene e<strong>in</strong>e antisoziale Persönlichkeitsstörung entwickeln.<br />

In <strong>der</strong> Untersuchung von Storm-Mathisen und Vaglum (1994) wird berichtet, daß<br />

35% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> aufwiesen, zum<br />

Nachuntersuchungszeitpunkt 20 Jahre später die DSM-III-R Kriterien für e<strong>in</strong>e<br />

antisoziale Persönlichkeitsstörung erfüllten, wobei Männer zu 47% die Diagnose<br />

erhielten, aber nur 23% <strong>der</strong> Frauen.<br />

An<strong>der</strong>e Autoren gehen davon aus, daß durchschnittlich 50% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit SSV<br />

auch als Erwachsene antisoziale Verhaltensweisen zeigen (Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al.,<br />

1998).<br />

V.1. Verlauf <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit<br />

SSV werden meist erst bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n diagnostiziert, die bereits zur Schule gehen. In<br />

<strong>der</strong> Regel s<strong>in</strong>d diese zwischen acht und zehn Jahren alt (Rob<strong>in</strong>s, 1991). Aber die<br />

Eltern dieser K<strong>in</strong><strong>der</strong> berichten oftmals über Reizbarkeit und Sturheit schon <strong>in</strong>


20<br />

früherem Alter. In <strong>der</strong> Literatur f<strong>in</strong>den sich H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>en signifikanten<br />

Zusammenhang zwischen Unruhe im Alter von drei und fünf Jahren und<br />

antisozialem Verhalten im Alter von acht Jahren (White, Moffitt, Earls, Rob<strong>in</strong>s &<br />

Silva, 1990). In an<strong>der</strong>en Artikeln f<strong>in</strong>det man ebenfalls H<strong>in</strong>weise darauf, daß e<strong>in</strong><br />

„schwieriges” Temperament <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit e<strong>in</strong> Prädiktor für späteres antisoziales<br />

Verhalten ist (Kazd<strong>in</strong>, 1990). Schwierige K<strong>in</strong><strong>der</strong> zeichnen sich eher durch schlechte<br />

Grundstimmung, schlechte Anpassung an Verän<strong>der</strong>ungen und heftige Reaktionen<br />

auf neue Stimuli sowie aggressives Verhalten und Wutausbrüche aus, als<br />

sogenannte e<strong>in</strong>fache K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Symptome <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> variieren mit dem Alter <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>,<br />

aber auch mit dem Geschlecht.<br />

In <strong>der</strong> jüngsten Gruppe nennen die Eltern oft Anzeichen wie Wi<strong>der</strong>spenstigkeit,<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen und Wutausbrüche. Als nächstes folgen oppositionelle,<br />

aufsässige Verhaltensweisen, gefolgt von <strong>Die</strong>bstahl und Brandstiftung. Als letztes<br />

tauchen Merkmale auf wie Schulschwänzen, Vandalismus und Substanzmißbrauch<br />

(Rob<strong>in</strong>s, 1991, Rob<strong>in</strong>s, 1986). Es werden allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e konkreten Altersangaben<br />

für die e<strong>in</strong>zelnen Gruppen gemacht.<br />

Ste<strong>in</strong>hausen (1996) geht davon aus, daß aggressives Verhalten zunächst im<br />

Vorschulalter e<strong>in</strong>en Höhepunkt erreicht und dann e<strong>in</strong>en <strong>Häufigkeit</strong>sabfall zeigt,<br />

während verdecktere Formen aggressiven Verhaltens (z. B. Stehlen) zunehmen.<br />

An<strong>der</strong>e Studien kommen zu an<strong>der</strong>en Ergebnissen: Mit zunehmendem Alter nimmt<br />

die <strong>Häufigkeit</strong> aggressiven Verhaltens bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen zu. Während<br />

bei Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Betroffenen bei ca. 2% liegt, wird bei Jugendlichen<br />

von bis zu 10 % gesprochen. Längsschnittstudien belegen diese Angaben: Der<br />

Prozentsatz <strong>der</strong> aggressiven K<strong>in</strong><strong>der</strong> vervierfachte sich zwischen dem achten und<br />

dreizehnten Lebensjahr (Petermann & Warschburger, 1996).<br />

Jenk<strong>in</strong>s und Glickman (1946) überprüften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stichprobe e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>teilung von<br />

K<strong>in</strong>dheitsstörungen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> zwischen verschiedenen Typen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit SSV<br />

unterschieden wurde. Dabei fanden sie für die jeweiligen Typen unterschiedliche<br />

geschlechtsspezifische Symptome heraus. Typ II bildete das „unsozialisierte<br />

aggressive K<strong>in</strong>d”, das generell charakterisiert wird durch e<strong>in</strong> Initiieren von Kämpfen,<br />

Grausamkeit, Trotz gegenüber Autoritäten, böswillig angerichtete Schäden und<br />

<strong>in</strong>adäquate Schuldgefühle. <strong>Die</strong>ser Typ wurde weiterh<strong>in</strong> als selbstbezogen,<br />

eifersüchtig, rachsüchtig und h<strong>in</strong>terlistig beschrieben. Außerdem soll das K<strong>in</strong>d<br />

an<strong>der</strong>en mißtrauen, e<strong>in</strong>en profanen und obszönen Sprachgebrauch haben sowie<br />

frühzeitig an sexuellen Kontakten <strong>in</strong>teressiert se<strong>in</strong>. Typ III wurde das „sozialisierte<br />

del<strong>in</strong>quente o<strong>der</strong> pseudosoziale K<strong>in</strong>d” genannt. Es zeichnete sich allgeme<strong>in</strong> durch<br />

Stehlen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe, heimliches Stehlen, gewohnheitsmäßiges Schulschwänzen,<br />

langes abendliches Wegbleiben, Weglaufen von zu Hause, schlechte Kameraden<br />

und Bandenaktivitäten aus. Nach ihrer Untersuchung wurden diese Typen durch<br />

Symptomkorrelationen bestätigt. <strong>Die</strong> Autoren gaben jedoch noch e<strong>in</strong>e zusätzliche<br />

typisch weibliche Form <strong>des</strong> Typ II an, die sich generell durch mehr verbale<br />

Aggression und allgeme<strong>in</strong>e Selbstbezogenheit def<strong>in</strong>iert.


21<br />

V.1.1. Altersspezifische Symptomverteilung<br />

In e<strong>in</strong>er Studie von Blanz, Schmidt und Esser (1990) wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Querschnittanalyse die Verteilung <strong>der</strong> Diagnosen <strong>der</strong> SSV nach ICD-10 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Feldstichprobe untersucht. <strong>Die</strong> Gesamtzahl stieg <strong>in</strong> dieser Studie zwischen acht und<br />

dreizehn Jahren um mehr als das Doppelte an, während sie zwischen 13 und 18<br />

Jahren nahezu konstant blieb. <strong>Die</strong> Diagnose F91.0 (auf den familiären Kontext<br />

beschränkte SSV) kam zu ke<strong>in</strong>em Zeitpunkt vor. <strong>Die</strong> Diagnose F91.3 (SSV mit<br />

oppositionell-aufsässigem Verhalten) spielte numerisch e<strong>in</strong>e sehr untergeordnete<br />

Rolle. Während bei den Achtjährigen die Diagnosen F91.1 (SSV bei fehlen<strong>der</strong><br />

Sozialisation) und F91.2 (SSV mit Sozialisation) etwa gleichhäufig vorkamen, verlor<br />

die Kategorie F91.1 bei den 13jährigen und noch deutlicher bei den 18jährigen<br />

relativ an Bedeutung, während SSV mit emotionalen <strong>Störung</strong>en über den<br />

Zehnjahreszeitraum zunahmen. Bei den komb<strong>in</strong>ierten SSV nach F92 standen an<br />

emotionaler Symptomatik depressive Symptome und Angstsyndrome im<br />

Vor<strong>der</strong>grund. <strong>Die</strong> Symptombelastung als Parameter für den Schweregrad zeigte<br />

zwischen den Kategorien F91.1 und F91.2 bei den 13jährigen e<strong>in</strong>en signifikanten<br />

Unterschied; sie lag höher für die Diagnose F91.1. In den an<strong>der</strong>en Altersgruppen<br />

zeigten sich ke<strong>in</strong>e Unterschiede bezüglich <strong>der</strong> beiden Kategorien. <strong>Die</strong> höchste<br />

Symptombelastung fand sich bei den acht- bis dreizehnjährigen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kategorie <strong>der</strong><br />

komb<strong>in</strong>ierten SSV mit emotionalen <strong>Störung</strong>en. <strong>Die</strong> Autoren gehen davon aus, daß<br />

dissoziales Verhalten altersabhängig variiert. So tendieren K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu offensiveren<br />

dissozialen Aktionen wie aggressiven Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen, während Jugendliche<br />

auch defensive dissoziale Symptome aufweisen können wie <strong>Die</strong>bstähle und Alkoholo<strong>der</strong><br />

Drogenmißbrauch.<br />

Petermann und Warschburger (1996) schreiben <strong>in</strong> ihrem Artikel, daß sich<br />

dissoziales Verhalten über verschiedene Altersstufen h<strong>in</strong>weg <strong>in</strong> sehr<br />

unterschiedlichen Verhaltensweisen äußern kann, es sich jedoch immer um das<br />

gleiche, zugrunde liegende negative Verhaltensmuster handelt. Sie gehen von<br />

e<strong>in</strong>em Risikomodell dissozialen Verhaltens aus, das schon bei prä- und per<strong>in</strong>atalen<br />

Faktoren ansetzt. In diesem Modell wird <strong>der</strong> ungünstigste Entwicklungsverlauf<br />

dargestellt, <strong>der</strong> beim del<strong>in</strong>quenten Verhalten <strong>des</strong> Jugendlichen endet.<br />

E<strong>in</strong>e solche Karriere kann schon vor <strong>der</strong> Geburt <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> beg<strong>in</strong>nen, wenn<br />

beispielsweise die Mutter ihr Ungeborenes durch Alkohol- o<strong>der</strong> Drogenmißbrauch<br />

schädigt. Bei Kle<strong>in</strong>stk<strong>in</strong><strong>der</strong>n nehmen die Eltern e<strong>in</strong> schwieriges Temperament wahr,<br />

das sich mit zunehmendem Alter <strong>in</strong> hyperaktiven, trotzigen und aggressiven<br />

Verhaltensweisen bemerkbar macht. Zusätzlich können Schulleistungsprobleme<br />

sowie soziale und kognitive Defizite entstehen, die wie<strong>der</strong>um zu Problemen im<br />

Umgang mit Gleichaltrigen und Del<strong>in</strong>quenz führen können. Nicht alle K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

durchlaufen die gesamte „del<strong>in</strong>quente Karriere”, da <strong>der</strong> „E<strong>in</strong>-” und „Ausstieg” <strong>in</strong><br />

jedem Alter erfolgen kann. E<strong>in</strong> del<strong>in</strong>quenter Jugendlicher muß auch nicht die ganze<br />

„<strong>Störung</strong>spalette” mit sozialen Interaktionsproblemen und schulischen<br />

Schwierigkeiten aufweisen.


22<br />

V.2. Verlauf bis <strong>in</strong> das Erwachsenenalter<br />

Das stabilste Verhaltensmerkmal über die Zeit ist Aggressivität (Möller-Nehr<strong>in</strong>g et<br />

al., 1998, Rob<strong>in</strong>s, 1991, Petermann & Warschburger, 1996).<br />

Rob<strong>in</strong>s (1966) fand <strong>in</strong> ihrer Untersuchung, daß die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit um so größer<br />

ist, daß die <strong>Störung</strong> fortdauert und auch im Erwachsenenalter antisoziale<br />

Verhaltensweisen gezeigt werden, je mehr antisoziale Symptome e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zeigt. In<br />

dieser Studie wurden 34% <strong>der</strong> Patienten, die als K<strong>in</strong><strong>der</strong> nicht mehr als zwei<br />

antisoziale Symptome gezeigt hatten, als gesund e<strong>in</strong>gestuft und nur 4% als<br />

soziopathische Persönlichkeit. Dagegen wurden nur 5% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit mehr als<br />

zehn Symptomen als Erwachsene für gesund befunden, dafür aber 43% als<br />

soziopathische Persönlichkeit.<br />

In e<strong>in</strong>em Artikel von Rob<strong>in</strong>s (1986) über das „Epidemiological Catchment Area<br />

Program” (ECA), <strong>in</strong> dem das „Diagnostic Interview Schedule” als<br />

Diagnose<strong>in</strong>strument verwendet wird, berichtet sie, daß, wenn nur die<br />

M<strong>in</strong>imalkriterien für e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> erfüllt waren, lediglich 20%<br />

<strong>der</strong> Untersuchten als Erwachsene e<strong>in</strong>e antisoziale Persönlichkeitsstörung<br />

aufwiesen, aber 75% <strong>der</strong>jenigen, die als K<strong>in</strong><strong>der</strong> sieben o<strong>der</strong> mehr Symptome<br />

gezeigt hatten. Desweiteren erwähnt sie e<strong>in</strong>en Befund von Prichard and Graham<br />

(1966), die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sogenannten „follow-up”-Untersuchung herausgefunden hatten,<br />

daß Jungen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit Verhaltensstörungen gezeigt hatten, als<br />

Erwachsene öfter antisoziales Verhalten an den Tag legten als Mädchen (48%<br />

versus 9%). Frauen mit antisozialem Verhalten <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit entwickelten häufiger<br />

Angststörungen und Depressionen als Männer (36% versus 16%).<br />

E<strong>in</strong> weiterer entscheiden<strong>der</strong> Faktor ist <strong>der</strong> Zeitpunkt, zu dem die <strong>Störung</strong> beg<strong>in</strong>nt.<br />

Jungen zeigen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel früher antisoziales Verhalten als Mädchen (Rob<strong>in</strong>s,<br />

1966). Das durchschnittliche Alter, ab dem antisoziales Verhalten auftrat, lag für<br />

Jungen bei sieben Jahren und für Mädchen bei acht Jahren. 35% <strong>der</strong> Jungen, bei<br />

denen die <strong>Störung</strong> zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr auftrat, wurden<br />

später als soziopathische Persönlichkeiten diagnostiziert, verglichen mit 20% von<br />

denen, die älter o<strong>der</strong> jünger waren. Bei Mädchen, die später als soziopathisch<br />

e<strong>in</strong>gestuft wurden, traten die antisozialen Verhaltensweisen erst zwischen 14 und 16<br />

Jahren auf (Median = 13).<br />

White et al. (1990) berichten <strong>in</strong> ihrer Untersuchung über 1037 K<strong>in</strong><strong>der</strong>. <strong>Die</strong>se wurden<br />

mit dem „Diagnostic Interview Schedule for Children - Child version” (DISC-C)<br />

untersucht. Befragt wurden die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>der</strong>en Eltern und Lehrer. Sie konnten <strong>in</strong> ihrer<br />

Untersuchung zeigen, daß frühes antisoziales Verhalten <strong>der</strong> beste Prädiktor für<br />

späteres antisoziales Verhalten ist. Auch an<strong>der</strong>e Autoren kommen zu dem Ergebnis,<br />

daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit späterem Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>en günstigeren Verlauf zeigen als K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit<br />

frühem Ausbruch. <strong>Die</strong>ser Befund ist nicht e<strong>in</strong>deutig. Lahey, Loeber, Frick, Hart und<br />

Applegate (1995) untersuchten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er prospektiven Studie 171 Jungen mit Hilfe<br />

<strong>des</strong> „Diagnostic Interview Schedule for Children (DISC). Befragt wurden ebenfalls<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst, <strong>der</strong>en Eltern und Lehrer. Sie f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> ihrer Untersuchung ke<strong>in</strong>en<br />

Zusammenhang zwischen Auftretensalter und Persistenz <strong>der</strong> <strong>Störung</strong>.


23<br />

E<strong>in</strong>e mögliche Erklärung für den Befund, daß die <strong>Störung</strong> eher persistiert, je früher<br />

sie beg<strong>in</strong>nt, könnte se<strong>in</strong>, daß sich mehr Gelegenheit bietet, antisoziales Verhalten<br />

auszuprobieren und zu verfestigen. Rob<strong>in</strong>s (1991) schreibt <strong>in</strong> ihrer Untersuchung,<br />

sie habe die Erfahrung gemacht, daß früher Beg<strong>in</strong>n häufig e<strong>in</strong>hergehe mit frühen<br />

sexuellen Erfahrungen und frühem Drogen- und Alkoholgebrauch. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> hätten<br />

<strong>des</strong>halb möglicherweise auch früher Kontakt zu älteren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en Mißverhalten<br />

sie nachahmen, ohne schon die „Weisheit” zur Reflexion ihres Verhaltens zu<br />

besitzen.<br />

In <strong>der</strong> Langzeitstudie von Rob<strong>in</strong>s (1966) wurden 524 Patienten, die als K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Kl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong>gewiesen wurden, 30 Jahre später nachuntersucht. 73% <strong>der</strong> Patienten<br />

waren männlich und 27% weiblich. Es stellte sich heraus, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die wegen<br />

antisozialen Verhaltens e<strong>in</strong>gewiesen wurden, als Erwachsene Schwierigkeiten <strong>in</strong><br />

ganz unterschiedlichen Lebensbereichen hatten.<br />

Zwei Drittel <strong>der</strong> Jungen und die Hälfte <strong>der</strong> Mädchen, die wegen antisozaler<br />

Verhaltensweisen <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik kamen, wurden später zu jugendlichen Straftätern<br />

(während nur 9% <strong>der</strong> Jungen und 2% <strong>der</strong> Mädchen, die aus an<strong>der</strong>en Gründen <strong>in</strong> die<br />

Kl<strong>in</strong>ik kamen, Straftaten beg<strong>in</strong>gen). Als Erwachsene waren 71% <strong>der</strong> Männer und<br />

40% <strong>der</strong> Frauen, die als K<strong>in</strong>d antisoziales Verhalten gezeigt hatten, wegen an<strong>der</strong>er<br />

Straftaten als Verkehrsdelikten verhaftet worden. Verhaftungen wegen Mord, Raub<br />

und Prostitution kamen nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> antisozialen Gruppe vor, sie waren aber<br />

<strong>in</strong>sgesamt sehr selten. Lediglich e<strong>in</strong> Mann beg<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>en Mord.<br />

Patienten mit antisozialem Verhalten hatten später auch mehr Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ehe.<br />

Hier ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Frauen höher. Obwohl mehr Personen aus <strong>der</strong><br />

Patientenstichprobe geheiratet hatten als Kontrollpersonen, lebten weniger von<br />

ihnen zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Nachuntersuchung mit ihrem Ehepartner zusammen. 70%<br />

<strong>der</strong> Ehen, <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>nen mit antisozialem Verhalten bei <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ike<strong>in</strong>weisung<br />

wurden geschieden. 23% davon wurden sogar mehr als e<strong>in</strong>mal geschieden. Bei den<br />

Scheidungen berichteten Patienten häufiger als die Kontrollgruppe davon, daß <strong>der</strong><br />

Ehepartner die Scheidung gewollt hätte. Zur damaligen Zeit war es üblich, daß die<br />

Scheidung von den Frauen e<strong>in</strong>gereicht wurde, so daß <strong>in</strong>sgesamt wenig Frauen<br />

darüber berichteten, daß <strong>der</strong> Ehemann die Scheidung gefor<strong>der</strong>t hätte. Aber alle, die<br />

von e<strong>in</strong>em solchen Fall berichteten, gehörten zur Patientengruppe, niemand zur<br />

Kontrollgruppe. Auch bei den Männern gibt es Unterschiede. So for<strong>der</strong>ten bei drei<br />

Vierteln <strong>der</strong> Patientengruppe die Frauen die Scheidung, aber nur bei <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong><br />

Kontrollgruppe.<br />

Frauen mit antisozialem Verhalten heirateten sehr früh, e<strong>in</strong> Fünftel bevor sie 17<br />

Jahre alt waren, und mehr als die Hälfte vor dem Alter von 21 Jahren. Außerdem<br />

suchten sie sich Ehemänner aus, die tranken, verhaftet wurden, untreu waren, sie<br />

im Stich ließen o<strong>der</strong> sie nicht unterstützten. Wurden sie geschieden und heirateten<br />

erneut, wählten 71% <strong>der</strong> Frauen erneut e<strong>in</strong>en Mann mit den gleichen Problemen.<br />

Männer mit antisozialem Verhalten wurden häufiger geschieden als Männer <strong>der</strong><br />

Kontrollgruppe, aber seltener als Frauen mit antisozialen Verhaltensweisen.<br />

Außerdem zeigten die Frauen, die sie heirateten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>e


24<br />

Verhaltensprobleme. <strong>Die</strong>s muß nicht bedeuten, daß die Frauen schlechter <strong>in</strong> ihrem<br />

Urteilsvermögen s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n könnte auch darauf h<strong>in</strong>deuten, daß die Verfügbarkeit<br />

bei Männern mit antisozialem Verhalten größer ist.<br />

Frauen mit antisozialen Problemen <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit hatten e<strong>in</strong>e hohe<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>losigkeitsrate. 45% <strong>der</strong> Frauen, die geheiratet hatten, blieben k<strong>in</strong><strong>der</strong>los,<br />

während Frauen, die aus an<strong>der</strong>en Gründen <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik gekommen waren, o<strong>der</strong><br />

Frauen <strong>der</strong> Kontrollgruppe ähnlich oft k<strong>in</strong><strong>der</strong>los blieben wie <strong>der</strong> nationale<br />

Durchschnitt. Bei Männern gab es ebenfalls Unterschiede, aber diese waren<br />

ger<strong>in</strong>ger. Wenn allerd<strong>in</strong>gs Frauen und Männer mit antisozialem Verhalten K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

bekamen, hatten sie mehr als an<strong>der</strong>e Patienten o<strong>der</strong> als Angehörige <strong>der</strong><br />

Kontrollgruppe. Von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong> Patienten mit antisozialem Verhalten wurde<br />

häufiger berichtet, daß sie ebenfalls mehr antisoziale Verhaltensweisen zeigten als<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Patienten o<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> Kontrollpersonen.<br />

Von den Männern mit antisozialem Verhalten hatten weniger e<strong>in</strong>e dauerhafte<br />

Beschäftigung als Männer <strong>der</strong> Vergleichsgruppen. Ihre Arbeitslosigkeit war höher<br />

wegen Inhaftierung, Krankheit (zu Hause und im Krankenhaus) und weil sie e<strong>in</strong>fach<br />

ke<strong>in</strong>e Beschäftigung fanden. Bei den Frauen war die Arbeitslosigkeit nicht so klar<br />

ersichtlich, weil nicht immer deutlich war ob e<strong>in</strong>e tatsächliche Arbeitslosigkeit<br />

bestand o<strong>der</strong> sie Hausfrauen waren. Im Vergleich mit den Frauen <strong>der</strong><br />

Kontrollgruppe hatten sie aber häufiger ke<strong>in</strong>e Arbeit. Über alle Gruppen verdienten<br />

die Männer mehr als die Frauen. Innerhalb <strong>der</strong> Gruppen verdienten die Männer mit<br />

antisozialem Verhalten am wenigsten. E<strong>in</strong> Grund dafür war sicherlich <strong>der</strong> häufige<br />

Wechsel <strong>des</strong> Arbeitsplatzes, so daß sie nicht wie an<strong>der</strong>e im Laufe <strong>der</strong> Zeit höhere<br />

Löhne aufgrund längerer Betriebszugehörigkeit erhielten. E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Grund war die<br />

schlechtere Ausbildung <strong>der</strong> Patienten mit Schwierigkeiten im Sozialverhalten.<br />

Bei den Patienten mit antisozialen Verhaltensweisen bestand öfter e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle<br />

Abhängigkeit als <strong>in</strong> den Vergleichsgruppen. E<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Männer und über die<br />

Hälfte <strong>der</strong> Frauen erhielten Unterstützung von Wohlfahrtsverbänden.<br />

Sowohl Frauen als auch Männer mit antisozialem Verhalten hatten e<strong>in</strong> schlechteres<br />

soziales Netz. Sie hatten oftmals ke<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> kaum Kontakt zu an<strong>der</strong>en, we<strong>der</strong> zu<br />

Verwandten noch zu Freunden o<strong>der</strong> Nachbarn. Sie engagierten o<strong>der</strong> beteiligten sich<br />

selten <strong>in</strong> Organisationen, die Kirche e<strong>in</strong>geschlossen.<br />

Männer mit antisozialen Verhaltensweisen dienten auch seltener <strong>in</strong> <strong>der</strong> Armee als<br />

Männer <strong>der</strong> Kontrollgruppe. Sie wurden häufiger von <strong>der</strong> Armee abgelehnt. E<strong>in</strong><br />

Grund für diese Ablehnung war oftmals ihre krim<strong>in</strong>elle Vorgeschichte. Wenn sie aber<br />

doch <strong>in</strong> die Armee e<strong>in</strong>traten, schieden sie häufiger aus Krankheitsgründen o<strong>der</strong><br />

unehrenhaft aus. Sie verbrachten e<strong>in</strong>en hohen Zeitanteil im Krankenhaus, entfernten<br />

sich häufig ohne Erlaubnis o<strong>der</strong> <strong>des</strong>ertierten. <strong>Die</strong>ses Bild spiegelte sich auch <strong>in</strong><br />

ihrem niedrigen <strong>Die</strong>nstgrad wi<strong>der</strong>.<br />

Patienten mit antisozialem Verhalten hatten als Erwachsene häufiger zu<br />

irgende<strong>in</strong>em Zeitpunkt Probleme mit Alkohol. 48% von ihnen waren „schwere


25<br />

Tr<strong>in</strong>ker”, aber nur 29% <strong>der</strong> Patienten mit an<strong>der</strong>en Problemen und 23% <strong>der</strong><br />

Kontrollgruppe.<br />

Drogenmißbrauch wurde von den ehemaligen Patienten nur selten berichtet, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kontrollgruppe allerd<strong>in</strong>gs kam er gar nicht vor. Frauen mit antisozialem Verhalten<br />

wiesen e<strong>in</strong>e hohe Rate beim Gebrauch von Beruhigungsmitteln auf (16%).<br />

<strong>Die</strong> To<strong>des</strong>rate bei Männern mit antisozialem Verhalten lag zum Zeitpunkt <strong>der</strong><br />

Nachuntersuchung bei 17% und damit über dem nationalen Durchschnitt. Bei<br />

Frauen wurden ke<strong>in</strong>e Unterschiede gefunden.<br />

Auch Storm-Mathisen et al. (1994) fanden <strong>in</strong> ihrer Untersuchung e<strong>in</strong>e relativ hohe<br />

To<strong>des</strong>rate unter den Patienten mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>. Von 75<br />

Patienten waren zum Nachuntersuchungszeitpunkt sechs gestorben (3 Männer und<br />

3 Frauen). <strong>Die</strong> Ursachen ihres To<strong>des</strong> waren zumeist Gewalt <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form.<br />

Außerdem fanden die Autoren e<strong>in</strong> erhöhtes Risiko für Substanzmißbrauch.<br />

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Menschen, die als K<strong>in</strong><strong>der</strong> antisoziale<br />

Verhaltensweisen zeigen, als Erwachsene häufiger als an<strong>der</strong>e Menschen Probleme<br />

<strong>in</strong> den unterschiedlichsten Lebensbereichen haben.<br />

V.3. Der E<strong>in</strong>fluß von Therapie auf den Verlauf <strong>der</strong> <strong>Störung</strong><br />

<strong>Die</strong> zuvor dargestellten Ergebnisse zeigen, daß längst nicht alle K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> haben, später e<strong>in</strong>e antisoziale Persönlichkeitstörung<br />

aufweisen. Allerd<strong>in</strong>gs ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong>er, die e<strong>in</strong>e solche Persönlichkeitsstörung<br />

o<strong>der</strong> Schwierigkeiten <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Lebensbereichen entwickeln, recht hoch.<br />

Interessant ist dabei, daß es sche<strong>in</strong>bar ke<strong>in</strong>en großen Unterschied macht, ob die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich e<strong>in</strong>er Therapie unterziehen o<strong>der</strong> nicht. Kolko (1994) merkt dazu an, daß<br />

es vorwiegend an<strong>der</strong>e s<strong>in</strong>d, die unter dem antisozialen Verhalten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />

leiden haben, bei den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen selbst h<strong>in</strong>gegen besteht wenig<br />

Leidensdruck. Damit verbunden ist, daß die betroffenen K<strong>in</strong><strong>der</strong> wenig Motivation zur<br />

Än<strong>der</strong>ung ihres Verhaltens aufweisen und die therapeutische Prognose<br />

entsprechend ungünstig ist.<br />

Wergeland (1980) untersuchte, ob K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit SSV, die sich e<strong>in</strong>er Therapie<br />

unterzogen hatten, e<strong>in</strong>en besseren Verlauf zeigen als K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die ke<strong>in</strong>e Therapie<br />

bekommen hatten. Er fand lediglich e<strong>in</strong>e Tendenz, daß behandelte K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich<br />

besser <strong>in</strong> verschiedenen Lebensbereichen zurechtfanden als unbehandelte.<br />

In <strong>der</strong> empirischen Längsschnittstudie zu Indikation und Verlauf bei<br />

verhaltensgestörten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im Heim von Hebborn-Brass (1991), <strong>in</strong> <strong>der</strong> 268 K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er Heime<strong>in</strong>richtung zwischen 1968 und 1985 untersucht wurden, wurde auch auf<br />

den Verlauf <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> e<strong>in</strong>gegangen. In <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung werden die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

pädagogisch-psychotherapeutisch betreut, aber es f<strong>in</strong>det auch e<strong>in</strong>e<br />

Zusammenarbeit mit den Eltern statt. Von den 78 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die als dissozial<br />

diagnostiziert wurden, zeigen 20,8% bei ihrer Entlassung e<strong>in</strong> weitgehend


26<br />

unverän<strong>der</strong>tes o<strong>der</strong> sogar verschlechtertes Verhalten. Bei 37,5% gilt die <strong>Störung</strong> als<br />

weitgehend behoben und bei 41,7% als teilgebessert.<br />

Lösel und Ben<strong>der</strong> (1997) kommen zu dem Schluß, daß es e<strong>in</strong>ige<br />

Behandlungsformen gibt, die durchaus erfolgversprechend s<strong>in</strong>d (z. B. gut<br />

strukturierte kognitive Verhaltenstherapien) und an<strong>der</strong>e, die schlechtere Wirkungen<br />

erzielen (z. B. psychodynamische und non-direktive Therapien). Sie betonen<br />

außerdem die Notwendigkeit, nicht nur mit dem K<strong>in</strong>d zu arbeiten, son<strong>der</strong>n auch mit<br />

den Eltern.<br />

Kramer und v. d. Leyen (1934) berichten über die „Entwicklungsverläufe<br />

anethischer, gemütloser psychopathischer K<strong>in</strong><strong>der</strong>”. Sie verfolgten dabei die Fälle<br />

e<strong>in</strong>iger K<strong>in</strong><strong>der</strong> zwischen 1912 und 1934 und schil<strong>der</strong>ten detailliert <strong>der</strong>en Verlauf. <strong>Die</strong><br />

damalige Diagnose stimmt nicht mehr vollständig mit unserer heutigen Diagnose <strong>der</strong><br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> übere<strong>in</strong>, hat aber doch e<strong>in</strong>ige Ähnlichkeiten. <strong>Die</strong><br />

Symptome wurden nach Stier beschrieben als „gesteigerte Eßlust (Unersättlichkeit<br />

o<strong>der</strong> Freßgier), bei höheren Graden begleitet von e<strong>in</strong>er Abschwächung <strong>des</strong><br />

Ekelgefühls; <strong>der</strong> wahllose Genuß unsauberer, an sich kaum eßbarer, für den<br />

durchschnittlichen Geschmack wi<strong>der</strong>licher Nahrungsmittel sei die Folge. Der<br />

Selbstbehauptungstrieb führe zu rücksichtsloser, brutaler Durchführung eigener<br />

Interessen, <strong>der</strong> gesteigerte Betätigungsdrang zur Unterwerfung <strong>der</strong> Mitmenschen;<br />

die Verteidigung schlage schnell <strong>in</strong> rohe Angriffe auf an<strong>der</strong>e über. Zorn und<br />

Wutausbrüche träten auf, wenn die Durchsetzung <strong>der</strong> kraß-egoistischen Interessen<br />

von außen gewaltsam geh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wird. E<strong>in</strong> verfrühtes Durchbrechen e<strong>in</strong>es mächtig<br />

gesteigerten Geschlechtstriebes vermisse man selten. In körperlicher Beziehung sei<br />

die Herabsetzung <strong>der</strong> Schmerzempf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>e häufige Begleitersche<strong>in</strong>ung. Ferner<br />

beobachte man Lust am Verletzen an<strong>der</strong>er, am Quälen von Tieren.<br />

Anstaltsbehandlung sei unentbehrlich. <strong>Die</strong> Prognose sei als nicht günstig zu<br />

bezeichnen” (zitiert aus Kramer & v. d. Leyen, 1934).<br />

Kramer und v. d. Leyen stellen jedoch fest, daß <strong>in</strong> fast allen Fällen e<strong>in</strong>e erhebliche<br />

Besserung e<strong>in</strong>trat, wenn die Umgebungsbed<strong>in</strong>gungen verän<strong>der</strong>t und verbessert<br />

wurden.<br />

VI. Risikofaktoren<br />

VI.1. Geschlecht<br />

Jungen s<strong>in</strong>d sehr viel häufiger von <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> betroffen. Nach<br />

Ste<strong>in</strong>hausen (1996) zeigen Jungen im K<strong>in</strong><strong>des</strong>alter bis zu dreimal häufiger<br />

aggressives Verhalten als Mädchen. Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al. (1998) fanden <strong>in</strong> ihrer<br />

Studie, daß 71,1% <strong>der</strong> 235 K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> aufwiesen<br />

männlich waren und nur 28,9% weiblich. <strong>Die</strong>se Ergebnisse könnten durch die<br />

unterschiedlichen Ersche<strong>in</strong>ungsformen bei Jungen und Mädchen zu erklären se<strong>in</strong>.<br />

Während Jungen eher direkte körperliche Aggression und damit objektiv<br />

beobachtbares Verhalten zeigen, das auch <strong>in</strong> den Klassifikationssystemen


27<br />

auftaucht, ist das Verhalten von Mädchen weniger gut direkt beobachtbar. <strong>Die</strong>se<br />

handeln <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong>direkt mit verbaler Gewalt. So verbreiten sie z. B. Gerüchte,<br />

Hänseln o<strong>der</strong> leisten Wi<strong>der</strong>spruch (Petermann & Warschburger, 1996). Es ist nicht<br />

geklärt ob dieser Geschlechtsunterschied durch biologische Faktoren zu erklären ist<br />

o<strong>der</strong> ob er auf die Erziehung und die Umwelte<strong>in</strong>flüsse zurückzuführen ist.<br />

Da das Geschlecht e<strong>in</strong> bedeuten<strong>der</strong> E<strong>in</strong>flußfaktor ist, wird darauf <strong>in</strong> Kapitel VIII noch<br />

genauer e<strong>in</strong>gegangen.<br />

VI.2. Frühes Verhalten<br />

Zu den frühen Prädiktoren antisozialen Verhaltens gehören e<strong>in</strong> schwieriges<br />

Temperament, nicht ausreichen<strong>des</strong> B<strong>in</strong>dungsverhalten an Eltern o<strong>der</strong><br />

Bezugspersonen, Entwicklungsverzögerungen und Schulversagen (Rob<strong>in</strong>s, 1991).<br />

E<strong>in</strong> weiterer Faktor ist motorische Unruhe bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bis h<strong>in</strong> zur Hyperaktivität. <strong>Die</strong><br />

Erklärung dafür, daß Schulversagen als e<strong>in</strong> Risikofaktor angesehen werden sollte,<br />

ist möglicherweise die, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule ke<strong>in</strong>e Erfolgserlebnisse haben,<br />

e<strong>in</strong> niedriges Selbstwertgefühl und e<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>dselige E<strong>in</strong>stellung zur Schule<br />

entwickeln. Hieraus entstehen dann Verhaltensweisen wie Schulvermeidung<br />

(Schulschwänzen), Anschluß an an<strong>der</strong>e del<strong>in</strong>quente K<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendliche sowie<br />

kompensatorische, del<strong>in</strong>quente und an<strong>der</strong>e dissoziale Handlungen (Hirschberg,<br />

1994). Sicher ist Schulversagen eher im Zusammenhang mit an<strong>der</strong>en Risikofaktoren<br />

zu sehen, denn das Selbstwertgefühl von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n hängt nicht nur von e<strong>in</strong>em Bereich<br />

ab.<br />

In verschiedenen Artikeln wurde festgestellt, daß e<strong>in</strong> schwieriges Temperament <strong>in</strong><br />

frühester K<strong>in</strong>dheit e<strong>in</strong> Prädiktor für e<strong>in</strong>e spätere dissoziale <strong>Störung</strong> se<strong>in</strong> kann<br />

(Kazd<strong>in</strong>, 1987, Rob<strong>in</strong>s, 1991). E<strong>in</strong> solcher Befund deutet darauf h<strong>in</strong>, daß<br />

biologische Faktoren bei <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Rolle spielen. Das Temperament gehört zu den vorherrschenden Aspekten <strong>der</strong><br />

Persönlichkeit, welches e<strong>in</strong>ige Konsistenz über Situationen und Zeit zeigt (Kazd<strong>in</strong>,<br />

1987). Unterschiede <strong>des</strong> Temperaments zeigen sich schon bei sehr kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Man f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Artikeln H<strong>in</strong>weise darauf, daß e<strong>in</strong> schwieriges Temperament <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit das Risiko erhöht, e<strong>in</strong>e SSV zu entwickeln (Kazd<strong>in</strong>, 1990, Rob<strong>in</strong>s,<br />

1991). Unterschiede im Temperament basieren auf Aspekten wie <strong>der</strong> Aktivität <strong>des</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>des</strong>, se<strong>in</strong>er emotionalen Responsivität, <strong>der</strong> generellen Qualität se<strong>in</strong>er Stimmung<br />

und se<strong>in</strong>er sozialen Anpassungsfähigkeit (Kazd<strong>in</strong>, 1987). „E<strong>in</strong>fache” K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d<br />

charakterisiert durch e<strong>in</strong>e generell positive Stimmung, Annäherung an neue Stimuli,<br />

gute Anpassungsfähigkeit an Än<strong>der</strong>ungen und niedrige Reaktionen auf neue Stimuli.<br />

„Schwierige” K<strong>in</strong><strong>der</strong> zeigen gegenteilige Verhaltensmuster. Es ist unklar, warum e<strong>in</strong><br />

spezifisches Temperament K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu antisozialem Verhalten prä<strong>des</strong>t<strong>in</strong>iert. Neben<br />

<strong>der</strong> möglichen biologischen Prädisposition könnte auch die Eltern-K<strong>in</strong>d-Interaktion<br />

dazu beitragen. E<strong>in</strong>ige Studien haben gezeigt, daß Mütter mehr negative<br />

Verhaltensweisen gegenüber K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zeigen, die „schwierig” und <strong>in</strong>effektiv <strong>in</strong> <strong>der</strong>


28<br />

Kontrolle abweichenden k<strong>in</strong>dlichen Verhaltens s<strong>in</strong>d und durch unterwürfige<br />

Reaktionen dieses aversive Verhalten ihres K<strong>in</strong><strong>des</strong> verstärken (Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

Auch Ste<strong>in</strong>hausen (1996) beschreibt, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit höherem Aktivitätsniveau <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

frühen K<strong>in</strong>dheit später eher aggressive <strong>Störung</strong>en entwickeln. Dabei kann die<br />

Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eltern im Erziehungsprozeß zu unangemessenen Reaktionen <strong>in</strong><br />

Form von Zurückweisung und ständiger Kritik führen. <strong>Die</strong>se för<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong>um das<br />

gestörte Verhalten <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>.<br />

An<strong>der</strong>e Studien beschreiben Befunde, die zeigen, daß sogenannte „vorkl<strong>in</strong>ische”<br />

Symptome wie Aggressivität und Wi<strong>der</strong>spenstigkeit, die von Lehrern o<strong>der</strong><br />

Mitschülern beobachtet werden, späteren antisozialen Verhaltensweisen und<br />

Del<strong>in</strong>quenz oftmals vorausgehen (Kazd<strong>in</strong>, 1987). Vorkl<strong>in</strong>isch bedeutet, daß die<br />

gezeigten Symptome nicht die Schwere und das Ausmaß haben, um zu e<strong>in</strong>er<br />

entsprechenden Diagnose zu kommen.<br />

VI.3. Familiäre Faktoren<br />

VI.3.1. Psychische Auffälligkeiten <strong>der</strong> Eltern<br />

Psychopathologische Ersche<strong>in</strong>ungen bei den Eltern bedeuten generell e<strong>in</strong> Risiko für<br />

das K<strong>in</strong>d, ebenfalls psychische <strong>Störung</strong>en zu entwickeln (Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>der</strong>en Eltern e<strong>in</strong>e antisoziale Persönlichkeitsstörung haben o<strong>der</strong> alkoholo<strong>der</strong><br />

drogenabhängig s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d stärker gefährdet e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

zu entwickeln (Rob<strong>in</strong>s, 1966, Lahey, Loeber, Frick, Hart, Applegate, Zhang, Green &<br />

Russo, 1995, Stewart & Leone, 1978).<br />

Das Risiko ist am ausgeprägtesten, wenn beide Elternteile e<strong>in</strong>e antisoziale<br />

Persönlichkeitsstörung aufweisen. Rob<strong>in</strong>s (1991) weist darauf h<strong>in</strong>, daß <strong>der</strong> Effekt<br />

größer ist, wenn die Mutter betroffen ist, da diese üblicherweise mehr Zeit mit den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n verbr<strong>in</strong>gt. Außerdem ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit größer, daß, wenn die<br />

Mutter antisoziales Verhalten zeigt, <strong>der</strong> Vater gleichermaßen dieses Verhalten<br />

aufweist. Denn, wie Rob<strong>in</strong>s (1966) fand, suchen sich Frauen mit e<strong>in</strong>er antisozialen<br />

Verhaltensstörung oft e<strong>in</strong>en Mann mit ebensolchem Verhalten. Da aber die <strong>Störung</strong><br />

viel häufiger bei Männern als bei Frauen auftritt, ist es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel so, daß <strong>der</strong> Vater<br />

antisoziales Verhalten zeigt. Im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> sozialen Lerntheorie stellen die<br />

aggressiven Verhaltensweisen <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> e<strong>in</strong>e direkte Reaktion auf die unmittelbare<br />

soziale Umwelt dar. <strong>Die</strong> unangemessenen k<strong>in</strong>dlichen Verhaltensweisen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e<br />

Folge <strong>des</strong> aggressiven und antisozialen Verhaltens von Eltern und Geschwistern.<br />

Dabei s<strong>in</strong>d die jeweiligen Intensitäten <strong>der</strong> Reaktionen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie oft<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> korreliert (Ste<strong>in</strong>hausen, 1996).<br />

VI.3.2. Eltern-K<strong>in</strong>d-Interaktionen<br />

Weitere Merkmale <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie s<strong>in</strong>d geschiedene Eltern, <strong>in</strong>konsequente<br />

Erziehungsstile und e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong><strong>der</strong>reiche Familie. Lösel und Ben<strong>der</strong> (1997) schreiben<br />

dazu, daß verschiedene Faktoren sich hier zu e<strong>in</strong>em Kreislauf <strong>der</strong> gegenseitigen


29<br />

Verstärkung schließen können. Aufgrund ihres Temperamentes und ihrer kognitiven<br />

Probleme s<strong>in</strong>d die K<strong>in</strong><strong>der</strong> schon im frühen Lebensalter schwierig. <strong>Die</strong> Eltern haben<br />

selbst Defizite und s<strong>in</strong>d mit <strong>der</strong> Erziehung überfor<strong>der</strong>t. Es mangelt an Ressourcen,<br />

um dem K<strong>in</strong>d gerecht zu werden. <strong>Die</strong> Eltern reagieren emotional ablehnend,<br />

ungeduldig, aggressiv, <strong>in</strong>konsistent o<strong>der</strong> mit rigidem Zwang auf das K<strong>in</strong>d. So<br />

entwickelt sich e<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>dseliges Familienklima. Vernachlässigung und wenig<br />

e<strong>in</strong>fühlsame Eltern tragen außerdem zu e<strong>in</strong>er unsicheren B<strong>in</strong>dung bei. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

lernen über die Eltern als Vorbil<strong>der</strong>, Aggressivität als konfliktlösen<strong>des</strong> Mittel<br />

e<strong>in</strong>zusetzen. <strong>Die</strong> Impulsivität, Unaufmerksamkeit und Defizite sich sprachlich<br />

adäquat auszudrücken, verr<strong>in</strong>gern die Kompetenz, Konflikte friedlich zu lösen.<br />

<strong>Die</strong>ses Verhalten zieht Schwierigkeiten im Umgang mit Eltern und nicht-auffälligen<br />

Gleichaltrigen nach sich, so daß sich das K<strong>in</strong>d eher ebenfalls auffälligen<br />

Jugendlichen anschließt. An<strong>der</strong>e Studien erklären den E<strong>in</strong>fluß von Eltern-K<strong>in</strong>d-<br />

Interaktionen ähnlich. Eltern antisozialer K<strong>in</strong><strong>der</strong> erteilen diesen mehr Befehle,<br />

begegnen abweichendem Verhalten mit Aufmerksamkeit und eventuell sogar<br />

E<strong>in</strong>willigung, während prosoziales Verhalten eher ignoriert wird (Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

Eltern von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> werden als<br />

vernachlässigend, <strong>in</strong>konsequent und hart bei Bestrafungen beschrieben (Kazd<strong>in</strong>,<br />

1987). Fiedler (1997) schreibt dazu, daß Mütter dissozialer K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf Fehlverhalten<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er aversiven, zugleich jedoch völlig une<strong>in</strong>deutig normierenden Weise<br />

reagieren. Prosoziales Verhalten dagegen wurde von ihnen kaum o<strong>der</strong> überhaupt<br />

nicht beachtet. Kazd<strong>in</strong> (1987) erklärt den starken Zusammenhang elterlicher<br />

Erziehungspraktiken und SSV mit e<strong>in</strong>em Teufelskreis, <strong>in</strong> welchem e<strong>in</strong> schwieriges<br />

K<strong>in</strong>d steckt, das se<strong>in</strong>en Eltern gegenüber undankbar und lästig ist. <strong>Die</strong> Eltern<br />

reagieren abwechselnd mit Ablehnung und harter Bestrafung. E<strong>in</strong> Verhalten, das<br />

beim K<strong>in</strong>d wie<strong>der</strong> zu fe<strong>in</strong>dseligem und undankbarem Verhalten führt. <strong>Die</strong>se<br />

reziproken Prozesse pflanzen sich über Generationen fort (Rob<strong>in</strong>s, 1991). Elterliche<br />

Praktiken, die e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d im Alter von acht Jahren erfährt, spiegeln sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art<br />

wi<strong>der</strong>, wie es später mit se<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n umgeht (Rob<strong>in</strong>s, 1991).<br />

Außerdem überwachen Eltern antisozialer o<strong>der</strong> del<strong>in</strong>quenter K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong>en Verbleib<br />

und Aufenthaltsort weniger und treffen weniger Vere<strong>in</strong>barungen für <strong>der</strong>en Fürsorge,<br />

wenn sie e<strong>in</strong>e begrenzte Zeit nicht zu Hause s<strong>in</strong>d. An<strong>der</strong>e Faktoren, die e<strong>in</strong>e<br />

schlechte Aufsicht <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wi<strong>der</strong>spiegeln, be<strong>in</strong>halten die Abwesenheit von Regeln<br />

betreffend <strong>der</strong> Orte, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aufsuchen dürfen o<strong>der</strong> wann sie zurück se<strong>in</strong> müssen.<br />

Damit wird den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n erlaubt, durch die Straßen zu ziehen und sich <strong>in</strong> vielen<br />

unabhängigen und unbeaufsichtigten Aktivitäten zu engagieren (Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

Insgesamt wird mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n die zuverlässige E<strong>in</strong>haltung von Regeln nicht<br />

e<strong>in</strong>geübt (Hirschberg, 1994). E<strong>in</strong>e auffällig erhöhte Rate „unzureichen<strong>der</strong> elterlicher<br />

Aufsicht und Führung” ließ sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Studie von Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al. (1998) bei<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen mit SSV nachweisen. K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die von ihren Eltern<br />

vernachlässigt o<strong>der</strong> mißhandelt werden, zeigen später oft beson<strong>der</strong>s schwere<br />

Verhaltensauffälligkeiten (Hirschberg, 1994). <strong>Die</strong> körperliche Untersuchung von<br />

Jugendlichen mit dissozialem Verhalten zeigte <strong>in</strong> mehreren Studien zahlreiche<br />

unerkannte bzw. unbehandelte Krankheiten auf, was ebenfalls als Ausdruck <strong>der</strong>


30<br />

Vernachlässigung dieser Jugendlichen und bee<strong>in</strong>trächtigter Entwicklungschancen<br />

angesehen werden kann (Hirschberg, 1994). Solche und ähnliche <strong>in</strong>trafamiliäre<br />

Interaktionen sowie schlechtes parentales Verhalten führen schließlich dazu, daß<br />

e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d im Schulalter kognitiv retardiert ist und Probleme mit <strong>der</strong> Beachtung und<br />

E<strong>in</strong>haltung von Regeln hat (Herbert, 1978). Auch die Qualität <strong>der</strong> Eltern-K<strong>in</strong>d-<br />

Beziehung und <strong>der</strong> familiären Beziehungen s<strong>in</strong>d als Risikofaktor ermittelt worden. Im<br />

Vergleich zu den Eltern normaler Jugendlicher br<strong>in</strong>gen diejenigen antisozialer K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

diesen gegenüber weniger Akzeptanz, weniger Wärme, weniger Liebe und<br />

emotionale Unterstützung und weniger „Attachment” entgegen (Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

Weniger stützende und mehr defensive Kommunikation zwischen<br />

Familienmitglie<strong>der</strong>n, weniger Teilnahme an Aktivitäten als Familie und mehr klare<br />

Dom<strong>in</strong>anz e<strong>in</strong>es Familienmitglieds unterscheiden Familien antisozialer Jugendlicher<br />

von an<strong>der</strong>en (Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

VI.3.3. Eheliche Disharmonie und „Broken homes”<br />

„Broken homes” und eheliche Disharmonie stehen ebenfalls <strong>in</strong> Zusammenhang mit<br />

k<strong>in</strong>dlichen Verhaltenstörungen. Familiäre Disharmonie und dabei vor allem<br />

chronische Partnerkonflikte <strong>der</strong> Eltern s<strong>in</strong>d (mit-)verantwortlich für e<strong>in</strong>en<br />

unangemessenen elterlichen Erziehungsstil. Gerade Jungen aus vaterlosen<br />

Scheidungsfamilien s<strong>in</strong>d als Opfer dieser Entwicklungen zu betrachten. Sie<br />

reagieren typischerweise mit aggressiven und dissozialen <strong>Störung</strong>en auf die<br />

Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es „broken home”. Es besteht die Gefahr, daß Mütter e<strong>in</strong>e<br />

generelle Ablehnung gegenüber Männern zeigen und damit beson<strong>der</strong>e<br />

Identitätsprobleme für Jungen schaffen, welche diese teilweise <strong>in</strong> aggressiven Akten<br />

ausleben (Ste<strong>in</strong>hausen, 1996). An<strong>der</strong>e Autoren gehen ebenfalls davon aus, daß<br />

unglückliche eheliche Beziehungen sowie zwischenmenschliche Konflikte und<br />

Aggression die elterliche Beziehung del<strong>in</strong>quenter und antisozialer Jugendlicher<br />

kennzeichnen (Kazd<strong>in</strong>, 1987). So for<strong>der</strong>t Dobrotka (1987), daß problematischen<br />

Entwicklungen <strong>der</strong> Persönlichkeit von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n durch e<strong>in</strong>e verfehlte Partnerschaft <strong>der</strong><br />

Eltern präventiv begegnet werden muß, denn im Spannungsfeld <strong>des</strong><br />

disharmonischen elterlichen Milieus entwickelt sich die k<strong>in</strong>dliche Persönlichkeit<br />

ungünstig. Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al. (1998) fanden <strong>in</strong> ihrer Studie, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit SSV<br />

signifikant mehr Items, die für „Disharmonie zwischen Erwachsenen” standen,<br />

bejahten. Es konnte auch mehrmals nachgewiesen werden, daß <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Jugendliche, die e<strong>in</strong> gewalttätiges Verhalten zeigen, häufig Zeuge massiver<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen im familiären Bereich gewesen waren (Hirschberg, 1994).<br />

Es besteht aber ebenfalls die Möglichkeit, daß antisoziales Verhalten genetisch<br />

mitgeprägt ist.<br />

Es sche<strong>in</strong>t, als würde antisoziales Verhalten über die Generationen weitergegeben.<br />

In Studien, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> untersuchen, wird<br />

immer wie<strong>der</strong> festgestellt, daß die Eltern ebenfalls antisoziales Verhalten zeigen.<br />

Weiterh<strong>in</strong> fand Rob<strong>in</strong>s (1966) <strong>in</strong> ihrer Untersuchung, daß Erwachsene, die bereits


31<br />

als K<strong>in</strong><strong>der</strong> Verhaltensprobleme aufwiesen, häufig K<strong>in</strong><strong>der</strong> hatten, die verstärkt<br />

antisoziales Verhalten zeigten.<br />

VI.4. Biologische E<strong>in</strong>flüsse<br />

Verschiedene Autoren haben zwischen <strong>der</strong> Hirnaktivität von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>er<br />

dissozialen <strong>Störung</strong> und an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong>en Unterschied gefunden (Kazd<strong>in</strong>, 1987). Auch<br />

Lösel und Ben<strong>der</strong> (1997) beschreiben <strong>in</strong> ihrem Artikel, daß es physiologische<br />

Risikofaktoren gibt, die dazu beitragen, daß die Aggressivität beibehalten und aus<br />

negativen Erfahrungen schlechter gelernt wird. Gegenüber Vergleichsgruppen hat<br />

man bei antisozialen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen e<strong>in</strong> im Durchschnitt ger<strong>in</strong>geres<br />

Erregungsniveau <strong>des</strong> zentralen und autonomen Nervensystems festgestellt. E<strong>in</strong>ige<br />

Studien fanden e<strong>in</strong> verlangsamtes EEG, e<strong>in</strong>e niedrigere Herzrate und e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere<br />

Hautleitfähigkeit; manche auch e<strong>in</strong>en niedrigeren Cortisol- und Katecholam<strong>in</strong>spiegel.<br />

Auf <strong>der</strong> Verhaltensebene manifestiert sich dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em erhöhten<br />

Stimulationsbedürfnis, weniger Angst vor Strafe und schlechterem<br />

Vermeidungslernen. Bei aggressiven Jugendlichen fanden sich auch niedrigere<br />

Seroton<strong>in</strong>- sowie erhöhte Testosteronwerte. <strong>Die</strong> Befunde s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>deutig.<br />

An<strong>der</strong>e Studien haben ke<strong>in</strong>en Zusammenhang gefunden (Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

Wenn tatsächlich e<strong>in</strong> Unterschied bezüglich physiologischer Faktoren besteht, ist<br />

nicht klar, ob dies die Ursache für die <strong>Störung</strong> ist o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fach die biologische<br />

Reflexion <strong>der</strong> mangelnden emotionalen Beteiligung, die typisch ist für K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (Rob<strong>in</strong>s, 1991). Rob<strong>in</strong>s schlägt vor, die<br />

Bee<strong>in</strong>flussung <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> durch männliche Hormone während <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit und<br />

Jugend weiter zu untersuchen, weil dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e mögliche Erklärung liegen könnte für<br />

den starken Geschlechtsunterschied im Auftreten.<br />

VI.5. Religiosität<br />

Es wurde <strong>in</strong> verschiedenen Studien <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen Religiosität bzw.<br />

religiösem Engagement und abweichendem Verhalten (z. B. Drogenkonsum und<br />

Schwangerschaft bzw. Vaterschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühen Adoleszenz) untersucht.<br />

Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al. (1998) fanden <strong>in</strong> ihrer Studie, daß <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> SSV die<br />

Familien mit 54,7% signifikant häufiger nicht religiös engagiert waren als <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gruppe „ke<strong>in</strong>e Diagnose” (33,2%) und <strong>der</strong> Gruppe „an<strong>der</strong>e Diagnose” (38,2%).<br />

Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al. (1998) berichten aber ebenfalls über Befunde, die zeigen, daß<br />

sich vermehrt abweichen<strong>des</strong> Verhalten bei religiös weniger gebundenen<br />

Jugendlichen fand, aber auch über Studien <strong>in</strong> denen sich ke<strong>in</strong> Zusammenhang<br />

ermitteln ließ. Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al. gehen davon aus, daß Religion sowohl e<strong>in</strong> Risiko<br />

als auch e<strong>in</strong>e Chance se<strong>in</strong> kann. E<strong>in</strong>erseits kann e<strong>in</strong>e streng religiöse,<br />

moralisierende Erziehung e<strong>in</strong>e pathogene Wirkung entfalten (z. B. Anorexie,<br />

Zwangserkrankung, Depression). Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite können selbstwertstützende


32<br />

Elemente <strong>der</strong> religiösen Überzeugung e<strong>in</strong>e lebensbegleitende Identitätshilfe<br />

darstellen.<br />

Es liegt die Vermutung nahe, daß nicht die religiöse Betätigung an sich e<strong>in</strong>e bessere<br />

Prognose bietet, son<strong>der</strong>n eher, daß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Familie mit religiösem H<strong>in</strong>tergrund<br />

mehr positive Werte und Erziehungsgrundsätze allgeme<strong>in</strong> vorherrschen als <strong>in</strong><br />

Familien, die ke<strong>in</strong>e solche Orientierung haben.<br />

VI.6. Fernsehkonsum<br />

Befunde im Bereich <strong>des</strong> Fernsehkonsums zeigen, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit SSV bereits <strong>in</strong><br />

jungen Jahren mehr als Vergleichsgruppen fernsehen und dies im Laufe <strong>der</strong> Jahre<br />

auch immer länger tun. Daraus lassen sich jedoch ke<strong>in</strong>e Kausalzusammenhänge<br />

ableiten. Es stellt sich bei e<strong>in</strong>em solchen Befund auch die Frage, ob sich <strong>der</strong> erhöhte<br />

Fernsehkonsum nicht durch mangelnde elterliche Aufsicht und Steuerung erklären<br />

läßt (Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al., 1998). An<strong>der</strong>e Studien, wie z. B. Funk (1995, zitiert <strong>in</strong><br />

Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al., 1998) lassen jedoch durchaus e<strong>in</strong>en Zusammenhang<br />

vermuten zwischen Gewaltbilligung, Gewaltbereitschaft sowie Gewalttätigkeit und<br />

hohem Actionfilmkonsum von Schülern. <strong>Die</strong>se Untersuchung fand auch, daß e<strong>in</strong>e<br />

negative Korrelation zwischen <strong>der</strong> sozialen B<strong>in</strong>dung an die Eltern und dem<br />

Horrorfilmkonsum <strong>der</strong> Schüler bestand. <strong>Die</strong>se Ergebnisse lassen wichtige<br />

Schlußfolgerungen auf K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit SSV zu, da diese häufiger als K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus<br />

Vergleichsgruppen e<strong>in</strong>e negative B<strong>in</strong>dung an die Eltern besitzen (Möller-Nehr<strong>in</strong>g et<br />

al., 1998). Ste<strong>in</strong>hausen (1996) beschreibt, daß bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aller Altersgruppen und<br />

Sozialschichten die Massenmedien, und hier beson<strong>der</strong>s das Fernsehen,<br />

aggressives Verhalten auslösen und verstärken. Dabei bed<strong>in</strong>gen sich das Ausmaß<br />

<strong>des</strong> Fernseh- und Videokonsums, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Darbietung von Aggressivität<br />

und Gewalt, und die bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu beobachtende Gewalt wechselseitig, <strong>in</strong>dem die<br />

im Film gezeigte Gewalt K<strong>in</strong><strong>der</strong> aggressiver macht und diese agressiveren K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

mehr Gewalt zur Rechtfertigung ihres eigenen Verhaltens konsumieren. Auch<br />

Maccoby (1986) berichtet <strong>in</strong> ihrem Artikel, daß aggressive K<strong>in</strong><strong>der</strong> eher gewalttätiges<br />

Verhalten, das sie auf dem Bildschirm gesehen haben, imitieren als nicht-aggressive<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

VI.7. Kognitive Faktoren<br />

VI.7.1. Intelligenz<br />

Goydke und Specht (1976) fanden <strong>in</strong> ihrer Untersuchung bei Jugendlichen mit<br />

dissozialem Verhalten, daß <strong>in</strong> dieser Gruppe <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong>er, bei denen sich die<br />

<strong>in</strong>tellektuellen Leistungsmöglichkeiten unter dem Durchschnitt befanden, fast<br />

doppelt so hoch lag wie <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung. <strong>Die</strong> Leistungen<br />

dissozialer Jugendlicher wichen jedoch nur wenig vom Durchschnitt <strong>der</strong>


33<br />

Gleichaltrigen ab, wenn es sich um reproduktives, komb<strong>in</strong>atorisches und<br />

synthetisieren<strong>des</strong> Vorgehen an konkretem Material handelte. Fast drei Viertel <strong>der</strong><br />

Untersuchungspopulation hatten im Handlungsteil <strong>des</strong> HAWIE e<strong>in</strong> besseres, 41,3%<br />

e<strong>in</strong> signifikant besseres Ergebnis als im Verbalteil. Sie wichen zwar auch im<br />

Handlungsteil vom Standardisierungswert ab, aber dieses Ergebnis ist nicht<br />

signifikant. <strong>Die</strong> untersuchten Jugendlichen stammen zu 80% aus <strong>der</strong> Unterschicht.<br />

38% hatten zudem e<strong>in</strong>en wesentlichen Teil ihrer K<strong>in</strong>dheit unter beson<strong>der</strong>s<br />

ungünstigen, erfahrungse<strong>in</strong>schränkenden Bed<strong>in</strong>gungen zugebracht. 71,2% waren<br />

nicht zu e<strong>in</strong>em Volksschulabschluß gelangt. Goydke und Specht zogen aus ihren<br />

Ergebnissen den Schluß, daß es ke<strong>in</strong>en Anhaltspunkt dafür gibt, daß primäre<br />

<strong>in</strong>tellektuelle Bee<strong>in</strong>trächtigungen für die dissozialen Auffälligkeiten <strong>der</strong> untersuchten<br />

Jugendlichen von Bedeutung s<strong>in</strong>d. Sie betrachteten die schulischen Mißerfolge und<br />

die Abweichungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intelligenzstruktur <strong>in</strong> Zusammenhang mit den schlechten<br />

Bed<strong>in</strong>gungen, die <strong>der</strong> sozialen Herkunft zuzuschreiben waren.<br />

An<strong>der</strong>e Untersucher beschreiben ähnliche Ergebnisse wie Goydke und Specht.<br />

Auch Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al. (1998) fanden, daß bei den untersuchten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen die Rate von unterdurchschnittlichen Intelligenzleistungen höher ist als<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>bevölkerung. Rob<strong>in</strong>s (1991) schreibt <strong>in</strong> ihrem Artikel, daß sowohl die<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> als auch schulisches Versagen auf schlechte kognitive<br />

Leistungen zurückzuführen se<strong>in</strong> könne, denn <strong>der</strong> Durchschnitts<strong>in</strong>telligenzquotient<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit Schwierigkeiten im Sozialverhalten ist eher ger<strong>in</strong>g (Rob<strong>in</strong>s, 1991).<br />

An<strong>der</strong>erseits ist die Bandbreite <strong>des</strong> Intelligenzquotienten bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen mit SSV so breit, daß e<strong>in</strong> niedriger IQ ke<strong>in</strong>e notwendige Bed<strong>in</strong>gung<br />

darstellt (Rob<strong>in</strong>s, 1991).<br />

In e<strong>in</strong>em Überblicksartikel von Hirschberg (1994) wird ebenfalls berichtet, daß<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche mit <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>en<br />

Intelligenzquotienten im unteren Durchschnittsbereich aufweisen und daß sie <strong>in</strong><br />

Subtests, die sprachlich gebundene Fähigkeiten messen, am schlechtesten<br />

abschneiden. Außerdem fanden sich bei dieser Gruppe häufig<br />

Entwicklungsrückstände, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den Bereichen Lesen/Schreiben,<br />

Sprechen/Sprache sowie Defizite bezüglich Konzentration und Aufmerksamkeit.<br />

Hebborn-Brass (1991) fand <strong>in</strong> ihrer Untersuchung, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit dissozialen<br />

<strong>Störung</strong>en häufiger e<strong>in</strong>en IQ aufwiesen, <strong>der</strong> im unterdurchschnittlichen Bereich<br />

(26% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>) o<strong>der</strong> durchschnittlichen<br />

Bereich (32% <strong>der</strong> dissozialen K<strong>in</strong><strong>der</strong>) lag. Nur 14% <strong>der</strong> als dissozial diagnostizierten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> wiesen e<strong>in</strong>en IQ auf, <strong>der</strong> über dem Durchschnitt lag. <strong>Die</strong> Autor<strong>in</strong> zieht daraus<br />

den Schluß, daß es e<strong>in</strong>e „Schutzfaktorwirkung” <strong>der</strong> Intelligenz bezüglich <strong>der</strong> <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> gibt.<br />

VI.7.2. Informationsverarbeitung<br />

Hirschberg (1994) beschreibt auch kognitive Faktoren, die zur Stabilisierung und<br />

Aufrechterhaltung von <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> beitragen:<br />

-Viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche mit SSV erleben zwar, daß die Umwelt ihr Verhalten<br />

mißbilligt, sie sich aber dennoch oft mit Hilfe dieses Verhaltens an<strong>der</strong>en Personen


34<br />

gegenüber durchsetzen und auf diese Weise Kontrolle über Konfliktsituationen<br />

behalten können.<br />

-Sie unterstellen an<strong>der</strong>en Personen leicht fe<strong>in</strong>dselige Absichten ihnen gegenüber,<br />

auch wenn dafür objektiv ke<strong>in</strong> Anlaß besteht. Solche kognitiven Verzerrungen<br />

stehen dann oft am Anfang von Handlungen, <strong>in</strong> welchen für den außenstehenden<br />

Beobachter nichtige Anlässe zu massiven Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen eskalieren, ohne<br />

daß die betroffenen Jugendlichen selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, ihren eigenen Anteil an<br />

<strong>der</strong> Entstehung solcher Konfliktsituationen wahrzunehmen.<br />

-Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er sich selbst erfüllenden Prophezeiung machen solche K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendliche häufig die Erfahrungen, die ihr bereits bestehen<strong>des</strong> Bild e<strong>in</strong>er ihnen<br />

fe<strong>in</strong>dlich gesonnenen Umwelt bestätigen. Aus allem entsteht schließlich e<strong>in</strong> Gefüge<br />

von kognitiven E<strong>in</strong>stellungen und dissozialen Handlungen, das sich wechselseitig<br />

bed<strong>in</strong>gt und aufrechterhält.<br />

Auch Petermann und Warschburger (1996) berichten, daß bei aggressiven K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und del<strong>in</strong>quenten Jugendlichen e<strong>in</strong>e verzerrte und unangemessene<br />

Informationsverarbeitung beobachtet wurde. <strong>Die</strong> Informationsverarbeitung<br />

unterscheidet sich von <strong>der</strong> unauffälliger K<strong>in</strong><strong>der</strong> und geht mit vermehrt aggressivem<br />

und gewalttätigem Verhalten e<strong>in</strong>her. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> bieten weniger alternative<br />

Konfliktlösungen an und bevorzugen direkte Aktionen gegenüber verbalen<br />

Beschwichtigungen o<strong>der</strong> nichtaggressiven, selbstbehauptenden Reaktionen.<br />

Aggressive Reaktionen werden von ihnen häufig als positiv und leicht <strong>in</strong> die Tat<br />

umsetzbar bewertet, woh<strong>in</strong>gegen mögliche H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong><br />

Handlung nicht wahrgenommen werden.<br />

<strong>Die</strong> Autoren weisen außerdem darauf h<strong>in</strong>, daß del<strong>in</strong>quente Jugendliche e<strong>in</strong>e<br />

verm<strong>in</strong><strong>der</strong>te Fähigkeit besitzen, sich <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e Personen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen. <strong>Die</strong>se<br />

Beobachtung konnte auch schon bei aggressiven Vorschulk<strong>in</strong><strong>der</strong>n gemacht werden.<br />

Das fehlende E<strong>in</strong>fühlungsvermögen trägt sicherlich ebenfalls dazu bei, daß<br />

del<strong>in</strong>quente Jugendliche sich schneller angegriffen fühlen und Situationen falsch<br />

bewerten. Ihre moralische Urteilsfähigkeit ist gegenüber verhaltensunauffälligen<br />

Jugendlichen entwicklungsverzögert. Sie s<strong>in</strong>d weniger fähig, soziale Konventionen<br />

nachzuvollziehen, sich <strong>in</strong> die Perspektive e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen und sich<br />

mit Situationen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen, <strong>in</strong> denen es gilt, verschiedene moralische<br />

Gesichtspunkte gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abzuwägen. <strong>Die</strong>se Unterschiede werden beson<strong>der</strong>s<br />

deutlich, wenn sie ihr Handeln <strong>in</strong> von ihnen erlebten Ereignissen überdenken sollen.<br />

VI.8. Soziale Schicht<br />

Antisoziales Verhalten ist eher <strong>in</strong> <strong>der</strong> unteren sozialen Schicht bis h<strong>in</strong> zur<br />

Mittelschicht zu f<strong>in</strong>den.<br />

Rob<strong>in</strong>s (1966) fand <strong>in</strong> ihrer Studie, daß die soziale Schicht <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>e Rolle<br />

spielte, als antisoziales Verhalten eher bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen zu f<strong>in</strong>den war,<br />

die <strong>in</strong> Slums aufwuchsen, wo viel zu wenig Platz für jeden e<strong>in</strong>zelnen zur Verfügung


35<br />

stand, wo die Mutter ebenfalls arbeitete und die Familien von <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong><br />

Wohlfahrtsverbände abhängig waren. <strong>Die</strong> soziale Unterschicht alle<strong>in</strong> ist aber ke<strong>in</strong><br />

h<strong>in</strong>reichen<strong>des</strong> Kriterium für die Entwicklung von antisozialen Verhaltensweisen.<br />

Myschker (1993) schreibt dazu, daß Eltern aus <strong>der</strong> Unterschicht mehr zu e<strong>in</strong>em<br />

strengen, dirigistischen Erziehungsverhalten neigen und Eltern aus <strong>der</strong> Mittel- und<br />

Oberschicht mehr zu e<strong>in</strong>em unterstützenden Erziehungsstil. Aus diesem<br />

unterschiedlichen Verhalten, das <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung steht mit <strong>der</strong> sozialen Schicht,<br />

könnte teilweise zu erklären se<strong>in</strong>, daß die relativ größere Anzahl von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit<br />

Verhaltensstörungen aus <strong>der</strong> Unterschicht stammt. Rob<strong>in</strong>s (1978) vergleicht vier<br />

Studien, <strong>in</strong> denen antisoziales Verhalten untersucht wurde. Auch <strong>in</strong> dieser Arbeit<br />

spielte die soziale Schicht ke<strong>in</strong>e wesentliche Rolle, wenn es um den<br />

Zusammenhang mit <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> g<strong>in</strong>g. Nur wenn man davon<br />

ausgeht, daß alle Faktoren, die <strong>in</strong> diesem Kapitel geschil<strong>der</strong>t werden, häufiger <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

sogenannten Unterschicht o<strong>der</strong> <strong>der</strong> unteren Mittelschicht zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d, ist die<br />

Schichtzugehörigkeit als Risikofaktor zu nennen.<br />

VI.9. Kulturelle Unterschiede<br />

Im westlichen Kulturkreis treten externalisierende <strong>Störung</strong>en häufiger auf als im<br />

asiatischen o<strong>der</strong> afrikanischen Raum (Petermann & Warschburger, 1996).<br />

Es wird allgeme<strong>in</strong> angenommen, daß <strong>in</strong> traditionellen Kulturen, die Religiosität und<br />

familiäre Werte hoch schätzen, <strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Gebrauch psychotroper Substanzen<br />

unüblich ist und wo K<strong>in</strong><strong>der</strong> gut betreut werden, <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

kaum vorkommen (Rob<strong>in</strong>s, 1991).<br />

VI.10. Schulische Faktoren<br />

Ausgewählte Charakteristika können mit antisozialem Verhalten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

gebracht werden, so besitzen z.B. Grund- o<strong>der</strong> Hauptschulen mit e<strong>in</strong>em niedrigen<br />

Lehrer-Schüler-Verhältnis größere Raten an Del<strong>in</strong>quenz (Kazd<strong>in</strong>, 1987). In e<strong>in</strong>er<br />

Studie wurden zwölf verschiedene höhere Schulen auf das Verhalten ihrer Schüler,<br />

unter an<strong>der</strong>em auf <strong>der</strong>en Bereitschaft zur Mitarbeit, Fortsetzung <strong>der</strong> Schule,<br />

Del<strong>in</strong>quenzraten und schulische Leistungen untersucht (Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

Verschiedene Faktoren bee<strong>in</strong>flußten die Ergebnisse vorteilhaft. Dazu gehörten<br />

Betonung <strong>der</strong> Schulleistungen, Zeit <strong>des</strong> Lehrers <strong>in</strong> den Stunden, Lob und Würdigung<br />

<strong>der</strong> Schularbeiten vom Lehrer, die Betonung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Verantwortung <strong>der</strong><br />

Schüler, gute Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen (saubere Klassenräume, Möbel, die <strong>in</strong> Ordnung<br />

s<strong>in</strong>d), Verfügbarkeit <strong>des</strong> Lehrers, um auf die Probleme <strong>der</strong> Schüler e<strong>in</strong>zugehen und<br />

konsistente Lehrererwartungen. Ste<strong>in</strong>hausen (1996) dagegen weist darauf h<strong>in</strong>, daß<br />

Schulen durch ihre <strong>in</strong>nere Organisation und ihr Klima eigenständig dazu beitragen,<br />

daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Schule schwänzen, e<strong>in</strong>e brüchige Arbeitsmotivation entwickeln und<br />

die Schulräume verwüsten.


36<br />

Remschmidt, Schmidt und Strunk (1990, zitiert <strong>in</strong> Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al., 1998) fassen<br />

die Risikofaktoren für die Neigung zu gestörtem und aggressivem Verhalten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Arbeit für die Gewaltkommission <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung folgen<strong>der</strong>maßen zusammen:<br />

♦ männliches Geschlecht,<br />

♦ Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsene,<br />

♦ K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus sozial randständigen Familien,<br />

♦ arbeitslose und m<strong>in</strong><strong>der</strong>begabte Jugendliche ohne Schulabschluß,<br />

♦ Teilleistungsschwächen und neurophysiologische Auffälligkeiten,<br />

♦ E<strong>in</strong>fluß <strong>der</strong> Massenmedien,<br />

♦ K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die frühzeitig antisoziales Verhalten zeigen,<br />

♦ hyperk<strong>in</strong>etische K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

♦ E<strong>in</strong>fluß von Alkohol und Drogen,<br />

♦ negative Gruppene<strong>in</strong>flüsse.<br />

VI.11. Adoption<br />

In e<strong>in</strong>er Studie von Schleiffer (1993) wurden dissoziale adoptierte Jugendliche mit<br />

nichtadoptierten dissozialen Jugendlichen verglichen. Zwei Ergebnisse waren dabei<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressant. Zum e<strong>in</strong>en bestand bei den adoptierten Patienten e<strong>in</strong>e noch<br />

ausgeprägtere <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>. Sie zeigten vermehrt re<strong>in</strong><br />

externalisierte <strong>Störung</strong>smuster mit weniger assoziierten <strong>Störung</strong>en. Zum an<strong>der</strong>en<br />

handelte es sich bei ihnen um e<strong>in</strong>e Gruppe mit deutlich ger<strong>in</strong>ger vorhandenen<br />

Risikofaktoren für die Entwicklung dissozialer <strong>Störung</strong>en. Sie waren <strong>in</strong>sgesamt<br />

<strong>in</strong>telligenter, wiesen seltener Teilleistungsschwächen auf und kamen fast durchweg<br />

aus sogenannten vollständigen Familien, <strong>der</strong>en sozioökonomischer Status zudem<br />

deutlich höher war als bei <strong>der</strong> Kontrollgruppe. Ihre Eltern waren durchschnittlich älter<br />

und verfügten über e<strong>in</strong> höheres Ausbildungsniveau. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>zahl <strong>in</strong><br />

Adoptivfamilien war zudem ger<strong>in</strong>ger. Im Vergleich zu den Eltern <strong>der</strong> Kontrollgruppe<br />

gaben die Adoptiveltern ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n vermehrte Anregungen und för<strong>der</strong>ten sie<br />

besser, ohne sie jedoch zu überfor<strong>der</strong>n. Es fand sich außerdem e<strong>in</strong> Zusammenhang<br />

zwischen e<strong>in</strong>em späteren Adoptionszeitpunkt und e<strong>in</strong>er Heime<strong>in</strong>weisung. <strong>Die</strong><br />

Autoren vermuten, daß zwischen den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und ihren Adoptiveltern e<strong>in</strong>e<br />

ger<strong>in</strong>gere B<strong>in</strong>dungsstärke bestand. Dafür sprach auch, daß die frühadoptierten<br />

Patienten sich seltener <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Heim befanden, obwohl ihr aggressives Verhalten<br />

sich vor allem gegen ihre Eltern richtete, während dies bei den spätadoptierten<br />

Jugendlichen seltener <strong>der</strong> Fall war. <strong>Die</strong> Autoren zogen daraus den Schluß, daß,<br />

auch wenn die Adoption für die meisten betroffenen K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>e gute Erfahrung<br />

bedeutete, nicht übersehen werden sollte, daß e<strong>in</strong>ige Adoptivk<strong>in</strong><strong>der</strong> mit dieser<br />

Situation nicht gut zurechtkommen.<br />

E<strong>in</strong>ige Risikofaktoren, wie die familiäre Situation, Alkoholismus <strong>der</strong> Eltern o<strong>der</strong> die<br />

soziale Schicht und <strong>der</strong>en Zusammenhang mit dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> sollen <strong>in</strong> dieser Diplomarbeit untersucht werden.


VII. Erklärungsansätze<br />

37<br />

Zu diesem Thema gibt es viele unterschiedliche Theorien, welche <strong>in</strong> dieser Arbeit<br />

nicht alle Berücksichtigung f<strong>in</strong>den können. Auch die Ansätze, die <strong>in</strong> diesem Kapitel<br />

betrachtet werden, s<strong>in</strong>d nur kurz geschil<strong>der</strong>t, um e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick zu geben, wie<br />

<strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> entstehen können. Für e<strong>in</strong>en detaillierteren<br />

Überblick wird auf die Artikel von Herbert (1978), Achenbach (1982) und Myscker<br />

(1993) verwiesen.<br />

Es werden sowohl Ansätze genannt, die sich mit <strong>der</strong> genetischen o<strong>der</strong> biologischen<br />

Verursachung beschäftigen, als auch Theorien, die sich mit den<br />

Umgebungse<strong>in</strong>flüssen befassen. <strong>Die</strong> Erblichkeit <strong>der</strong> SSV wurde unter an<strong>der</strong>em mit<br />

Adoptionsstudien untersucht. Zu den Umgebungse<strong>in</strong>flüssen zählen viele <strong>der</strong> im<br />

Kapitel „Risikofaktoren” behandelten Punkte, <strong>in</strong> dem auch Zusammenhänge<br />

aufgezeigt wurden.<br />

VII.1. Personenspezifische, biologische Prädispositionen<br />

<strong>Die</strong> Forschung an antisozialen Erwachsenen zeigt e<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit, die bereits <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit auffällig ist: Menschen mit antisozialen Verhaltensweisen haben<br />

weniger Angst als an<strong>der</strong>e, und sie s<strong>in</strong>d schlechter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage aus Bestrafung zu<br />

lernen. Außerdem zeigen sie <strong>in</strong> Experimenten e<strong>in</strong>e größere Toleranz gegenüber<br />

Schmerzreizen als an<strong>der</strong>e, wenn sie dafür e<strong>in</strong>e Belohnung erhalten (Achenbach,<br />

1982).<br />

Nach Eysenck ist das Vorliegen personenspezifischer, biologischer Prädispositionen<br />

und aus ihnen resultierende Temperamentseigenarten dafür verantwortlich, daß<br />

Menschen unterschiedlich s<strong>in</strong>d und ebenso unterschiedliche psychische <strong>Störung</strong>en<br />

entwickeln. Eysenck versuchte diese Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> spezifischen<br />

Konditionierbarkeit von Personen mit se<strong>in</strong>en Persönlichkeitsdimensionen<br />

„Extraversion”, „Introversion” und „Neurotizismus” und „Psychotizismus”<br />

aufzuklären. Primäre Psychopathie soll danach <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptsache auf e<strong>in</strong>en<br />

genetisch prädisponierten „Psychotizismus” und erhöhter „Extraversion” bezogen<br />

se<strong>in</strong>, sekundäre Psychopathie vor allem auf hohen „Neurotizismus” und hoher<br />

„Extraversion”. Erstere Konstellation erkläre vor allem genetische E<strong>in</strong>flüsse auf e<strong>in</strong>e<br />

spätere Entwicklung antisozialer Persönlichkeitsmuster. <strong>Die</strong> Betroffenen hätten<br />

typischerweise e<strong>in</strong> niedriges Angstniveau und seien unempfänglich für Drohungen<br />

und Bestrafungen. Bei <strong>der</strong> letzteren, sekundären Psychopathievariante zeige sich,<br />

wegen e<strong>in</strong>er konzeptuell erwartbaren ger<strong>in</strong>geren Konditionierbarkeit, zugleich e<strong>in</strong>e<br />

weniger ausgeprägte Lernfähigkeit.


38<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> lernen normalerweise im Laufe ihrer Gewissensbildung antisoziale<br />

Reaktionen zurückzuhalten (zu hemmen), wobei das Gewissen als aus e<strong>in</strong>er Reihe<br />

konditionierter Reaktionen auf Reize, die mit antisozialem Handeln verknüpft s<strong>in</strong>d,<br />

bestehend aufgefaßt wird. <strong>Die</strong>se Gewissensbildung beruht auf e<strong>in</strong>er geglückten<br />

Interaktion <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Persönlichkeitsvoraussetzungen (Prädispositionen) mit<br />

<strong>der</strong> sozialen Umwelt (Milieu-Faktoren). Für das Mißl<strong>in</strong>gen wird die schlechtere<br />

Konditionierbarkeit <strong>der</strong> Menschen verantwortlich gemacht, die zur primären o<strong>der</strong><br />

sekundären Psychopathie veranlagt s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> schlechte Konditionierbarkeit ist <strong>der</strong><br />

zentrale Mechanismus zur Entwicklung dissozialer Neigungen. Für Menschen, die<br />

del<strong>in</strong>quente und krim<strong>in</strong>elle Neigungen entwickeln und dabei gut konditionierbar s<strong>in</strong>d,<br />

schlägt Eysenck e<strong>in</strong>e dritte Erklärungsmöglichkeit vor, die er als „Antisozialisation”<br />

bezeichnet. Damit me<strong>in</strong>t er K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die ihre dissozialen Handlungen schlicht von<br />

dissozialen Eltern lernen, ohne daß e<strong>in</strong>e entsprechende Temperamentsausstattung<br />

im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er antisozialen Persönlichkeitsstörung vorliegen muß.<br />

VII.2. Genetische E<strong>in</strong>flüsse<br />

Hersen und Last (1990) berichten über Adoptionsstudien, <strong>in</strong> denen<br />

Umgebungse<strong>in</strong>flüsse kontrolliert wurden. <strong>Die</strong>se Studien zeigen, daß, ungeachtet <strong>der</strong><br />

krim<strong>in</strong>ellen Aktivitäten von Adoptiveltern, K<strong>in</strong><strong>der</strong> von nichtkrim<strong>in</strong>ellen, leiblichen<br />

Eltern am wenigsten del<strong>in</strong>quentes Verhalten aufweisen, während K<strong>in</strong><strong>der</strong> von<br />

krim<strong>in</strong>ellen Eltern, die bei ebenfalls krim<strong>in</strong>ellen Adoptiveltern leben, am<br />

wahrsche<strong>in</strong>lichsten ebenfalls krim<strong>in</strong>elles Verhalten entwickeln. K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>der</strong>en<br />

leibliche Eltern krim<strong>in</strong>ell s<strong>in</strong>d, <strong>der</strong>en Adoptiveltern ke<strong>in</strong>e krim<strong>in</strong>ellen<br />

Verhaltensweisen zeigen, liegen zwischen den beiden an<strong>der</strong>en Gruppen.<br />

<strong>Die</strong>se Befunde deuten darauf h<strong>in</strong>, daß genetische Ursachen durchaus e<strong>in</strong>e Rolle<br />

spielen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verursachung dissozialer <strong>Störung</strong>en, aber immer auch <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

stehen mit Umweltfaktoren.<br />

Petermann und Warschburger (1996) berichten, daß immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e familiäre<br />

Häufung von externalisierenden <strong>Störung</strong>en beobachtet wurde. Eltern von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> blicken überzufällig häufig auf e<strong>in</strong>e ähnliche<br />

Entwicklungsgeschichte zurück.<br />

Zwill<strong>in</strong>gsstudien haben <strong>in</strong> bezug auf Krim<strong>in</strong>alität und antisoziales Verhalten e<strong>in</strong>e<br />

größere Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen monozygoten Zwill<strong>in</strong>gen als zwischen dizygoten<br />

Zwill<strong>in</strong>gen gefunden (Herbert, 1979, Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

VII.2.1. Chromosomale Abweichungen<br />

<strong>Die</strong> XYY-Theorie besagt, daß e<strong>in</strong> zusätzliches männliches Chromosom Männer<br />

prädisponiert, antisoziales Verhalten und speziell Aggression zu entwickeln. <strong>Die</strong>se<br />

Annahme stützt sich auf den Befund, daß e<strong>in</strong> hoher Anteil von Männern mit dieser<br />

Anomalie <strong>in</strong> Straf<strong>in</strong>stitutionen zu f<strong>in</strong>den ist. Es zeigte sich jedoch <strong>in</strong> weiteren<br />

Untersuchungen, daß die weitaus größere Mehrheit von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit SSV ke<strong>in</strong>e


39<br />

solche Chromosomenanomalie aufweist und daß die meisten Menschen mit e<strong>in</strong>er<br />

XYY-Chromosomenstörung nicht übermäßig aggressiv s<strong>in</strong>d (Herbert, 1978).<br />

VII.2.2. Biochemische Unterschiede<br />

E<strong>in</strong>ige Studien untersuchen biochemische Verursachungsmechanismen. Bei<br />

gewalttätigen, del<strong>in</strong>quenten Jugendlichen wurde im Vergleich zu normalen<br />

Kontrollpersonen e<strong>in</strong> erhöhtes Niveau <strong>des</strong> Plasmatestosteronspiegels gefunden. Bei<br />

normalen Personen ist Testosteron korreliert mit e<strong>in</strong>er niedrigen Frustrationstoleranz<br />

und Selbstberichten über verbale und körperliche Aggression, teilweise als Reaktion<br />

auf Provokation. Es ließ sich aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung ke<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen<br />

Testosteron und antisozialem Verhalten wie <strong>Die</strong>bstahl, Betrug o<strong>der</strong> Zerstörung von<br />

Eigentum f<strong>in</strong>den (Kazd<strong>in</strong>, 1987).<br />

Trotzdem schlägt Rob<strong>in</strong>s (1991) vor, wegen <strong>des</strong> starken Zusammenhangs zwischen<br />

<strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und dem Geschlecht, K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

genauer auf männliche Hormone zu untersuchen. Sie vermutet, daß männliche<br />

Hormone e<strong>in</strong>e Rolle spielen bei <strong>der</strong> Erklärung warum bei Jungen häufiger e<strong>in</strong>e<br />

dissoziale <strong>Störung</strong> diagnostiziert wird.<br />

VII.3. Lerntheoretische Erklärungen<br />

Nach lerntheoretischen Erkenntnissen ist je<strong>des</strong> Verhalten (angepaßtes wie<br />

unangepaßtes) auf die gesetzmäßige Realisation <strong>der</strong> Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Verstärkung<br />

und Löschung <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Anlagebed<strong>in</strong>gungen und kognitiven Prozessen<br />

bzw. Selbstbestimmungstendenzen zurückzuführen. Schon das Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d übernimmt<br />

<strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne die Normen <strong>der</strong> Bezugspersonen, <strong>in</strong>dem sozial <strong>in</strong>adäquate<br />

Verhaltensweisen von den relevanten Bezugspersonen mißmutig o<strong>der</strong> strafend<br />

beantwortet werden. <strong>Die</strong>s löst beim K<strong>in</strong>d Unbehagen o<strong>der</strong> gar Schmerz aus, was<br />

dazu führt, daß bei e<strong>in</strong>er engen Verb<strong>in</strong>dung <strong>des</strong> sozial <strong>in</strong>adäquaten Verhaltens mit<br />

den unangenehmen Reaktionen, künftig bereits das sozial unangemessene<br />

Verhalten unangenehme Reaktionen auslöst. Um diese unangenehmen Reaktionen<br />

zu vermeiden, verhält sich das K<strong>in</strong>d „automatisch” sozial angemessen, d. h. se<strong>in</strong><br />

Gewissen steuert es im S<strong>in</strong>ne sozial adäquaten Verhaltens. Als sozial angemessen<br />

muß dabei das Verhalten verstanden werden, das dem <strong>der</strong> sozialen Bezugsgruppe<br />

entspricht. <strong>Die</strong>ses kann <strong>in</strong> Relation zur Gesamtgesellschaft auch abweichend o<strong>der</strong><br />

del<strong>in</strong>quent se<strong>in</strong>, so daß sich entsprechende Verhaltensbereitschaften schon früh<br />

ausbilden können. Außerdem kann sich Aggressivität als sozial <strong>in</strong>adäquate<br />

Verhaltensweise etablieren, weil Aggression, durch welche die eigenen Bedürfnisse<br />

befriedigt und die Bedürfnisse an<strong>der</strong>er <strong>in</strong> schädigen<strong>der</strong> Weise e<strong>in</strong>geschränkt werden<br />

können, durch Anerkennung aus <strong>der</strong> Umwelt fremdverstärkt und durch eigene starke<br />

Erfolgserlebnisse selbstverstärkt wird. Weiterh<strong>in</strong> können Verhaltensweisen über das<br />

Modellernen übernommen werden.


40<br />

Aus soziologischer Sicht bestimmen vor allem soziokulturelle Faktoren die<br />

Verhaltensmöglichkeiten e<strong>in</strong>es Menschen. Verhaltensstörungen werden <strong>in</strong><br />

Abhängigkeit von fixierten und unausgesprochenen Regeln gesehen. K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendliche, die gegen diese Regeln verstoßen, werden als sozial abweichend<br />

bezeichnet.<br />

Aus pädagogischer Sicht werden Verhaltensstörungen als das Ergebnis e<strong>in</strong>es<br />

Interaktionsprozesses zwischen dem genetisch e<strong>in</strong>zigartigen K<strong>in</strong>d mit se<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong>dividuellen Tendenzen und ganz spezifischen Gegebenheiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umwelt<br />

aufgefaßt. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>egaler Erziehungsstil mit wechselnden Erziehungspraktiken kann<br />

dazu führen, daß das K<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e überdauernden E<strong>in</strong>stellungen f<strong>in</strong>det; sich auf<br />

Erwartungen nicht ausrichten kann. Es reagiert mit Unsicherheit, mit Angst,<br />

Nervosität; es versucht, übergefügig zu se<strong>in</strong> und es allen recht zu machen o<strong>der</strong> die<br />

Erzieher gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> auszuspielen. Zurückweisung macht es dem K<strong>in</strong>d<br />

unmöglich, Urvertrauen zu entwickeln. Verlassenheits- und<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>wertigkeitsgefühle, verbunden mit übersteigertem Selbstbehauptungsstreben<br />

und B<strong>in</strong>dungsschwäche können sich <strong>in</strong> berechnenden, aggressiv-grausamen,<br />

unsozialen und krim<strong>in</strong>ellen Verhaltensweisen äußern (Myschker, 1993).<br />

Viele <strong>der</strong> im Kapitel „Risikofaktoren” dargestellten Punkte stellen Umwelte<strong>in</strong>flüsse<br />

dar. Hieraus wird deutlich, daß, wie auch immer die tatsächlichen Wirkmechanismen<br />

s<strong>in</strong>d, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluß <strong>in</strong> diesem Bereich sehr stark ist.<br />

VII.4. Antisoziales Verhalten als Kompetenz<br />

Merkmale wie mangelnde Angst und Furchtlosigkeit o<strong>der</strong> die mangelnde Fähigkeit<br />

sich <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen können <strong>in</strong> manchen Situationen durchaus von<br />

Vorteil se<strong>in</strong>. In diesem Zusammenhang sei auf Entdecker und Abenteurer o<strong>der</strong><br />

auch erfolgreiche Politiker h<strong>in</strong>gewiesen, bei denen sich oft ebenfalls solche<br />

Eigenschaften f<strong>in</strong>den lassen. Gerade diese Eigenschaften s<strong>in</strong>d es, die diese<br />

Menschen oft erst erfolgreich machen und die es ihnen ermöglichen sich gegenüber<br />

an<strong>der</strong>en durchzusetzen (Fiedler, 1997). E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das antisoziales Verhalten zeigt,<br />

nutzt dieses möglicherweise ebenfalls, um sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schwierigen Umwelt<br />

durchzusetzen.<br />

VII.5. Fazit<br />

All diese Erklärungsansätze s<strong>in</strong>d nachvollziehbar, aber ke<strong>in</strong>er von ihnen vermag<br />

h<strong>in</strong>reichend zu klären, warum sich gerade e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

entwickelt.


41<br />

Der Ansatz von Eysenck über e<strong>in</strong>e personenspezifische Prädisoposition will nicht<br />

nur antisoziales Verhalten erklären, son<strong>der</strong>n versucht die unterschiedlichsten<br />

psychischen Erkrankungen im Rahmen se<strong>in</strong>er Persönlichkeitstheorie zu erhellen.<br />

Auch ist nicht nachgewiesen, daß Eysencks Konstellation tatsächlich die Entstehung<br />

von antisozialem Verhalten begründet.<br />

<strong>Die</strong> Theorie, daß chromosomale Abweichungen für die Entstehung von antisozialem<br />

Verhalten verantwortlich s<strong>in</strong>d, konnte nicht bestätigt werden. Ähnliches gilt für den<br />

E<strong>in</strong>fluß biochemischer Faktoren. Genetische E<strong>in</strong>flüsse spielen dagegen<br />

nachweislich e<strong>in</strong>e Rolle, aber auch hier deuten die Befunde darauf h<strong>in</strong>, daß manche<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> zwar für e<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong> erblich prädisponiert s<strong>in</strong>d, es jedoch<br />

Umwelte<strong>in</strong>flüsse s<strong>in</strong>d, die bestimmen was aus dieser Anlage wird. Auch<br />

lerntheoretische Erklärungen können nicht nachweislich klären, warum K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

gerade e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> entwickeln, obwohl <strong>in</strong> diesem Ansatz die<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Wirkmechanismen überzeugt.<br />

VIII. Geschlechtsunterschiede<br />

Wie bereits erwähnt, wird bei Jungen sehr viel häufiger e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> diagnostiziert als bei Mädchen. Es stellt sich die Frage, ob<br />

Mädchen tatsächlich weniger antisoziales Verhalten zeigen als Jungen o<strong>der</strong> ob<br />

dieses nur an<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt. Myschker (1993) nennt e<strong>in</strong>ige Befunde, aus<br />

denen hervorgeht, daß Jungen bei Problemen eher mit externalen <strong>Störung</strong>en<br />

reagieren, also z. B. e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong>, woh<strong>in</strong>gegen Mädchen eher <strong>in</strong>ternale<br />

<strong>Störung</strong>en zeigen (z. B. Angststörungen). Weil Jungen öfter von <strong>der</strong> <strong>Störung</strong><br />

betroffen s<strong>in</strong>d, gibt es über sie auch e<strong>in</strong>e größere Anzahl von Studien im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> als über Mädchen. Mädchen<br />

werden <strong>in</strong> gemischten Stichproben zwar mit erhoben, aber es wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht<br />

nach geschlechtsspezifischem Verhalten untersucht.<br />

Jungen s<strong>in</strong>d bis zu dreimal häufiger auffällig als Mädchen (Ste<strong>in</strong>hausen, 1996).<br />

Sofern Mädchen aggressiv s<strong>in</strong>d, handelt es sich eher um verbale Aggressivität <strong>in</strong><br />

Form von Wi<strong>der</strong>spruch, Negativismus und Hänseln (Ste<strong>in</strong>hausen, 1996).<br />

<strong>Die</strong>ser Geschlechtsunterschied sche<strong>in</strong>t nicht nur darauf zurückzuführen zu se<strong>in</strong>, daß<br />

man bei Jungen geneigter ist, die Diagnose SSV zu stellen, woh<strong>in</strong>gegen Mädchen<br />

e<strong>in</strong> solches Verhalten weniger zugetraut wird. In Untersuchungen, <strong>in</strong> denen von<br />

männlichen und weiblichen Jugendlichen Selbstangaben zu antisozialem Verhalten<br />

gemacht wurden, stellte sich heraus, daß männliche Jugendliche häufiger über<br />

solches Verhalten berichten als weibliche (Kazd<strong>in</strong>, 1990).<br />

Rob<strong>in</strong>s (1991) gibt zu bedenken, daß die erheblichen Differenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong>,<br />

von e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> betroffenen Jungen und Mädchen schon<br />

daraus resultieren, daß bereits bei <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> Kriterien für diese <strong>Störung</strong>,<br />

bei <strong>der</strong> Erstellung <strong>des</strong> DSM-III-R aus dem DSM-III, Symptome, die eher von<br />

Mädchen gezeigt werden, fallen gelassen wurden, so daß e<strong>in</strong>e größere Proportion


42<br />

von gewaltbezogenen Symptomen besteht. Deshalb ist die DSM-III-R-Version <strong>der</strong><br />

<strong>Störung</strong> mehr auf Jungen ausgerichtet. Craig und Pepler (1997) berichten, daß die<br />

Kriterien <strong>des</strong> DSM-IV vorwiegend aus Studien abgeleitet s<strong>in</strong>d, die sich auf e<strong>in</strong>e<br />

männliche Stichprobe beziehen.<br />

In <strong>der</strong> Klassifikation <strong>der</strong> Entwicklungsverläufe von Del<strong>in</strong>quenz im Jugendalter wird<br />

zwischen zwei Entwicklungstypen unterschieden. Beim aggressiv-vielschichtigen<br />

Typ (A) liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>e lange Entwicklungsl<strong>in</strong>ie vor, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich aggressives<br />

und verdeckt aggressives Verhalten häufig auch mit Zeichen e<strong>in</strong>er hyperk<strong>in</strong>etischer<br />

<strong>Störung</strong> verb<strong>in</strong>den. <strong>Die</strong>se Jugendlichen haben beträchtliche soziale Beziehungsund<br />

Leistungsstörungen. Ihr del<strong>in</strong>quentes Verhalten äußert sich <strong>in</strong> verschiedenen<br />

sozialen Kontexten <strong>in</strong> erheblicher Variationsbreite. Hier überwiegt das männliche<br />

Geschlecht; die Remissionsrate ist niedrig. Der nicht-aggressive Typ (B) beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel viel später. Hier stehen Eigentumsdelikte, Lügen, Streunen und<br />

Drogenmißbrauch im Vor<strong>der</strong>grund. Häufig s<strong>in</strong>d die sozialen Beziehungen stabil,<br />

wobei viele del<strong>in</strong>quente Handlungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe erfolgen. Im Vergleich zum<br />

aggressiv-vielschichtigen Typ ist <strong>der</strong> Anteil von Mädchen höher (Ste<strong>in</strong>hausen,<br />

1996).<br />

Es gibt aber auch Autoren, die e<strong>in</strong> etwas an<strong>der</strong>es Bild von <strong>der</strong><br />

geschlechtsspezifischen Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

zeigen. Craig und Pepler (1997) berichten über Studien, die bei jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

ebenfalls f<strong>in</strong>den, daß die Auftretensrate bei Jungen ungefähr doppelt so hoch ist wie<br />

bei Mädchen. Sie berichten aber weiterh<strong>in</strong>, daß die Auftretensrate bei Jungen mit<br />

zunehmendem Alter immer weiter abnimmt, während die Mädchen die höchste<br />

Auftretensrate erst im Alter von 16 Jahren haben. Eppright et al. (1993) f<strong>in</strong>den <strong>in</strong><br />

ihrer Studie ke<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong> und dem<br />

Geschlecht.<br />

Myschker (1993) geht davon aus, daß geschlechtsspezifische Unterschiede im<br />

wesentlichen auf Sozialisationsbed<strong>in</strong>gungen zurückzuführen s<strong>in</strong>d. Jungen werden<br />

noch häufig von kle<strong>in</strong> auf dar<strong>in</strong> bestärkt, egoistische Tendenzen zu leben, sich <strong>in</strong><br />

den Vor<strong>der</strong>grund zu spielen, Probleme zu externalisieren; Mädchen h<strong>in</strong>gegen dar<strong>in</strong>,<br />

altruistisch, mütterlich zu se<strong>in</strong>, sich zurückzuhalten, Probleme zu <strong>in</strong>ternalisieren. So<br />

ist zu sehen, daß Mädchen mehr zu Konformität angehalten und mit ihren<br />

Verhaltensstörungen nicht so auffällig werden wie die Jungen, da<br />

externalisieren<strong>des</strong>, ausagieren<strong>des</strong> Verhalten, wenn es e<strong>in</strong>en gewissen<br />

Schwellenwert überschreitet, weit weniger toleriert wird als <strong>in</strong>ternalisiertes,<br />

resignatives Verhalten.<br />

Petermann und Warschburger (1996) berichten von Ergebnissen, die davon<br />

ausgehen, daß ungefähr neun Prozent <strong>der</strong> Jungen im Vergleich zu zwei Prozent <strong>der</strong><br />

Mädchen unter 18 Jahren an e<strong>in</strong>er SSV leiden. Sie führen die<br />

geschlechtsspezifischen Unterschiede auf die unterschiedlichen<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsformen aggressiven Verhaltens zurück. Jungen bevorzugen mit<br />

direkter körperlicher Aggression (wie z. B. sich zu prügeln) Verhaltensweisen, die<br />

objektiv leicht beobachtet und als gestörtes Sozialverhalten bewertet werden


43<br />

können. Bei Mädchen dagegen ist das aggressive Verhalten weniger gut<br />

beobachtbar. Es erfolgt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong>direkt, <strong>in</strong>dem beispielsweise Gerüchte über<br />

an<strong>der</strong>e verbreitet werden.<br />

Unter den registrierten rechtswidrigen Handlungen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

machen Eigentumsdelikte, gefolgt von Sachbeschädigungen den weitaus größten<br />

Anteil aus. Specht (1985) gibt nach e<strong>in</strong>er Statistik von 1978 an, daß Jungen im<br />

K<strong>in</strong><strong>des</strong>alter eher Sachbeschädigungen vornehmen als Mädchen (14,1% vs 5,4%)<br />

und eher <strong>Die</strong>bstähle unter erschwerenden Umständen begehen (22,7% vs 6,5%);<br />

Mädchen dagegen wagen eher <strong>Die</strong>bstähle unter erschwerenden Umständen (78,3%<br />

vs 58,6%), bei denen e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit besteht, entdeckt zu werden.<br />

Es folgen bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Brandstiftungen, bei männlichen Jugendlichen<br />

Körperverletzungen und bei weiblichen Jugendlichen Betrug und Rauschgiftdelikte.<br />

Auch hier läßt sich e<strong>in</strong>e Tendenz <strong>der</strong> Jungen zu offener und <strong>der</strong> Mädchen zu<br />

verdeckter Aggressivität erkennen.<br />

Rob<strong>in</strong>s (1966) berichtet <strong>in</strong> ihrer Studie, daß die Mädchen, die <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik kamen,<br />

unter sehr viel gestörteren Bed<strong>in</strong>gungen aufgewachsen waren als die Jungen. <strong>Die</strong><br />

Eltern litten häufiger unter psychiatrischen <strong>Störung</strong>en und es bestand häufiger e<strong>in</strong>e<br />

f<strong>in</strong>anzielle Abhängigkeit. 28% <strong>der</strong> Jungen lebten zu <strong>der</strong> Zeit, als sie <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik<br />

kamen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Waisenhaus o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Pflegestelle und sogar 47% <strong>der</strong> Mädchen.<br />

Weiterh<strong>in</strong> zeigt sich <strong>in</strong> dieser Studie, daß Jungen, die wegen antisozialem Verhalten<br />

<strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong>gewiesen worden waren, häufiger <strong>Die</strong>bstähle begangen hatten.<br />

Mädchen dagegen wurden eher mit Symptomen wie Unverbesserlichkeit (be<strong>in</strong>haltet<br />

Verhalten wie Ungehorsam gegenüber den Eltern, zu spät nach Hause kommen,<br />

Weigerung zu arbeiten o<strong>der</strong> zu Hause zu helfen) o<strong>der</strong> sexuellen Vergehen<br />

e<strong>in</strong>gewiesen.<br />

Entwe<strong>der</strong> war es so, daß <strong>der</strong> familiäre und situative Druck bei Mädchen sehr viel<br />

stärker se<strong>in</strong> mußte, um e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> hervorzurufen, o<strong>der</strong> es bestand e<strong>in</strong>e größere<br />

Sensibilität bei <strong>Störung</strong>en von Jungen, so daß nur die extremst gestörten Mädchen<br />

zur Behandlung geschickt wurden (Rob<strong>in</strong>s, 1966).<br />

In <strong>der</strong> Untersuchung von Hebborn-Brass (1991) f<strong>in</strong>den sich ebenfalls mehr Jungen<br />

als Mädchen mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>. Dabei muß aber berücksichtigt<br />

werden, daß sich <strong>in</strong>sgesamt mehr Jungen als Mädchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung befunden<br />

haben. <strong>Die</strong> Studie berichtet über 268 K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, die sich zwischen<br />

1968 und 1985 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er heilpädagogisch-psychotherapeutischen Heime<strong>in</strong>richtung<br />

befanden, davon waren 202 Heimbewohner männlich und 66 weiblich. 55 Jungen<br />

zeigen e<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong>, bezogen auf die Gesamtstichprobe s<strong>in</strong>d das 20%.<br />

23 Mädchen weisen e<strong>in</strong>e ebensolche <strong>Störung</strong> auf, das s<strong>in</strong>d 8,5% <strong>der</strong><br />

Gesamtstichprobe. Berechnet man allerd<strong>in</strong>gs den Anteil dissozialer <strong>Störung</strong>en<br />

bezogen auf den Anteil männlicher und weiblicher Heimbewohner ergibt sich e<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>es Bild: 34% <strong>der</strong> Mädchen s<strong>in</strong>d von <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> betroffen und 27% <strong>der</strong><br />

Jungen.


44<br />

Es stellt sich die Frage, ob die <strong>Störung</strong>, wenn sie bei Mädchen auftritt, ernster ist als<br />

bei Jungen. Studien, die beide Geschlechter untersucht haben, deuten nicht darauf<br />

h<strong>in</strong>, daß die Prognose für Mädchen schlechter ist als für Jungen. Es zeigt sich, daß<br />

Aggressivität nicht nur häufiger bei Jungen auftrat, son<strong>der</strong>n auch, daß Aggressivität<br />

bei Jungen e<strong>in</strong>e bessere Vorhersage auf das Vorhandense<strong>in</strong> von Aggressivität im<br />

Alter von 19 Jahren und Del<strong>in</strong>quenz im Alter von 17 Jahren ermöglichte als bei<br />

Mädchen. Wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> del<strong>in</strong>quentes Verhalten gezeigt hatten, war es<br />

wahrsche<strong>in</strong>licher für Jungen als für Mädchen, daß sich solches Verhalten<br />

wie<strong>der</strong>holte (Rob<strong>in</strong>s, 1986).<br />

An<strong>der</strong>e Ergebnisse dagegen zeigen ke<strong>in</strong>e Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich <strong>des</strong><br />

Geschlechts. Sie gehen davon aus, daß Verhaltensstörungen bei beiden<br />

Geschlechtern e<strong>in</strong>e ähnliche Kont<strong>in</strong>uität vorhersagen (Rob<strong>in</strong>s, 1986).<br />

Es gibt aber auch Studien, die e<strong>in</strong>en schlechteren Verlauf bei Mädchen als bei<br />

Jungen gefunden haben. Unter K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die wegen Aggressivität <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus<br />

e<strong>in</strong>gewiesen wurden und bis <strong>in</strong> das frühe Erwachsenenalter verfolgt wurden, zeigten<br />

Mädchen schlechtere Ergebnisse als Jungen (Rob<strong>in</strong>s, 1986).<br />

E<strong>in</strong>e weitere Frage ist, ob die Verläufe bei Mädchen die gleichen s<strong>in</strong>d wie bei<br />

Jungen. <strong>Die</strong> meisten Studien, welche Verläufe bei beiden Geschlechtern untersucht<br />

haben, s<strong>in</strong>d von Symptomen ausgegangen, die von Jungen bekannt s<strong>in</strong>d. Hierbei<br />

handelt es sich eher um externale Verhaltensweisen wie z. B. Rauchen, Tr<strong>in</strong>ken,<br />

Del<strong>in</strong>quenz und Aggression. Dabei hat sich bereits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie von Rob<strong>in</strong>s<br />

(1966) gezeigt, daß Mädchen mit antisozialem Verhalten als Erwachsene e<strong>in</strong>e<br />

erhöhte Auftretensrate von Hysterie, Angststörungen und Depression aufweisen.<br />

<strong>Die</strong>s war bei männlichen Patienten nicht <strong>der</strong> Fall. In dieser Studie zeigte sich<br />

ebenfalls, daß Jungen und Mädchen mit antisozialem Verhalten als Erwachsene<br />

auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Lebensbereichen ganz unterschiedliche Probleme hatten. So<br />

besteht die Möglichkeit, daß k<strong>in</strong>dliche Verhaltensstörungen bei Mädchen an<strong>der</strong>e<br />

Verläufe und nicht unbed<strong>in</strong>gt bessere vorhersagen als bei Jungen (Rob<strong>in</strong>s, 1986).<br />

Mädchen zeigen antisoziales Verhalten im Durchschnitt später als Jungen (Rob<strong>in</strong>s,<br />

1966). <strong>Die</strong>ser Befund wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> ECA-Studie bestätigt. Neun von zwölf<br />

antisozialen Verhaltensweisen, die untersucht wurden, begannen bei Mädchen<br />

später als bei Jungen. <strong>Die</strong> größte Altersdifferenz bestand h<strong>in</strong>sichtlich sexueller<br />

Erfahrungen, welche bei Mädchen ungefähr e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>viertel Jahre später begannen.<br />

<strong>Die</strong> Verhaltensweisen, die früh bei Jungen entstehen, s<strong>in</strong>d die gleichen wie die, die<br />

früh bei Mädchen auftreten. Lügen und mangelnde schulische Diszipl<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d bei<br />

beiden Geschlechtern <strong>in</strong> frühem Alter zu f<strong>in</strong>den, während Verhaftungen und<br />

Substanzmißbrauch als letztes vorkommen (Rob<strong>in</strong>s, 1986). Es konnten aber auch<br />

vier Verhaltensweisen identifiziert werden, die bei Jungen e<strong>in</strong>en höheren Rang<br />

e<strong>in</strong>nahmen als bei Mädchen: Vandalismus, Probleme mit schulischer Diszipl<strong>in</strong>,<br />

Prügeln und Stehlen. Demgegenüber gab es drei Verhaltensweisen, die bei<br />

Mädchen e<strong>in</strong>en höheren Rang e<strong>in</strong>nahmen: Lügen, Weglaufen und<br />

Substanzmißbrauch. In dieser Studie zeigte sich weiterh<strong>in</strong>, daß Mädchen, wenn sie<br />

ebensoviele Symptome gezeigt hatten wie Jungen, als Erwachsene weniger häufig<br />

e<strong>in</strong>e antisoziale Persönlichkeitsstörung und Alkoholismus entwickelten, dafür aber


45<br />

häufiger sogenannte typisch weibliche <strong>Störung</strong>en wie Depression, psychosexuelle<br />

Dysfunktion und Phobien.<br />

Maccoby (1986) versucht die Geschlechtsunterschiede von e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />

Gesichtspunkt aus zu betrachten. Sie geht davon aus, daß Jungen und Mädchen<br />

sich <strong>in</strong>nerhalb ihrer sozialen Gruppe an<strong>der</strong>s kontrollieren. E<strong>in</strong> Mädchen riskiert<br />

Ächtung und den Verlust hochgeschätzter Freundschaften, wenn sie Une<strong>in</strong>igkeit<br />

o<strong>der</strong> sogar Fe<strong>in</strong>dseligkeit zu offen zeigt. E<strong>in</strong> Junge, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> ähnliches Verhalten<br />

zeigt, riskiert dagegen nicht gleich den Ausschluß aus <strong>der</strong> Gruppe. Kämpfen ist bei<br />

Jungen oft Teil <strong>des</strong> Prozesses, e<strong>in</strong>e hohe Rangposition <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Gruppenhierarchie zu erzielen. Es muß allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel mit positiven<br />

Führungsqualitäten e<strong>in</strong>hergehen, um die Position aufrecht zu erhalten. <strong>Die</strong> Kontrolle<br />

aggressiven Verhaltens sche<strong>in</strong>t bei Mädchen sehr viel strenger zu se<strong>in</strong> als bei<br />

Jungen, wo sie als Mittel zum Zweck e<strong>in</strong>gesetzt wird. So bewegen sich Jungen<br />

näher an <strong>der</strong> Grenze zwischen sozial akzeptierter Aggression und nicht-akzeptierter<br />

Gewalt. Dasselbe gilt für risikoreiches und wettbewerbsorientiertes Verhalten.<br />

Jungenspiele s<strong>in</strong>d risiko- und konkurrenzreicher als Mädchenspiele. Weiterh<strong>in</strong><br />

spielen Jungen häufiger <strong>in</strong> größeren sozialen Gruppen und weiter außerhalb <strong>des</strong><br />

Elternhauses, so daß sie weniger gut zu überwachen s<strong>in</strong>d als Mädchen.<br />

Maccoby gibt weiter zu bedenken, daß man zwischen offenem und verdecktem<br />

antisozialen Verhalten unterscheiden sollte. Offenes Verhalten umfaßt Aggression<br />

(vor allem nicht provozierte Aggression), Wutausbrüche, Ungehorsam und<br />

Hyperaktivität. Das verdeckte Cluster be<strong>in</strong>haltet Stehlen, Lügen, Schulschwänzen<br />

und von zu Hause weglaufen. Dabei s<strong>in</strong>d die verdeckten Verhaltensweisen am<br />

ehesten die, die bei Jungen am häufigsten zum Anschluß an e<strong>in</strong>e del<strong>in</strong>quente Peergroup<br />

führen.<br />

Weiterh<strong>in</strong> berichtet sie, daß e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Frustrationstoleranz und an<strong>der</strong>e Formen<br />

von Impulsivität häufiger bei Jungen zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong> Risikofaktor, über den bereits berichtet wurde, ist das Temperament. Hierzu<br />

erwähnt Maccoby (1986) e<strong>in</strong>e Untersuchung von Bates (1980). <strong>Die</strong>ser hat<br />

herausgefunden, daß <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Stichprobe männliche und weibliche Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong> bis<br />

zu e<strong>in</strong>em Alter von 18 Monaten ke<strong>in</strong>e Geschlechtsunterschiede zeigten h<strong>in</strong>sichtlich<br />

e<strong>in</strong>es schwierigen Temperaments. Im Alter von zwei Jahren zeigte sich aber, daß<br />

schwierige Mädchen ihr Verhalten gemäßigt hatten und e<strong>in</strong>e angenehme Beziehung<br />

zu ihren Bezugspersonen aufgebaut hatten, woh<strong>in</strong>gegen die meisten schwierigen<br />

Jungen ihr Verhalten beibehalten hatten.<br />

Es gibt nur wenige Studien, die ausschließlich Mädchen mit <strong>Störung</strong>en <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> untersuchen, weshalb auf e<strong>in</strong>e solche nachfolgend näher<br />

e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />

Zoccolillo und Rogers (1991) untersuchten 55 jugendliche Mädchen zwischen 13<br />

und 16 Jahren mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und suchten sie zwei bis vier<br />

Jahre später erneut auf, um zu sehen wie die <strong>Störung</strong> verlaufen ist. <strong>Die</strong> Mädchen


46<br />

wiesen verschiedene Symptome mit unterschiedlicher <strong>Häufigkeit</strong> auf. <strong>Die</strong><br />

Symptome, die erhoben wurden, waren folgende:<br />

♦ ständige Regelverletzung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule 73%<br />

♦ chronisches Lügen 67%<br />

♦ schlechter Schulabschluß 60%<br />

♦ zwei o<strong>der</strong> mehr Kämpfe 49%<br />

♦ wie<strong>der</strong>holte Trunkenheit o<strong>der</strong> Substanzmißbrauch 42%<br />

♦ Weglaufen von zu Hause über Nacht 40%<br />

♦ mehr als e<strong>in</strong> <strong>Die</strong>bstahl 36%<br />

♦ ständige Regelverletzung zu Hause 35%<br />

♦ Schulausschluß 31%<br />

♦ Del<strong>in</strong>quenz 24%<br />

♦ Promiskuität (drei o<strong>der</strong> mehr Sexualpartner<br />

o<strong>der</strong> Sex für Geld o<strong>der</strong> Drogen) 22%<br />

♦ -Schulschwänzen (m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens fünf Schultage) 15%<br />

♦ -Vandalismus 13%.<br />

<strong>Die</strong> durchschnittliche Anzahl von Symptomen betrug fünf, bei e<strong>in</strong>er Bandbreite<br />

zwischen null und zwölf. 67% <strong>der</strong> Mädchen wiesen drei o<strong>der</strong> mehr Symptome auf<br />

und 60% fünf o<strong>der</strong> mehr.<br />

24% <strong>der</strong> Proband<strong>in</strong>nen wurden von <strong>der</strong> Polizei verhaftet o<strong>der</strong> hatten Kontakt zu<br />

e<strong>in</strong>em Jugendgericht. Gründe hierfür waren Fortlaufen von zu Hause, <strong>der</strong> Gebrauch<br />

<strong>des</strong> Familienautos, Kämpfen mit <strong>der</strong> Mutter und Fortlaufen, Zusammense<strong>in</strong> mit<br />

Freunden, die stehlen, Angriff auf e<strong>in</strong>en Polizisten, Fortlaufen und e<strong>in</strong>en LKW<br />

stehlen, <strong>Die</strong>bstahl und Weglaufen. In e<strong>in</strong>em Fall wurde e<strong>in</strong>e Dreizehnjährige<br />

verhaftet, nachdem e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, auf das sie aufgepaßt hatte, gestorben war.<br />

Zum Nacherhebungszeitpunkt waren drei <strong>der</strong> Proband<strong>in</strong>nen gestorben (6%). Das<br />

war, verglichen mit <strong>der</strong> durchschnittlichen To<strong>des</strong>rate e<strong>in</strong>er nationalen<br />

Vergleichsstichprobe von 1987, die bei 0,034% lag, relativ hoch.<br />

Nur 12% <strong>der</strong> Stichprobe entwickelte sich normal. Normal wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Studie<br />

def<strong>in</strong>iert mit: Schule erfolgreich beendet, nicht schwanger geworden vor dem 17.<br />

Lebensjahr, ke<strong>in</strong> Kontakt mit <strong>der</strong> Justiz, nicht aus e<strong>in</strong>er Anstellung entlassen worden<br />

und nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Heim o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtung aufgenommen worden.<br />

<strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en Proband<strong>in</strong>nen wiesen zum Teil erhebliche Schwierigkeiten <strong>in</strong><br />

unterschiedlichen Lebensbereichen auf.<br />

<strong>Die</strong> Autoren ziehen aus dieser Studie verschiedene Schlüsse:<br />

<strong>Störung</strong>en <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> erhebliches gesundheitliches und soziales<br />

Problem bei Mädchen. <strong>Die</strong> Vernachlässigung durch die Forschung ist ihrer Me<strong>in</strong>ung<br />

nach we<strong>der</strong> durch ger<strong>in</strong>ges Auftreten noch durch besseren Verlauf gerechtfertigt.<br />

Sie bezeichnen die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> als zweithäufigste <strong>Störung</strong> unter<br />

jugendlichen Mädchen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, daß sich alle von ihnen untersuchten Mädchen <strong>in</strong><br />

Behandlung befanden und trotzdem ke<strong>in</strong>en positiven Verlauf zeigten, kamen


47<br />

Zoccolillo und Rogers zu dem Schluß, daß bestehende Behandlungsmaßnahmen<br />

<strong>in</strong>effektiv s<strong>in</strong>d.<br />

IX. Fragestellung<br />

In dieser theoretischen E<strong>in</strong>leitung ist deutlich geworden, daß bereits e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />

von Kenntnissen über unterschiedliche Aspekte <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

existieren. Es zeigt sich aber, daß man im epidemiologischen Bereich sehr<br />

unterschiedliche Daten f<strong>in</strong>det. E<strong>in</strong>ige Befunde zeigen, daß die <strong>Häufigkeit</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>ischen Stichproben zwischen e<strong>in</strong>em Drittel und<br />

<strong>der</strong> Hälfte liegt (Coid, 1993). Allerd<strong>in</strong>gs gibt es wenige Untersuchungen, die sich<br />

damit beschäftigen wie oft dieses <strong>Störung</strong>sbild <strong>in</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und<br />

Jugendhilfe auftritt, obwohl sich vermuten läßt, daß dieses <strong>Störung</strong>sbild dort gehäuft<br />

anzutreffen ist.<br />

<strong>Die</strong>se Annahme wird durch den Befund von Hebborn-Brass (1991) gestützt, <strong>der</strong><br />

besagt, daß bei 29% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em heilpädagogischpsychotherapeutischen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>heim e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

nachgewiesen wurde. Desweiteren kann man davon ausgehen, daß K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendliche, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen E<strong>in</strong>richtung bef<strong>in</strong>den, vorher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

e<strong>in</strong>igen <strong>der</strong> oben beschriebenen Risikofaktoren ausgesetzt waren.<br />

In dieser Arbeit wird beispielhaft an e<strong>in</strong>er privaten E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und<br />

Jugendhilfe, die <strong>Häufigkeit</strong> mit <strong>der</strong> die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> diesem<br />

Bereich auftritt untersucht.<br />

Es ergibt sich folgende Fragestellung:<br />

Wieviele K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung zeigen e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> o<strong>der</strong> haben sie zu e<strong>in</strong>em früheren Zeitpunkt gezeigt?<br />

Desweiteren soll auf die Komorbidität dieses <strong>Störung</strong>sbil<strong>des</strong> e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

Neben <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> werden folgende <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> <strong>des</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>des</strong>- und Jugendalters erhoben:<br />

♦ Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung<br />

♦ <strong>Störung</strong>en <strong>der</strong> Ausscheidung (funktionelle Enuresis/Enkopresis)


48<br />

♦ affektive <strong>Störung</strong>en (depressives Syndrom, dysthymes Syndrom)<br />

♦ Angststörungen (<strong>Störung</strong> mit Trennungsangst, Paniksyndrom mit/ohne<br />

Agoraphobie, Agoraphobie ohne Anamnese e<strong>in</strong>es Paniksyndroms, spezifische<br />

Phobie, Sozialphobie, Zwangssyndrom, generalisiertes Angstsyndrom,<br />

posttraumatische Belastungsstörung)<br />

♦ Eßstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa)<br />

♦ H<strong>in</strong>weise auf Substanzmißbrauch und -abhängigkeit.<br />

<strong>Die</strong> Fragestellung hierzu lautet:<br />

Welche an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> gehen mit dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> e<strong>in</strong>her?<br />

Wie <strong>in</strong> Kapitel VI gezeigt wurde, gehören Alkoholabhängigkeit und Trennung <strong>der</strong><br />

Eltern zu den Risikofaktoren, welche die Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> för<strong>der</strong>n können. Ebenso ist deutlich, daß antisoziales Verhalten<br />

eher <strong>in</strong> <strong>der</strong> unteren sozialen Schicht zu f<strong>in</strong>den ist. Deswegen soll untersucht werden,<br />

ob sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> zeigen o<strong>der</strong> gezeigt<br />

haben, h<strong>in</strong>sichtlich dieser Risikofaktoren von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n unterscheiden, die ke<strong>in</strong>e<br />

solche <strong>Störung</strong> aufweisen.<br />

<strong>Die</strong> Hypothese hierzu lautet:<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> unterscheiden<br />

sich von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, die ke<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong> zeigen<br />

h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er Alkoholerkrankung <strong>der</strong> Eltern, <strong>des</strong> Familienstan<strong>des</strong> <strong>der</strong><br />

Eltern und <strong>der</strong> sozialen Schicht <strong>der</strong> Eltern.<br />

X. Methoden<br />

X.1. Erhebungs<strong>in</strong>strumente<br />

<strong>Die</strong> Operationalisierung <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> <strong>Häufigkeit</strong> <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> und <strong>der</strong><br />

Komorbidität erfolgte über den E<strong>in</strong>satz <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS (Schnei<strong>der</strong>, Unnewehr &<br />

Margraf, 1995) und <strong>der</strong> deutschen Version <strong>der</strong> Child Behavior Checklist (Achenbach<br />

& Edelbrock, 1983, Achenbach, 1991a). Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS wurde gewählt, weil er die<br />

Möglichkeit bietet, die bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen am häufigsten auftretenden<br />

<strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> nach ICD-10 zu identifizieren. Der „Elternfragebogen über das<br />

Verhalten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n” be<strong>in</strong>haltet unter an<strong>der</strong>em sehr detaillierte Fragen nach den<br />

Symptomen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>, um die es <strong>in</strong> dieser Arbeit geht.<br />

X.1.1. K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS<br />

Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS ist e<strong>in</strong> strukturiertes diagnostisches Interview bei psychischen<br />

<strong>Störung</strong>en im K<strong>in</strong><strong>des</strong>- und Jugendalter. Es dient bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen im


49<br />

Alter von ca. sechs bis achtzehn Jahren zur differenzierten Diagnostik, <strong>der</strong> <strong>in</strong> diesem<br />

Altersbereich am häufigsten auftretenden psychischen <strong>Störung</strong>en.<br />

Folgende psychische <strong>Störung</strong>en werden mit dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS diagnostiziert:<br />

1. Expansive Verhaltensstörungen:<br />

Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

2. <strong>Störung</strong>en <strong>der</strong> Ausscheidung:<br />

Funktionelle Enuresis<br />

Funktionelle Enkopresis<br />

3. Affektive <strong>Störung</strong>en:<br />

Schweres Depressives Syndrom<br />

Dysthymes Syndrom<br />

4. Angststörungen:<br />

<strong>Störung</strong> mit Trennungsangst<br />

Paniksyndrom ohne Agoraphobie<br />

Paniksyndrom mit Agoraphobie<br />

Agoraphobie ohne Anamnese e<strong>in</strong>es Paniksyndroms<br />

Spezifische Phobie (e<strong>in</strong>geschlossen Schulphobie)<br />

Sozialphobie<br />

Zwangssyndrom<br />

Generalisiertes Angstsyndrom<br />

Posttraumatische Belastungsstörung<br />

5. Eßstörungen:<br />

Anorexia nervosa<br />

Bulimia nervosa<br />

6. H<strong>in</strong>weise auf Teilleistungsstörungen<br />

7. H<strong>in</strong>weise auf Psychosen<br />

8. H<strong>in</strong>weise auf Substanzmißbrauch, -abhängigkeit.<br />

Mit dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS können e<strong>in</strong>erseits aktuelle <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> erfaßt werden,<br />

an<strong>der</strong>erseits ist aber auch die Erfassung früherer Symptomatik möglich. In dieser<br />

Arbeit wird jedoch nur bei <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> e<strong>in</strong>e frühere Diagnose<br />

mit erfaßt.<br />

Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS erlaubt die Kodierung e<strong>in</strong>er Diagnose sowohl nach DSM-IV als<br />

auch nach <strong>der</strong> ICD-10.<br />

<strong>Die</strong> Richtl<strong>in</strong>ien <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS für e<strong>in</strong>e Diagnose sagen aus, daß es für die<br />

Vergabe e<strong>in</strong>er Diagnose erfor<strong>der</strong>lich ist, daß alle Kriterien erfüllt se<strong>in</strong> müssen. Von<br />

dieser Vorgabe wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Diplomarbeit abgewichen.<br />

Wenn sowohl die Kriterien für e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (F91) als auch für<br />

e<strong>in</strong>e hyperk<strong>in</strong>etische <strong>Störung</strong> (F90) erfüllt waren, wurde abweichend von den<br />

Forschungskriterien <strong>der</strong> ICD-10 nicht die Diagnose „Hyperk<strong>in</strong>etische <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>” vergeben, son<strong>der</strong>n beide Diagnosen e<strong>in</strong>zeln gestellt.


50<br />

Bei <strong>der</strong> „Emotionalen <strong>Störung</strong> mit Trennungsangst im K<strong>in</strong><strong>des</strong>alter” (F93.0) wurde<br />

e<strong>in</strong>e Diagnose abweichend von den Kriterien im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS auch dann vergeben,<br />

wenn e<strong>in</strong>e „<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>” diagnostiziert wurde.<br />

<strong>Die</strong> „Phobische <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>alters” (F93.1) wurde auch dann diagnostiziert,<br />

wenn ebenfalls e<strong>in</strong>e „<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>” vorlag.<br />

Bei <strong>der</strong> „Sozialen Phobie” wurde e<strong>in</strong>e Diagnose gestellt, auch wenn angegeben<br />

wurde, daß ke<strong>in</strong>e deutliche emotionale Belastung vorliegt.<br />

Bei <strong>der</strong> Abweichung von dem Ausschlußkriterium, daß ke<strong>in</strong>e „<strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>” vorliegen darf, geht es darum, daß <strong>in</strong> dieser Diplomarbeit<br />

untersucht werden soll, welche <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> mit dem Auftreten e<strong>in</strong>er dissozialen<br />

<strong>Störung</strong> e<strong>in</strong>hergehen. Dazu muß es die Möglichkeit geben, alle Diagnosen<br />

unabhängig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu vergeben. Bei dem Kriterium <strong>der</strong> deutlichen<br />

emotionalen Belastung geht es darum, daß es bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n unter Umständen <strong>der</strong> Fall<br />

se<strong>in</strong> kann, daß sie zwar bei e<strong>in</strong>em <strong>Störung</strong>sbild deutliche Symptome zeigen, aber<br />

nicht darunter leiden und sich auch <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Bereich durch das Auftreten <strong>der</strong><br />

Symptome bee<strong>in</strong>trächtigt fühlen (möglicherweise, weil sie es nicht an<strong>der</strong>s kennen).<br />

<strong>Die</strong> Diagnose F91.8 „sonstige <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>” wurde nicht vergeben,<br />

da <strong>in</strong> <strong>der</strong> ICD-10 nicht deutlich wird für welche Fälle diese Kategorie vorbehalten ist.<br />

In den Fällen, <strong>in</strong> denen zwar die allgeme<strong>in</strong>en Kriterien für e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> erfüllt s<strong>in</strong>d, die sich aber ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Unterkategorien zuordnen<br />

lassen, wird die Diagnose F91.9 „nicht näher bezeichnete <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>” vergeben.<br />

Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e Version für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und e<strong>in</strong>e Version für die Eltern.<br />

In dieser Arbeit wurden die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen mit Hilfe <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>version<br />

<strong>in</strong>terviewt. Desweiteren wurden ihre pädagogischen Betreuer mittels <strong>der</strong><br />

Elternversion befragt.<br />

<strong>Die</strong> Diagnosen wurden nach den Kriterien <strong>der</strong> ICD-10 gestellt.<br />

X.1.2. Child Behavior Checklist<br />

<strong>Die</strong> deutsche Übersetzung <strong>der</strong> Child Behavior Checklist (CBCL/4-18) heißt<br />

„Elternfragebogen über das Verhalten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen”. Bearbeitet<br />

wurde sie von <strong>der</strong> Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist (1994, 1998).<br />

Der Fragebogen erfaßt das Urteil von Eltern über Kompetenzen,<br />

Verhaltensauffälligkeiten und emotionale Auffälligkeiten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen im Alter von vier bis achtzehn Jahren.<br />

Der Fragebogen umfaßt folgende Syndromskalen:<br />

1. Gruppe: Internalisierende Auffälligkeiten mit den Skalen<br />

Sozialer Rückzug<br />

Körperliche Beschwerden<br />

Ängstlichkeit/Depressivität<br />

2. Gruppe: Externalisierende Auffälligkeiten mit den Skalen<br />

Dissoziales Verhalten


Aggressives Verhalten<br />

51<br />

3. Gruppe: Gemischte Auffälligkeiten mit den Skalen<br />

Soziale Probleme<br />

Schizoid/Zwanghaft<br />

Aufmerksamkeitsprobleme.<br />

Der Elternfragebogen wurde von den pädagogischen Betreuern <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen ausgefüllt. Ausgewertet wird <strong>der</strong> Fragebogen anhand e<strong>in</strong>es<br />

Profilblattes.<br />

X.1.3. Erhebung <strong>der</strong> Risikofaktoren<br />

Zur Überprüfung <strong>der</strong> Hypothese, daß sich K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> h<strong>in</strong>sichtlich bestimmter Risikofaktoren von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n unterscheiden,<br />

die ke<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong> zeigen, wurden noch folgende Fragen erhoben:<br />

1. Wie ist <strong>der</strong> Familienstand <strong>der</strong> Eltern <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>?<br />

<strong>Die</strong>se Frage trägt dem Umstand Rechnung, daß <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur e<strong>in</strong>e sogenannte<br />

„Broken-home”-Situation immer wie<strong>der</strong> als Risiko für die Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> benannt wird. Geschiedene o<strong>der</strong> getrennt lebende Eltern s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong> Indikator für e<strong>in</strong>e solche Situation.<br />

2. Ist e<strong>in</strong> Elternteil (o<strong>der</strong> beide) an Alkoholismus erkrankt?<br />

Bei diesem Thema geht es darum, daß bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, bei denen e<strong>in</strong> Elternteil (o<strong>der</strong><br />

beide) Alkoholprobleme zeigen, häufiger mit dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> zu rechnen ist, als bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong>en Eltern ke<strong>in</strong>e solche<br />

Problematik zeigen.<br />

3. S<strong>in</strong>d die Eltern Sozialhilfeempfänger?<br />

<strong>Die</strong>se Frage bezieht sich auf die Tatsache, daß die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

häufiger bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong> unteren sozialen Schicht zu f<strong>in</strong>den ist. Der Erhalt von<br />

Sozialhilfe dient <strong>in</strong> diesem Fall als Indikator für die Schichtzugehörigkeit.<br />

X.1.4. Durchführungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

Je<strong>des</strong> K<strong>in</strong>d wurde e<strong>in</strong>zeln, ohne Beise<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es pädagogischen Betreuers o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>er Personen befragt. E<strong>in</strong> Problem bestand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Länge <strong>des</strong> Intervies, das im<br />

Durchschnitt ungefähr e<strong>in</strong>e Stunde dauert. E<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Jüngere,<br />

hatten Schwierigkeiten, das Interview vollständig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sitzung zu beantworten. In<br />

diesen Fällen wurde das Interview unterbrochen und zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt zu<br />

Ende geführt. <strong>Die</strong> Erzieher wurden ebenfalls im E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terview befragt. Der<br />

„Elternfragebogen zum Verhalten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen” wurde von den<br />

pädagogischen Betreuern selbständig bearbeitet.


52<br />

X.2. Darstellung <strong>der</strong> Stichprobe<br />

Es wurden 52 K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>er privaten E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe<br />

untersucht. <strong>Die</strong> Daten wurden <strong>in</strong> dem Zeitraum von Juli 1999 bis November 1999<br />

erhoben.<br />

X.2.1. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

Zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Datenerhebung bot die E<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen <strong>in</strong>sgesamt<br />

80 Plätze an; 32 Plätze im teilstationären Bereich, 42 Plätze <strong>in</strong> stationären Gruppen<br />

und 6 Plätze <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>hoffamilien. Der teilstationäre Bereich teilte sich <strong>in</strong> fünf<br />

Gruppen auf, <strong>in</strong> denen sich zum Erhebungszeitpunkt tatsächlich 32 K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

befanden. Der stationäre Bereich bestand aus ebenfalls fünf Gruppen mit 34<br />

untergebrachten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen.<br />

Träger <strong>der</strong> Maßnahme ist <strong>in</strong> den meisten Fällen das Jugendamt. In Fällen, bei<br />

denen es sich um geistig beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te K<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendliche handelt, kann auch<br />

das Sozialamt für die F<strong>in</strong>anzierung zuständig se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Eltern <strong>der</strong> untergebrachten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden anteilig an den Kosten beteiligt, bestimmt durch <strong>der</strong>en jeweiligen<br />

f<strong>in</strong>anziellen H<strong>in</strong>tergrund.<br />

X.2.2. Ausschlußkriterien für e<strong>in</strong>e Aufnahme <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendliche, die alkohol- o<strong>der</strong> drogenabhängig s<strong>in</strong>d, werden nicht <strong>in</strong> die<br />

E<strong>in</strong>richtung aufgenommen. Desweiteren ist starke Aggressivität e<strong>in</strong><br />

Ausschlußkriterium, denn es muß gewährleistet se<strong>in</strong>, daß die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gruppe <strong>in</strong>tegrierbar s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung bef<strong>in</strong>den, kommen aus<br />

unterschiedlichen Gründen dorth<strong>in</strong>. Allen geme<strong>in</strong>sam ist jedoch, daß sie Probleme<br />

mit dem Elternhaus haben und <strong>des</strong>wegen professioneller Hilfe bedürfen.<br />

X.2.3. <strong>Die</strong> Stichprobe<br />

Alle Eltern, <strong>der</strong> <strong>in</strong> den stationären o<strong>der</strong> teilstationären Gruppen untergebrachten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> wurden schriftlich über die Befragung <strong>in</strong>formiert und um ihr E<strong>in</strong>verständnis<br />

gebeten. Nicht berücksichtigt wurden die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die sich <strong>in</strong> den sogenannten<br />

„K<strong>in</strong><strong>der</strong>hof-Familien” befanden.<br />

<strong>Die</strong> Stichprobe für diese Diplomarbeit setzte sich zusammen aus 22 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die<br />

stationär untergebracht waren und 30 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aus den teilstationären Gruppen.<br />

Elf K<strong>in</strong><strong>der</strong> nahmen nicht an <strong>der</strong> Untersuchung teil, weil für sie ke<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>verständniserklärung <strong>der</strong> Eltern vorlag. E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d verweigerte die Teilnahme an<br />

dem Interview. Zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong> zeigten deutliche Entwicklungsstörungen. E<strong>in</strong> Junge mit


53<br />

autistischen Zügen sprach nicht und e<strong>in</strong> vierjähriges Mädchen war geistig retardiert,<br />

so daß mit beiden K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ke<strong>in</strong> Interview durchgeführt werden konnte.<br />

X.2.4. Statistische Auswertung<br />

<strong>Die</strong> statistische Datenanalyse erfolgte mit SPSS für W<strong>in</strong>dows (Version 8.0 bzw. 9.0).<br />

XI. Ergebnisse<br />

XI.1. Deskriptive Daten <strong>der</strong> Stichprobe<br />

XI.1.1. Alter und Geschlecht<br />

Von den 52 untersuchten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen s<strong>in</strong>d 12 weiblich und 40<br />

männlich. Sie s<strong>in</strong>d zwischen 7 und 18 Jahren alt (M = 11,63, SD = 2,88).<br />

XI.1.2. Anzahl <strong>der</strong> Geschwister und Rangstellung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Geschwister<br />

Fünf K<strong>in</strong><strong>der</strong> (9,6%) haben ke<strong>in</strong>e Geschwister. Acht K<strong>in</strong><strong>der</strong> (15,4%) haben e<strong>in</strong>en<br />

Bru<strong>der</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Schwester, 13 K<strong>in</strong><strong>der</strong> (25%) haben zwei Geschwister, 13 K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

(25%) haben drei Geschwister, fünf K<strong>in</strong><strong>der</strong> (9,6%) haben vier Geschwister, ebenfalls<br />

fünf K<strong>in</strong><strong>der</strong> (9,6%) haben fünf Geschwister, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d (1,9%) hat sechs Geschwister<br />

und zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong> (3,8%) haben sieben Geschwister.<br />

19 K<strong>in</strong><strong>der</strong> (36,5%) s<strong>in</strong>d die erstgeborenen K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie, 15 K<strong>in</strong><strong>der</strong> (28,8%)<br />

s<strong>in</strong>d die Zweitgeborenen, zwölf K<strong>in</strong><strong>der</strong> (23,1%) s<strong>in</strong>d die Drittgeborenen, fünf K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

(9,6%) s<strong>in</strong>d die Viertgeborenen und e<strong>in</strong>es (1,9%) ist das fünftgeborene K<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Rangstellung <strong>der</strong> Geschwister.<br />

XI.1.3. Schulform<br />

Zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong> (3,8%) besuchen (noch) ke<strong>in</strong>e Schule. 15 K<strong>in</strong><strong>der</strong> (28,8%) gehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Grundschule, sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong> (13,5%) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Hauptschule. 17 K<strong>in</strong><strong>der</strong> (32,7%)<br />

besuchen e<strong>in</strong>e Lernbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenschule, sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong> (13,5%) die<br />

Orientierungsstufe, e<strong>in</strong> Jugendlicher (1,9%) geht zur Berufsschule, zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

(3,8%) bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tagesbildungsstätte und e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d (1,9%) besucht die<br />

Vorschule. Ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d besucht e<strong>in</strong> Gymnasium o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Realschule.<br />

XI.1.4. Religionszugehörigkeit<br />

Sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong> (13,5%) gehören ke<strong>in</strong>er Konfession an. 15 K<strong>in</strong><strong>der</strong> (28,8%) s<strong>in</strong>d<br />

katholisch, 27 (51,9%) s<strong>in</strong>d evangelisch, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d (1,9%) gehört e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en<br />

Konfession an und bei zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n (3,8%) ist die Religionszugehörigkeit nicht<br />

bekannt.


54<br />

XI.1.5. Soziodemographische Daten <strong>der</strong> Eltern<br />

XI.1.5.1. Familienstand <strong>der</strong> Eltern<br />

Bei 24 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n (46,2%) leben die Eltern zusammen. In 28 Fällen (53,8%) leben die<br />

Eltern getrennt, davon s<strong>in</strong>d 23 Eltern (44,2%) geschieden.<br />

XI.1.5.2. Alkoholkrankheit <strong>der</strong> Eltern<br />

In vier Fällen (7,7%) ist die Mutter an Alkoholismus erkrankt. Bei zwölf K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

(23,1%) ist <strong>der</strong> Vater Alkoholiker und bei zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n (3,8%) s<strong>in</strong>d beide Elternteile<br />

betroffen. 34 (65,4%) K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben Eltern, die nicht von <strong>der</strong> Alkoholkrankheit<br />

betroffen s<strong>in</strong>d.<br />

XI.1.5.3. Soziale Schichtzugehörigkeit <strong>der</strong> Eltern<br />

Als Indikator für die Zugehörigkeit zur unteren sozialen Schicht diente <strong>der</strong> elterliche<br />

Bezug von Sozialhilfe. Bei getrennt lebenden Eltern wird <strong>der</strong>jenige Elternteil zur<br />

Beurteilung <strong>der</strong> sozialen Schicht herangezogen, <strong>der</strong> das Sorgerecht für das K<strong>in</strong>d<br />

hat. In 21 Fällen (40,4%) beziehen die Eltern Sozialhilfe, gehören also <strong>der</strong> unteren<br />

sozialen Schicht an.<br />

XI.2. Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> erhobenen <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-<br />

DIPS<br />

In diesem Abschnitt geht es um die Präsentation <strong>der</strong> Diagnosen, die bei <strong>der</strong><br />

Auswertung <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS gestellt wurden.


55<br />

Tabelle 1<br />

Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> erhobenen <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS<br />

Diagnose im Diagnose im<br />

<strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong><br />

Erzieher<strong>in</strong>terview K<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>in</strong>terview<br />

(<strong>Häufigkeit</strong>) (<strong>Häufigkeit</strong>)<br />

-Aufmerksamkeits- und 2 (3,8%) 4 (7,7%)<br />

Hyperaktivitätsstörung<br />

9 (17,3%) 8 (15,4%)<br />

-Enuresis / Enkopresis<br />

3 (5,8%) 2 (3,8%)<br />

-Depressives Syndrom<br />

0 (0%)<br />

0 (0%)<br />

-Dysthymes Syndrom<br />

0 (0%)<br />

2 (3,8%)<br />

-Emotionale <strong>Störung</strong> mit Trennungsangst 0 (0%)<br />

1 (1,9%)<br />

-Paniksyndrom<br />

1 (1,9%) 1 (1,9%)<br />

-Agoraphobie<br />

8 (15,4%) 14 (26,9%)<br />

-Spezifische Phobie<br />

4 (7,7%) 2 (3,8%)<br />

-Sozialphobie<br />

0 (0%)<br />

0 (0%)<br />

-Zwangssyndrom<br />

0 (0%)<br />

0 (0%)<br />

-Generalisiertes Angstsyndrom<br />

2 (3,8%) 2 (3,8%)<br />

-Posttraumatische Belastungsstörung 0 (0%)<br />

0 (0%)<br />

-Anorexia nervosa<br />

0 (0%)<br />

0 (0%)<br />

-Bulimia nervosa<br />

4 (7,7%) 9 (17,3%)<br />

<strong>Die</strong> Diagnosen „dysthymes Syndrom”, „Zwangssyndrom”, „generalisiertes<br />

Angstsyndrom”, „Anorexia nervosa” und „Bulimia nervosa” wurden we<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

Erzieherbeurteilung noch bei <strong>der</strong> Selbste<strong>in</strong>schätzung <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> vergeben.<br />

XI.2.1. Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen den Diagnosen nach Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und <strong>der</strong> Erzieher im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS<br />

In vier Fällen (7,6%) wurde die Diagnose „depressives Syndrom” vergeben.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs gibt es nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall e<strong>in</strong>e Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen Erzieherurteil<br />

und dem Urteil <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>, dabei handelt es sich um die Diagnose „bipolare<br />

affektive <strong>Störung</strong>”. Berechnet man für die Variablen „depressives Syndrom <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Erziehere<strong>in</strong>schätzung” und „depressives Syndrom <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung” das<br />

Ausmaß <strong>der</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung, erhält man e<strong>in</strong> Kappa von<br />

j = 0.38 (p < 0.01).<br />

<strong>Die</strong> Diagnose „Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung” wurde <strong>in</strong> sechs Fällen<br />

(11,5%) vergeben, dabei gab es jedoch ke<strong>in</strong>e Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Erzieher und <strong>der</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Es besteht ke<strong>in</strong>e signifikante<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung (j = -0.05, n.s.).<br />

Das <strong>Störung</strong>sbild „Enuresis / Enkopresis” wurde elfmal (21,1%) diagnostiziert. In vier<br />

Fällen stimmen K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Erzieher vollständig übere<strong>in</strong>. In zwei Fällen gibt es e<strong>in</strong>e<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung dah<strong>in</strong>gehend, daß entwe<strong>der</strong> die Erzieher o<strong>der</strong> die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

angeben, es käme sowohl E<strong>in</strong>nässen als auch E<strong>in</strong>koten vor, aber die jeweils an<strong>der</strong>e<br />

E<strong>in</strong>schätzung nur e<strong>in</strong>es von beiden angibt. Es besteht e<strong>in</strong>e signifikante<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung (j = 0.52, p < 0.01).


56<br />

<strong>Die</strong> „emotionale <strong>Störung</strong> mit Trennungsangst” wurde zweimal (3,8%) diagnostiziert,<br />

aber nur über die E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e „Panikstörung” wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall (1,9%) vergeben, aber auch <strong>in</strong> diesem Fall<br />

nur über die E<strong>in</strong>schätzung <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>.<br />

E<strong>in</strong>mal (1,9%) wurde e<strong>in</strong>e „Agoraphobie mit Paniksyndrom” diagnostiziert, dabei<br />

wurde die Diagnose <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>der</strong> Angaben <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> und <strong>des</strong><br />

Erziehers gestellt. <strong>Die</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen den Aussagen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

den Aussagen <strong>der</strong> Erzieher bezüglich <strong>der</strong> „Agoraphobie mit Paniksyndrom” ist<br />

signifikant (j = 1.0, p < 0.01).<br />

In 18 Fällen (34,6%) wurde e<strong>in</strong>e spezifische Phobie gefunden, aber nur viermal<br />

stimmten Erzieher und K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung übere<strong>in</strong>. Es besteht ke<strong>in</strong>e<br />

signifikante Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen den Diagnosen <strong>der</strong> spezifischen Phobie, die<br />

nach den Erzieherangaben gestellt wurden und denen, die nach den Angaben <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> gestellt wurden (j = 0.21, n.s.).<br />

<strong>Die</strong> Diagnose „Soziale Phobie” wurde <strong>in</strong>sgesamt sechsmal (11,5%) vergeben, dabei<br />

f<strong>in</strong>det sich aber ke<strong>in</strong>e Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen <strong>der</strong> Selbst- und Fremdbeurteilung.<br />

Es besteht ke<strong>in</strong>e signifikante Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen <strong>der</strong> Selbst- und<br />

Fremdbeurteilung bezogen auf die „soziale Phobie” (j = -0.05, n.s.).<br />

E<strong>in</strong> ähnliches Bild f<strong>in</strong>det sich bei <strong>der</strong> „Posttraumatischen Belastungsstörung”. <strong>Die</strong><br />

Diagnose wurde <strong>in</strong>sgesamt viermal (7,6%) gestellt, doch auch hier ohne<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung. Das heißt es besteht ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen<br />

den Aussagen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und denen <strong>der</strong> Erzieher bezüglich <strong>der</strong> „posttraumatischen<br />

Belastungsstörung” (C = 0.04, n.s.).<br />

Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung <strong>des</strong> Alkohol- o<strong>der</strong> Drogenmißbrauchs, werden neun Fälle<br />

(17,3) genannt. In fünf Fällen geben nur die K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>en gelegentlichen<br />

Alkoholgebrauch an. In zwei Fällen geben K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Erzieher übere<strong>in</strong>stimmend<br />

gelegentlichen Alkohol- und Drogengebrauch <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> an und e<strong>in</strong>mal<br />

übere<strong>in</strong>stimmend gelegentlichen Alkoholgebrauch. In e<strong>in</strong>em Fall geben die Erzieher<br />

Alkoholkonsum e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>des</strong> an, während das K<strong>in</strong>d sowohl Alkohol- als auch<br />

illegalen Drogenkonsum nennt. Es besteht e<strong>in</strong>e signifikante Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

bezüglich <strong>des</strong> von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n angegebenen Alkohol- und Drogenkonsums mit den<br />

Aussagen <strong>der</strong> Erzieher (j= 0.5, p < 0.01).<br />

XI.3. Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

<strong>Die</strong> erste Frage, die <strong>in</strong> dieser Arbeit beantwortet werden soll ist, wie häufig e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe<br />

auftritt.<br />

Bei <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> wurde sowohl e<strong>in</strong>e aktuelle Diagnose als auch<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong>, die zu e<strong>in</strong>em früheren Zeitpunkt vorlag mit dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS erfaßt.<br />

Desweiteren wurde <strong>der</strong> Beg<strong>in</strong>n und Schweregrad <strong>der</strong> aktuellen Diagnose erfragt.


57<br />

<strong>Die</strong> Child Behavior Checklist erfaßt die Skalen „dissoziales Verhalten” und<br />

„aggressives Verhalten”, die zur „externalisierenden <strong>Störung</strong>” zusammengefaßt<br />

werden.<br />

In diesem Abschnitt werden die jeweiligen E<strong>in</strong>zelergebnisse dargestellt.<br />

XI.3.1. Ergebnisse <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS<br />

XI.3.1.1. Akute Diagnose<br />

E<strong>in</strong>e akute Diagnose <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> wurde <strong>in</strong> 30 Fällen (57,6%)<br />

vergeben.<br />

Davon wurden zehn (19,2%) <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>der</strong> Aussagen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Erziehern gestellt, zwölf nur durch die E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und acht nur durch<br />

die Erzieherangaben. Insgesamt geben die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> 22 Fällen e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> an und die Erzieher <strong>in</strong> 18 Fällen.<br />

Der Zusammenhang zwischen den Variablen „SSV <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehere<strong>in</strong>schätzung”<br />

und „SSV <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung” ist nicht signifikant (j = 0.19, n.s.).<br />

<strong>Die</strong> Diagnosen wurden genauer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelne Unterkategorien e<strong>in</strong>gestuft. Von den<br />

zehn übere<strong>in</strong>stimmenden Diagnosen stimmen sechs ebenfalls <strong>in</strong> den<br />

unterkategorisierten Diagnosen übere<strong>in</strong>. Davon entfallen e<strong>in</strong>e auf die Kategorie<br />

F91.1 (SSV bei fehlenden sozialen B<strong>in</strong>dungen), drei auf die F91.2 (SSV bei<br />

vorhandenen sozialen B<strong>in</strong>dungen), e<strong>in</strong>e auf die F91.3 (SSV mit oppositionellem<br />

Trotzverhalten) und e<strong>in</strong>e auf die Untergruppe F91.9 (nicht näher bezeichnete SSV).<br />

In den Fällen, <strong>in</strong> denen K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Erzieher nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung<br />

übere<strong>in</strong>stimmten, wurden e<strong>in</strong>seitige Diagnosen <strong>in</strong> den Untergruppen F91.3 (SSV mit<br />

oppositionellem Trotzverhalten) und F91.9 (nicht näher bezeichnete SSV) vergeben.<br />

<strong>Die</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> vergebenen Diagnosen ist signifikant (j = 0.2, p<br />

< 0.05).<br />

Es besteht e<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen den früheren und den akuten<br />

Diagnosen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung (C =<br />

0.56,<br />

p < 0.01) als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erwachsenene<strong>in</strong>schätzung (C = 0.42, p < 0.01).<br />

Es besteht ebenfalls e<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> akuten<br />

Diagnose e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehere<strong>in</strong>schätzung und e<strong>in</strong>er<br />

früheren Diagnose <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung (C = 0.28, p < 0.05).


58<br />

Tabelle 2<br />

Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Unterkategorien <strong>der</strong> akuten <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erzieher- und K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung<br />

SSV akut<br />

SSV akut<br />

Unterkategorien <strong>der</strong><br />

(Erzieher)<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

<strong>Häufigkeit</strong><br />

<strong>Häufigkeit</strong><br />

-ke<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

34 (65,4%) 30 (57,7%)<br />

-F91.0 auf den famil. Rahmen beschränkte 0 (0%)<br />

0 (0%)<br />

SSV<br />

1 (1,9%)<br />

1 (1,9%)<br />

-F91.1 SSV bei fehlenden soz. B<strong>in</strong>dungen 3 (5,8%)<br />

5 (9,6%)<br />

-F91.2 SSV bei vorhandenen soz. 5 (9,6%)<br />

7 (13,5%)<br />

B<strong>in</strong>dungen<br />

9 (17,3%)<br />

9 (17,3%)<br />

<strong>Die</strong> Rangreihe <strong>der</strong> angegebenen <strong>Häufigkeit</strong>en <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Unterkategorien ist bei<br />

Erziehern und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n gleich, obwohl sie sich h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> absoluten <strong>Häufigkeit</strong>en<br />

unterscheiden. <strong>Die</strong> Kategorie F91.9 (nicht näher bezeichnete SSV) wird am<br />

häufigsten vergeben, gefolgt von <strong>der</strong> Diagnose F91.3 (SSV mit oppositionellem,<br />

aufsässigem Verhalten). <strong>Die</strong> Diagnose F91.0 (auf den familiären Rahmen<br />

beschränkte SSV) wurde <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall vergeben.<br />

XI.3.1.2. Frühere Diagnose<br />

<strong>Die</strong> Diagnose, daß früher e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> bestanden hat<br />

(unabhängig davon, ob sie heute noch besteht o<strong>der</strong> nicht) wurde <strong>in</strong> 39 Fällen (75%)<br />

gestellt. In 18 Fällen (34,6%), <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e SSV diagnostiziert wurde, waren sich<br />

die Erzieher und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung über das Vorliegen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong><br />

e<strong>in</strong>ig. Zwölf Diagnosen wurden nur anhand <strong>des</strong> Urteils <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> vergeben und<br />

neun nur durch die Erziehere<strong>in</strong>schätzungen. Insgesamt geben die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> 30<br />

Fällen und die Erzieher <strong>in</strong> 27 Fällen e<strong>in</strong> früheres Vorliegen e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> an.<br />

Es besteht ke<strong>in</strong>e signifikante Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen den E<strong>in</strong>schätzungen <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>der</strong> Erzieher bezüglich e<strong>in</strong>er früheren Diagnose <strong>der</strong> „<strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>”<br />

(j = 0.19, n.s.).<br />

Von den 18 übere<strong>in</strong>stimmend gestellten Diagnosen gehen acht von e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>stufung<br />

<strong>in</strong> die gleiche Unterkategorie aus. Drei Diagnosen entfallen auf die Kategorie F91.1<br />

(SSV bei fehlenden sozialen B<strong>in</strong>dungen), vier auf die Untergruppe F91.2 (SSV bei<br />

vorhandenen sozialen B<strong>in</strong>dungen) und e<strong>in</strong>e auf die Kategorie F91.3 (SSV mit<br />

oppositionellem Trotzverhalten). <strong>Die</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam<br />

vergebenen Diagnosen ist signifikant (j = 0.17, p < 0,05).


59<br />

Tabelle 3<br />

Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Unterkategorien bei e<strong>in</strong>er früheren <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erzieher- und K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung<br />

Unterkategorien <strong>der</strong><br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

-ke<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

-F91.0 auf den famil. Rahmen beschränkte<br />

SSV<br />

-F91.1 SSV bei fehlenden sozialen<br />

B<strong>in</strong>dungen<br />

-F91.2 SSV bei vorhandenen soz.<br />

SSV früher<br />

(Erzieher)<br />

<strong>Häufigkeit</strong><br />

25 (48,1%)<br />

0 (0%)<br />

3 (5,8%)<br />

10 (19.2%)<br />

7 (13,5%)<br />

7 (13,5%)<br />

SSV früher<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

<strong>Häufigkeit</strong><br />

22 (42,3%)<br />

0 (0%)<br />

6 (11,5%)<br />

8 (15,4%)<br />

8 (15,4%)<br />

8 (15,4%)<br />

Nach den Erzieherangaben wurde bei <strong>der</strong> früheren Diagnose <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> am häufigsten die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> bei vorhandenen<br />

sozialen B<strong>in</strong>dungen (F91.2) gefunden, gefolgt von den Kategorien F91.3 (SSV mit<br />

oppositionellem Trotzverhalten) und F91.9 (nicht näher bezeichnete SSV), die<br />

gleichhäufig auftraten. Nach den Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wurden die Kategorien F91.2,<br />

F91.3 und F91.9 gleichhäufig vergeben.<br />

<strong>Die</strong> Diagnose F91.0 (auf den familiären Rahmen beschränkte SSV) wurde bei den<br />

früheren Diagnosen nicht vergeben.<br />

XI.3.1.3. <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und Geschlecht<br />

<strong>Die</strong> Auswertung <strong>der</strong> Erzieher-Interviews ergibt, daß vier von zwölf Mädchen (33%)<br />

und 14 von 40 Jungen (35%) akut e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> zeigen. Es<br />

besteht ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er „<strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>” und dem Geschlecht (C = 0.02, n.s.).<br />

<strong>Die</strong> Diagnoseverteilung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-Interviews zeigt folgen<strong>des</strong> Bild: vier von zwölf<br />

Mädchen (33%) und 18 von 40 Jungen (45%) erhalten die Diagnose e<strong>in</strong>er<br />

dissozialen <strong>Störung</strong>. Nach diesen Angaben besteht ebenfalls ke<strong>in</strong> signifikanter<br />

Zusammenhang zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er „<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>” und<br />

dem Geschlecht (C = 0.10, n.s.).<br />

Es ergibt sich allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen dem Geschlecht<br />

<strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> und dem T-Wert <strong>der</strong> „externalisierenden <strong>Störung</strong>” <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL<br />

(t = 0.23, p < 0.05). Es zeigen drei von zwölf Mädchen und 20 Jungen von 40 e<strong>in</strong>en<br />

grenzwertigen o<strong>der</strong> auffälligen Wert auf <strong>der</strong> externalen Skala.<br />

XI.3.1.4. Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

In Anlehnung an die Kriterien <strong>der</strong> ICD-10 wurde erfragt, ob die <strong>Störung</strong> vor o<strong>der</strong><br />

nach dem zehnten Lebensjahr begonnen hat, d.h. ob <strong>der</strong> Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Adoleszenz liegt.


60<br />

Tabelle 4<br />

Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er SSV SSV (Erzieher) SSV (K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

Beg<strong>in</strong>n vor dem 10.<br />

Lebensjahr<br />

B i h d 10<br />

13<br />

5<br />

In acht Fällen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Erzieherangaben diagnostiziert worden ist, wird angegeben,<br />

daß die <strong>Störung</strong> vor dem zehnten Lebensjahr begonnen hat.<br />

In zwei Fällen, <strong>in</strong> denen zwar E<strong>in</strong>igkeit darüber herrscht, daß e<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong><br />

vorliegt, s<strong>in</strong>d die Angaben über den jeweiligen Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>in</strong>nerhalb dieser<br />

Fälle jedoch unterschiedlich.<br />

In den Fällen, <strong>in</strong> denen die Diagnose entwe<strong>der</strong> nur durch die E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erzieher vergeben wurde, wird 15 mal e<strong>in</strong> Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit<br />

und fünf mal e<strong>in</strong> Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Adoleszenz angegeben. Zwischen den Variablen<br />

„Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> akuten SSV <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung” und „Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> akuten SSV <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Erziehere<strong>in</strong>schätzung” besteht ke<strong>in</strong>e signifikante Übere<strong>in</strong>stimmung (j = 0.19,<br />

n.s.).<br />

XI.3.1.5. Schweregrad <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

Der Schweregrad <strong>der</strong> Diagnose wird unterteilt <strong>in</strong> „leicht” (drei bis fünf Symptome),<br />

„mittel” (sechs bis 15 Symptome) und „schwer” (15 bis 23 Symptome).<br />

Tabelle 5<br />

Schweregrad <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

Schweregrad <strong>der</strong> SSV SSV (Erzieher) SSV (K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

leicht (3 bis 5 Symptome)<br />

mittel (6 bis 15 Symptome)<br />

schwer (16 bis 23 Symptome)<br />

12<br />

6<br />

0<br />

E<strong>in</strong>e schwere dissoziale <strong>Störung</strong> kommt nicht vor. Von den zehn Diagnosen, die<br />

übere<strong>in</strong>stimmend gestellt wurden, stimmen fünf ebenfalls bezüglich <strong>des</strong><br />

Schweregrads übere<strong>in</strong>. Davon s<strong>in</strong>d drei leichte Fälle und zwei mittlere Fälle.<br />

Bei den Fällen, die nur durch e<strong>in</strong>e Seite angegeben wurden, wird 16 mal e<strong>in</strong>e leichte<br />

und vier mal e<strong>in</strong>e mittelgradige <strong>Störung</strong> diagnostiziert. <strong>Die</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>der</strong><br />

Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit denen <strong>der</strong> Erzieher bezüglich <strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> ist nicht signifikant (j = 0.11, n.s.).<br />

XI.3.1.6. Gruppenzugehörigkeit und <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

Laut den Erzieherangaben im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS tritt e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong><br />

teilstationären Gruppen ebenso häufig auf wie <strong>in</strong> stationären Gruppen. Es wurden <strong>in</strong><br />

beiden Bereichen je neun K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche (17,3%) mit e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />

<strong>Störung</strong> identifiziert. Es besteht ke<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen <strong>der</strong><br />

20<br />

2<br />

15<br />

7<br />

0


61<br />

Gruppenzugehörigkeit und dem Auftreten e<strong>in</strong>er akuten <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

(C = 0.11, n.s.). Es besteht ebenfalls ke<strong>in</strong> Zusammenhang zu e<strong>in</strong>er früheren<br />

dissozialen <strong>Störung</strong> (C = 0.13, n.s.).<br />

<strong>Die</strong> Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> deuten ebenfalls darauf h<strong>in</strong>, daß es ke<strong>in</strong>en Unterschied<br />

zwischen den stationären und teilstationären Gruppen gibt. 13 K<strong>in</strong><strong>der</strong> (25%) mit<br />

e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong> bef<strong>in</strong>den sich im teilstationären Bereich und 14 K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

(26,9%) <strong>in</strong> stationären Gruppen. Das heißt, auch nach Aussagen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> besteht<br />

ke<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er akuten <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> und <strong>der</strong> Gruppenzugehörigkeit<br />

(C = 0.13, n.s). Es besteht auch ke<strong>in</strong> Zusammenhang zu e<strong>in</strong>er früher aufgetretenen<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (C = 0.20, n.s.).<br />

Tabelle 6<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Gruppenzugehörigkeit und dem Auftreten e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

Diagnose SSV im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS Gruppenzugehörigkeit<br />

SSV akut (K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

SSV akut (Erzieher)<br />

SSV früher (K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

SSV früher (Erzieher)<br />

C = 0.13 n.s.<br />

C = 0.11 n.s.<br />

C = 0.20 n.s.<br />

C = 0.13 n.s.<br />

XI.3.2. Ergebnisse <strong>der</strong> Child Behavior Checklist<br />

<strong>Die</strong> Child Behavior Checklist be<strong>in</strong>haltet die Skalen „aggressives Verhalten” und<br />

„dissoziales Verhalten”. Bei <strong>der</strong> Auswertung wird, jeweils <strong>in</strong> Abhängigkeit vom Alter<br />

und Geschlecht <strong>der</strong> untersuchten K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen, zwischen grenzwertigen<br />

und auffälligen Daten unterschieden.<br />

Auf <strong>der</strong> Skala „aggressives Verhalten” zeigen fünf Jungen (9,6%) und e<strong>in</strong> Mädchen<br />

(1,9%) e<strong>in</strong>en Wert, <strong>der</strong> im Grenzbereich liegt. E<strong>in</strong> Mädchen und acht Jungen haben<br />

auffällige Werte.<br />

Auf <strong>der</strong> Skala „dissoziales Verhalten” s<strong>in</strong>d zwei Mädchen (3,8%) und acht Jungen<br />

(15,3%) grenzwertig. Auffällig s<strong>in</strong>d acht Jungen (15,3%), aber ke<strong>in</strong> Mädchen.<br />

Faßt man die Werte <strong>der</strong> dissozialen und aggressiven Skala zusammen, gehen sie <strong>in</strong><br />

die „externale <strong>Störung</strong>” e<strong>in</strong>. Hier zeigen e<strong>in</strong> Mädchen (1,9%) und sechs Jungen<br />

(11,5%) e<strong>in</strong>en Wert im Grenzbereich. Im auffälligen Bereich liegen zwei Mädchen<br />

(3,8%) und 14 Jungen (26,9%).<br />

XI.3.3. Diagnose SSV im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS und Werte <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL<br />

XI.3.3.1. SSV <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>version <strong>des</strong> DIPS und Werte <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL<br />

13 K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die laut ihren Angaben im K<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>in</strong>terview e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> aufweisen, zeigen e<strong>in</strong>en grenzwertigen o<strong>der</strong> auffälligen Wert auf


62<br />

<strong>der</strong> Skala „Dissozialität” <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL. Neun K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben laut DIPS e<strong>in</strong>e dissoziale<br />

<strong>Störung</strong>, weisen aber e<strong>in</strong>en unauffälligen Skalenwert auf. Dagegen werden vier<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erziehern <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL als auffällig im dissozialen Bereich e<strong>in</strong>gestuft,<br />

haben jedoch nach ihren eigenen Angaben im Interview ke<strong>in</strong>e entsprechende<br />

<strong>Störung</strong>.<br />

Der Zusammenhang zwischen den Variablen „Dissozialität” <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL und „SSV<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>)” im DIPS ist signifikant (t = 0.29, p < 0.05).<br />

Zehn K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die nach eigenen Angaben im Interview <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> aufweisen, haben auch auf <strong>der</strong> Skala „Aggressivität” <strong>der</strong> CBCL<br />

e<strong>in</strong>en grenzwertigen o<strong>der</strong> auffälligen Wert. In drei Fällen ist <strong>der</strong> Wert auf <strong>der</strong> Skala<br />

auffällig, aber es wurde anhand <strong>der</strong> Angaben im K<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>in</strong>terview ke<strong>in</strong>e Diagnose <strong>der</strong><br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> vergeben. Zwölf K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die nach den Aussagen im<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>in</strong>terview e<strong>in</strong>e Diagnose bekommen haben, s<strong>in</strong>d nach den Erzieherangaben<br />

auf <strong>der</strong> Skala „Aggressivität” unauffällig.<br />

Der Zusammenhang <strong>der</strong> Variablen „Aggressivität” <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL und „SSV (K<strong>in</strong><strong>der</strong>)”<br />

im DIPS ist signifikant (t = 0.39, p < 0.01).<br />

<strong>Die</strong> Werte <strong>der</strong> Skalen „Dissozialität” und „Aggressivität” werden zu e<strong>in</strong>em Wert<br />

zusammengefaßt, <strong>der</strong> die „Externalisierende <strong>Störung</strong>” bildet.<br />

In 16 Fällen zeigen sich Übere<strong>in</strong>stimmungen zwischen <strong>der</strong> Diagnose SSV, die die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> nach eigenen Angaben im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS erhalten haben und e<strong>in</strong>em<br />

grenzwertigen o<strong>der</strong> auffälligen Wert auf <strong>der</strong> externalen Skala.<br />

Sechs K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben e<strong>in</strong>en unauffälligen Skalenwert, werden aber im K<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>in</strong>terview<br />

als dissozial identifiziert. Sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong> dagegen haben e<strong>in</strong>en auffälligen Wert auf<br />

<strong>der</strong> externalen Skala, aber nach eigenen Angaben im K<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>in</strong>terview ke<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>.<br />

Der Zusammenhang <strong>der</strong> Variablen „T-Wert Externalisierende <strong>Störung</strong>” <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL<br />

und „SSV (K<strong>in</strong><strong>der</strong>)” im DIPS ist signifikant (t = 0.38, p < 0.01).<br />

Es besteht ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen dem akuten Auftreten e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> nach Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im DIPS und dem „T-Wert<br />

Internalisierende <strong>Störung</strong>” <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL (t = 0.02, n.s.).<br />

Der „Gesamt T-Wert” bezieht sich auf die addierten Rohwerte aller Problemskalen,<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tabelle abzulesen ist.<br />

Es besteht e<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> akuten „SSV (K<strong>in</strong><strong>der</strong>)” im<br />

DIPS und dem „Gesamt T-Wert” <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL (t= 0.24, p < 0.05).<br />

XI.3.3.2. SSV <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erzieherversion <strong>des</strong> DIPS und Werte <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL<br />

In zwölf Fällen, <strong>in</strong> denen nach den Erzieherangaben im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS die Diagnose<br />

<strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> vergeben wurde, zeigen sich auf <strong>der</strong> dissozialen<br />

Skala Werte, die auffällig s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t im Grenzbereich liegen.<br />

Acht K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, die laut Erzieherangaben im Interview e<strong>in</strong>e SSV<br />

aufweisen, haben auf <strong>der</strong> dissozialen Skala <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL e<strong>in</strong>en unauffälligen Wert.


63<br />

Sechs K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben nach den Erzieherangaben im Interview e<strong>in</strong>e SSV, ersche<strong>in</strong>en<br />

aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL unauffällig auf <strong>der</strong> dissozialen Skala.<br />

Der Zusammenhang <strong>der</strong> Variablen „Dissozialität” <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL und „SSV (Erzieher)”<br />

im DIPS ist signifikant (t = 0.46, p < 0.01).<br />

Elf K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, die nach den Angaben <strong>der</strong> Erzieher im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> aufweisen, haben auf <strong>der</strong> Skala „Aggressivität”<br />

ebenfalls e<strong>in</strong>en Wert <strong>der</strong> auffällig ist o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t an <strong>der</strong> Grenze hierzu liegt.<br />

In neun Fällen ist <strong>der</strong> Wert auf <strong>der</strong> Skala grenzwertig o<strong>der</strong> auffällig, aber die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

haben laut den Erzieherangaben im Interview ke<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>.<br />

Drei K<strong>in</strong><strong>der</strong> zeigen e<strong>in</strong>en auffälligen Wert <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL auf <strong>der</strong> Skala „Aggressivität”,<br />

aber haben laut Erzieherversion <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS ke<strong>in</strong>e SSV.<br />

Der Zusammenhang <strong>der</strong> Variablen „Aggressivität” <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL und „SSV (Erzieher)”<br />

im DIPS ist signifikant (t = 0.52, p < 0.01).<br />

15 K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche haben nach <strong>der</strong> Erzieherversion <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und zeigen e<strong>in</strong>en grenzwertigen o<strong>der</strong> auffälligen T-<br />

Wert bei <strong>der</strong> „Externalen <strong>Störung</strong>”.<br />

Drei K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben im Interview <strong>der</strong> Erzieher die Kriterien für e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> erfüllt, haben jedoch e<strong>in</strong>en unauffälligen externalen T-Wert.<br />

Acht K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben laut K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS ke<strong>in</strong>e SSV, zeigen aber e<strong>in</strong>en auffälligen o<strong>der</strong><br />

grenzwertigen T-Wert bei <strong>der</strong> „Externalen <strong>Störung</strong>”.<br />

Der Zusammenhang <strong>der</strong> Variablen „T-Wert <strong>der</strong> Externalisierenden <strong>Störung</strong>” <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

CBCL und „SSV (Erzieher)” im DIPS ist signifikant (t = 0.52, p < 0.01).<br />

Der Zusammenhang <strong>der</strong> Variablen „SSV (Erzieher)” und „T-Wert <strong>der</strong><br />

Internalisierenden <strong>Störung</strong>” ist nicht signifikant (t = 0.08, n.s.).<br />

Der Zusammenhang <strong>der</strong> Variablen „SSV (Erzieher)” und dem „Gesamt T-Wert” ist<br />

signifikant (t= 0.46, p < 0.01).<br />

XI.3.3.3. Zusammenfassung <strong>des</strong> Zusammenhangs zwischen SSV im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-<br />

DIPS und CBCL <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tabelle<br />

Tabelle 7<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS<br />

und den Skalen <strong>der</strong> CBCL<br />

Skalen <strong>der</strong> CBCL<br />

-Dissozialität<br />

-Aggressivität<br />

-Externalisierende <strong>Störung</strong><br />

-Internalisierende <strong>Störung</strong><br />

-Gesamt T-Wert<br />

SSV akut<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

t = 0.29, p < 0.05<br />

t = 0.39, p < 0.01<br />

t = 0.38, p < 0.01<br />

t = 0.02, n.s.<br />

t = 0.24, p< 0.05<br />

SSV akut<br />

(Erzieher)<br />

t = 0.46, p < 0.01<br />

t = 0.52, p < 0.01<br />

t = 0.52, p < 0.01<br />

t = 0.08, n.s.<br />

t = 0.46, p < 0.01


64<br />

XI.3.3.4. Multivariater Hotell<strong>in</strong>g T 2 -Test zur Überprüfung e<strong>in</strong>es Unterschieds<br />

zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong> und ohne nach dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>-<br />

DIPS bezüglich <strong>der</strong> „<strong>in</strong>ternalen” und „externalen” <strong>Störung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL<br />

Um zu prüfen, ob sich K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS<br />

von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ohne e<strong>in</strong>e solche <strong>Störung</strong> bezüglich <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternalisierenden o<strong>der</strong><br />

externalisierenden <strong>Störung</strong> unterscheiden (wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> CBCL erhoben werden),<br />

wurde <strong>der</strong> multivariate Hotell<strong>in</strong>g T 2 -Test durchgeführt. <strong>Die</strong> unabhängigen Variablen<br />

s<strong>in</strong>d die Diagnosen „akute <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>” <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehere<strong>in</strong>schätzung. Abhängige Variablen s<strong>in</strong>d die T-Werte <strong>der</strong><br />

„externalen <strong>Störung</strong>” und die T-Werte <strong>der</strong> „<strong>in</strong>ternalen <strong>Störung</strong>”.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Diagnosen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ergibt sich, daß sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> signifikant von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ohne e<strong>in</strong>e dissoziale<br />

<strong>Störung</strong> unterscheiden (T 2 = 0.25, F = 5.85, df (Hypothese) = 2, df (Fehler) = 47,<br />

p < 0.01). <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> unterscheiden sich <strong>in</strong><br />

Bezug auf die „externale <strong>Störung</strong>” von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ohne e<strong>in</strong>e solche <strong>Störung</strong> (F =<br />

10.25, df = 1, p < 0.01). Sie unterscheiden sich nicht <strong>in</strong> Bezug auf die „<strong>in</strong>ternale<br />

<strong>Störung</strong>” (F = 0.05, df =1, n.s.).<br />

Bezogen auf die Diagnosen <strong>der</strong> Erzieher zeigt sich ebenfalls e<strong>in</strong> Unterschied<br />

zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ohne e<strong>in</strong>e<br />

solche <strong>Störung</strong><br />

(T 2 = 0.62, F = 14.46, df (Hypothese) = 2, df (Fehler) = 47, p< 0.01). <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> unterscheiden sich <strong>in</strong> Bezug auf die „externale<br />

<strong>Störung</strong>” von den K<strong>in</strong><strong>der</strong> ohne e<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong> (F = 28.76, df = 1, p < 0.01).<br />

Sie unterscheiden sich nicht <strong>in</strong> Bezug auf die „<strong>in</strong>ternale <strong>Störung</strong>” (F = 0.75, df = 1,<br />

n.s.).<br />

Es besteht ke<strong>in</strong> Interaktionseffekt zwischen den Diagnosen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und den<br />

Diagnosen <strong>der</strong> Erzieher (T 2 = 0.001, F = 0.02, df (Hypothese) = 2, df (Fehler) = 47,<br />

n.s.), we<strong>der</strong> <strong>in</strong> Bezug auf die „externale <strong>Störung</strong>” (F = 0.001, df = 1, n.s.) noch <strong>in</strong><br />

Bezug auf die „<strong>in</strong>ternale <strong>Störung</strong>” (F = 0.044, df = 1, n.s.).


65<br />

Tabelle 8<br />

Mittelwerte und Standardabweichung <strong>der</strong> T-Werte „externale” und „<strong>in</strong>ternale”<br />

<strong>Störung</strong> bei den unabhängigen Variablen „SSV akut” <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Erziehere<strong>in</strong>schätzung<br />

SSV akut SSV akut<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Erzieher<br />

(UV) (UV)<br />

T-Wert ke<strong>in</strong>e ke<strong>in</strong>e<br />

Externalisierend SSV-E<br />

akut<br />

(AV) Gesamt<br />

SSV-K akut ke<strong>in</strong>e<br />

SSV-E<br />

akut<br />

Gesamt<br />

Gesamt ke<strong>in</strong>e<br />

T-Wert ke<strong>in</strong>e ke<strong>in</strong>e<br />

Internalisierend SSV-E<br />

akut<br />

(AV) Gesamt<br />

SSV-K akut ke<strong>in</strong>e<br />

SSV-E<br />

akut<br />

Gesamt<br />

Gesamt ke<strong>in</strong>e<br />

Mittelwert Standardabweichung<br />

N<br />

50,091<br />

62,875<br />

53,500<br />

57,750<br />

70,400<br />

63,500<br />

52,794<br />

67,056<br />

57,731<br />

55,864<br />

58,750<br />

56,633<br />

55,833<br />

57,600<br />

56,636<br />

55,853<br />

58,111<br />

56,635<br />

7,934<br />

7,827<br />

9,666<br />

9,478<br />

5,892<br />

10,173<br />

9,154<br />

7,643<br />

10,983<br />

8,736<br />

11,184<br />

9.335<br />

9,252<br />

7,336<br />

8,290<br />

8,781<br />

8,963<br />

8,823<br />

Der Hotell<strong>in</strong>g T 2 -Test wird ebenfalls mit den unabhängigen Variablen „frühere<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>” <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung und <strong>der</strong><br />

Erziehere<strong>in</strong>schätzung durchgeführt. Abhängige Variablen s<strong>in</strong>d wie<strong>der</strong> die T-Werte<br />

<strong>der</strong> „<strong>in</strong>ternalen <strong>Störung</strong>” und die <strong>der</strong> „externalen <strong>Störung</strong>”.<br />

Bezogen auf die früheren Diagnosen <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung zeigt sich, daß sich<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er früheren <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

unterscheiden, die ke<strong>in</strong>e solche <strong>Störung</strong> zeigten (T 2 = 0.138, F = 3.24, df<br />

(Hypothese) = 2, df (Fehler) = 47,<br />

p


66<br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ohne e<strong>in</strong>e frühere <strong>Störung</strong> (T 2 = 0.44, F = 10.35, df<br />

(Hypothese) = 2,<br />

df (Fehler) = 47, p < 0.01). <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er früheren dissozialen <strong>Störung</strong><br />

unterscheiden sich <strong>in</strong> Bezug auf die „externale <strong>Störung</strong>” von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ohne e<strong>in</strong>e<br />

frühere <strong>Störung</strong><br />

(F = 18.61, df = 1, p < 0.01). Sie unterscheiden sich nicht <strong>in</strong> Bezug auf die „<strong>in</strong>ternale<br />

<strong>Störung</strong>” (F = 0.0, df = 1, n.s.).<br />

Es besteht ke<strong>in</strong> Interaktionseffekt zwischen den früheren Diagnosen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

den früheren Diagnosen <strong>der</strong> Erzieher (T 2 = 0.002, F = 0.057, df (Hypothese) = 2,<br />

df (Fehler) = 47, n.s.), we<strong>der</strong> <strong>in</strong> Bezug auf die „externale <strong>Störung</strong>” (F = 0.025, df = 1,<br />

n.s.) noch <strong>in</strong> Bezug auf die „<strong>in</strong>ternale <strong>Störung</strong>” (F = 0.114, df = 1, n.s.).<br />

Tabelle 9<br />

Mittelwerte und Standardabweichung <strong>der</strong> T-Werte „<strong>in</strong>ternale” und „externale”<br />

<strong>Störung</strong> bei den unabhängigen Variablen „frühere <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>” <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erzieher- und <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung<br />

SSV Erzieher SSV<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

früher früher<br />

T-Wert ke<strong>in</strong>e ke<strong>in</strong>e<br />

Externalisierend SSV-K<br />

früher<br />

(AV) Gesamt<br />

SSV-E früher ke<strong>in</strong>e<br />

SSV-K<br />

früher<br />

Gesamt<br />

Gesamt ke<strong>in</strong>e<br />

T-Wert ke<strong>in</strong>e ke<strong>in</strong>e<br />

Internalisierend SSV-K<br />

früher<br />

(AV) Gesamt<br />

SSV-E früher ke<strong>in</strong>e<br />

SSV-K<br />

früher<br />

Gesamt<br />

Gesamt ke<strong>in</strong>e<br />

Mittelwert Standardabweichung<br />

N<br />

48,308<br />

54,222<br />

50,727<br />

58,833<br />

65,556<br />

62,867<br />

53,360<br />

61,778<br />

57,731<br />

56,615<br />

56,444<br />

56,545<br />

55,750<br />

57,333<br />

56,700<br />

56,200<br />

57,037<br />

56,635<br />

7,510<br />

9,833<br />

8,827<br />

8,516<br />

9,463<br />

9,551<br />

9,499<br />

10,860<br />

10,983<br />

9,921<br />

8,762<br />

9,247<br />

9,593<br />

8,203<br />

8,659<br />

9,570<br />

8,234<br />

8,823<br />

XI.3.4. Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS angegebenen Symptome <strong>der</strong><br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

13<br />

9<br />

22<br />

12<br />

18<br />

30<br />

25<br />

27<br />

52<br />

13<br />

9<br />

22<br />

12<br />

18<br />

30<br />

25<br />

27<br />

52


67<br />

Tabelle 10<br />

E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Symptomhäufigkeit durch die Erzieher<br />

Symptome nie/<br />

-heftige Wutausbrüche<br />

-häufiger Streit mit Erwachsenen<br />

-Wi<strong>der</strong>stand gegen die<br />

Anweisungen Erwachsener<br />

-absichtliches Verärgern an<strong>der</strong>er<br />

-verantwortlich machen an<strong>der</strong>er<br />

für eigene Fehler<br />

-Empf<strong>in</strong>dlichkeit o<strong>der</strong><br />

Sichbelästigt- fühlen durch<br />

an<strong>der</strong>e<br />

-häufiger Ärger o<strong>der</strong> Groll<br />

-häufige Gehässigkeit o<strong>der</strong><br />

Rachsucht<br />

-häufiges Tyrannisieren an<strong>der</strong>er<br />

-häufiges Beg<strong>in</strong>nen von<br />

körperlichen Kämpfen<br />

-Gebrauch von gefährlichen<br />

Waffen<br />

-körperliche Grausamkeit gegenüber<br />

an<strong>der</strong>en Menschen<br />

-Tierquälerei<br />

-krim<strong>in</strong>elle Handlungen, bei denen<br />

das Opfer direkt betroffen ist<br />

-Zw<strong>in</strong>gen an<strong>der</strong>er zu sex.<br />

Aktivitäten<br />

-absichtliches Feuerlegen<br />

-absichtliche Destruktivität gegenüber<br />

dem Eigentum an<strong>der</strong>er<br />

-E<strong>in</strong>bruch <strong>in</strong> Häuser o<strong>der</strong> Autos<br />

-Lügen o<strong>der</strong> Brechen v.<br />

Versprechen<br />

-<strong>Die</strong>bstahl von Wertgegenständen<br />

selten<br />

25<br />

17<br />

17<br />

25<br />

16<br />

21<br />

22<br />

41<br />

34<br />

42<br />

51<br />

39<br />

40<br />

49<br />

48<br />

44<br />

39<br />

51<br />

17<br />

39<br />

41<br />

47<br />

46<br />

manch-<br />

mal<br />

25<br />

26<br />

26<br />

20<br />

17<br />

19<br />

20<br />

11<br />

13<br />

9<br />

0<br />

12<br />

9<br />

2<br />

4<br />

6<br />

12<br />

0<br />

22<br />

11<br />

8<br />

3<br />

3<br />

oft sehr<br />

2<br />

9<br />

8<br />

6<br />

13<br />

8<br />

9<br />

0<br />

4<br />

1<br />

0<br />

1<br />

3<br />

1<br />

0<br />

2<br />

1<br />

1<br />

10<br />

2<br />

2<br />

2<br />

3<br />

oft<br />

0<br />

0<br />

1<br />

1<br />

6<br />

4<br />

1<br />

0<br />

1<br />

0<br />

1<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

3<br />

0<br />

1<br />

0<br />

0<br />

gesamt<br />

SSV<br />

*1<br />

2<br />

9<br />

9<br />

7<br />

19<br />

12<br />

10<br />

0<br />

5<br />

1<br />

1<br />

1<br />

3<br />

1<br />

0<br />

2<br />

1<br />

1<br />

13<br />

2<br />

Zur Diagnose e<strong>in</strong>er SSV nach ICD-10 tragen nur Symptome bei, die oft o<strong>der</strong> sehr oft auftreten.<br />

*1 Gesamtzahl <strong>der</strong> Symptome, die zur Diagnose SSV beitragen<br />

*2 Gesamtzahl aller genannten Symptomhäufigkeiten.<br />

*3 Rangreihe <strong>der</strong> Symptome, die zu e<strong>in</strong>er Diagnose SSV beitragen<br />

*4 Rangreihe aller genannten Symptome<br />

3<br />

2<br />

3<br />

gesamt<br />

alle<br />

*2<br />

27<br />

26<br />

35<br />

27<br />

36<br />

31<br />

30<br />

11<br />

18<br />

10<br />

1<br />

12<br />

12<br />

3<br />

4<br />

8<br />

13<br />

1<br />

35<br />

13<br />

11<br />

5<br />

6<br />

Rang-<br />

reihe<br />

SSV *3<br />

11.<br />

6.<br />

5.<br />

7.<br />

1.<br />

3.<br />

4.<br />

-<br />

8.<br />

16.<br />

18.<br />

15.<br />

9.<br />

17.<br />

-<br />

13.<br />

15.<br />

18.<br />

2.<br />

12.<br />

10.<br />

14.<br />

11.<br />

Rang-<br />

reihe<br />

alle *4<br />

7.<br />

8.<br />

3.<br />

6.<br />

1.<br />

4.<br />

5.<br />

14.<br />

9.<br />

15.<br />

21.<br />

11.<br />

12.<br />

20.<br />

19.<br />

16.<br />

11.<br />

21.<br />

2.<br />

10.<br />

13.<br />

18.<br />

17.


68<br />

Tabelle 11<br />

E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Symptomhäufigkeit durch die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Symptome nie /<br />

selten<br />

-heftige Wutausbrüche<br />

-häufiger Streit mit Erwachsenen<br />

-Wi<strong>der</strong>stand<br />

Anweisungen<br />

Erwachsener<br />

gegen die<br />

-absichtliches Verärgern an<strong>der</strong>er<br />

-verantwortlich machen an<strong>der</strong>er für<br />

eigene Fehler<br />

-Empf<strong>in</strong>dlichkeit<br />

Sichbelästigtfühlen<br />

durch an<strong>der</strong>e<br />

-häufiger Ärger o<strong>der</strong> Groll<br />

o<strong>der</strong><br />

-häufige<br />

Rachsucht<br />

Gehässigkeit o<strong>der</strong><br />

-häufiges Tyrannisieren an<strong>der</strong>er<br />

-häufiges Beg<strong>in</strong>nen von<br />

körperlichen Kämpfen<br />

-Gebrauch<br />

Waffen<br />

von gefährlichen<br />

-körperliche<br />

gegenüber<br />

Grausamkeit<br />

an<strong>der</strong>en Menschen<br />

-Tierquälerei<br />

-krim<strong>in</strong>elle Handlungen, bei denen<br />

das Opfer direkt betroffen ist<br />

-Zw<strong>in</strong>gen<br />

Aktivitäten<br />

an<strong>der</strong>er zu sex.<br />

-absichtliches Feuerlegen<br />

-absichtliche Destruktivität gegenüber<br />

dem Eigentum an<strong>der</strong>er<br />

-E<strong>in</strong>bruch <strong>in</strong> Häuser o<strong>der</strong> Autos<br />

-Lügen o<strong>der</strong> Brechen v.<br />

Versprechen<br />

-<strong>Die</strong>bstahl von Gegenständen<br />

25<br />

22<br />

17<br />

31<br />

17<br />

16<br />

18<br />

24<br />

42<br />

39<br />

48<br />

41<br />

42<br />

50<br />

50<br />

39<br />

39<br />

50<br />

15<br />

41<br />

38<br />

46<br />

45<br />

manch<br />

-<br />

mal<br />

15<br />

19<br />

26<br />

11<br />

19<br />

13<br />

16<br />

20<br />

9<br />

8<br />

3<br />

9<br />

6<br />

2<br />

2<br />

11<br />

10<br />

2<br />

29<br />

10<br />

7<br />

2<br />

4<br />

oft<br />

6<br />

7<br />

5<br />

6<br />

9<br />

12<br />

13<br />

5<br />

-<br />

2<br />

1<br />

2<br />

4<br />

-<br />

-<br />

2<br />

2<br />

-<br />

5<br />

1<br />

4<br />

3<br />

3<br />

sehr<br />

oft<br />

6<br />

4<br />

4<br />

4<br />

7<br />

11<br />

5<br />

3<br />

1<br />

3<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

1<br />

-<br />

3<br />

-<br />

3<br />

1<br />

-<br />

gesamt<br />

SSV<br />

*1<br />

12<br />

11<br />

9<br />

10<br />

16<br />

Zur Diagnose e<strong>in</strong>er SSV nach ICD-10 tragen nur Symptome bei, die oft o<strong>der</strong> sehr oft auftreten.<br />

*1 Gesamtzahl <strong>der</strong> Symptome, die zu e<strong>in</strong>er Diagnose SSV beitragen<br />

*2 Gesamtzahl aller genannten Symptomhäufigkeiten<br />

*3 Rangreihe <strong>der</strong> Symptome, die zu e<strong>in</strong>er Diagnose beitragen<br />

*4 Rangreihe aller Symptomhäufigkeiten<br />

23<br />

18<br />

8<br />

1<br />

5<br />

1<br />

2<br />

4<br />

-<br />

-<br />

2<br />

3<br />

-<br />

8<br />

1<br />

7<br />

4<br />

3<br />

gesamt<br />

alle<br />

*2<br />

27<br />

30<br />

35<br />

21<br />

35<br />

36<br />

34<br />

28<br />

10<br />

13<br />

4<br />

11<br />

10<br />

2<br />

2<br />

13<br />

13<br />

2<br />

37<br />

11<br />

14<br />

6<br />

7<br />

Rang-<br />

reihe<br />

SSV *3<br />

4.<br />

5.<br />

7.<br />

6.<br />

3.<br />

1.<br />

2.<br />

9.<br />

18.<br />

11.<br />

19.<br />

16.<br />

12.<br />

-<br />

-<br />

15.<br />

13.<br />

-<br />

8.<br />

17.<br />

10.<br />

13.<br />

14.<br />

Rang-<br />

reihe<br />

allle *4<br />

8.<br />

6.<br />

3.<br />

9.<br />

4.<br />

2.<br />

5.<br />

7.<br />

17.<br />

11.<br />

20.<br />

14.<br />

16.<br />

20.<br />

20.<br />

13.<br />

12.<br />

20.<br />

1.<br />

15.<br />

10.<br />

19.<br />

18.


69<br />

Das Symptom „Verantwortlich machen für eigene Fehler” wird von den Erziehern <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Rangreihe <strong>der</strong> Symptome, die zu e<strong>in</strong>er Diagnose beitragen, weil sie m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens<br />

oft auftreten, am häufigsten angegeben, gefolgt von „Lügen o<strong>der</strong> Brechen von<br />

Versprechen” und „Empf<strong>in</strong>dlichkeit o<strong>der</strong> Sichbelästigtfühlen durch an<strong>der</strong>e”.<br />

Bei den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rangreihe <strong>der</strong> Symptome, die zu e<strong>in</strong>er Diagnose<br />

beitragen, das Symptom „Empf<strong>in</strong>dlichkeit o<strong>der</strong> Sichbelästigtfühlen durch an<strong>der</strong>e” am<br />

häufigsten genannt. An zweiter Stelle folgt „häufiger Ärger o<strong>der</strong> Groll” und an dritter<br />

Stelle „Verantwortlich machen an<strong>der</strong>er für eigene Fehler”.<br />

XI.4. Komorbidität <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> mit an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n<br />

<strong>Die</strong> zweite Frage beschäftigt sich damit, welche an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

signifikantem Zusammenhang stehen mit dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>. <strong>Die</strong>ses Kapitel zeigt die Ergebnisse dieser Fragestellung.<br />

Tabelle 12<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> nach <strong>der</strong><br />

Erzieherversion <strong>des</strong> DIPS und an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n nach <strong>der</strong><br />

Erzieherversion <strong>des</strong> DIPS<br />

<strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erzieherversion SSV akut<br />

(Erzieher)<br />

-Aufmerksamkeits- und C = 0.27 p < 0.05<br />

Hyperaktivitätsstörung<br />

C = 0.14 n.s.<br />

-Enuresis / Enkopresis<br />

C = 0.28 n.s.<br />

-Depression<br />

--<br />

-Dysthymes Syndrom*<br />

--<br />

-Emotionale <strong>Störung</strong> mit Trennungsangst* --<br />

-Paniksyndrom*<br />

C = 0.19 n.s.<br />

-Agoraphobie<br />

C = 0.03 n.s.<br />

-spezifische Phobie<br />

C = 0.09 n.s.<br />

-Sozialphobie<br />

--<br />

-Zwangssyndrom*<br />

--<br />

-generalisiertes Angstsyndrom*<br />

C = 0.27 n.s.<br />

-posttraumatische Belastungsstörung<br />

--<br />

-Anorexia nervosa*<br />

--<br />

-Bulimia nervosa*<br />

-Alkohol- und Drogenmißbrauch<br />

C = 0.09 n.s.<br />

SSV früher<br />

(Erzieher)<br />

C = 0.17 n.s.<br />

C = 0.24 n.s.<br />

C = 0.23 n.s.<br />

--<br />

--<br />

--<br />

C = 0.12 n.s.<br />

C = 0.17 n.s.<br />

C = 0.18 n.s.<br />

--<br />

--<br />

C = 0.17 n.s.<br />

--<br />

--<br />

C = 0.24 n.s.<br />

* Für diese <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> kann ke<strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>genzkoeffizient berechnet werden, da<br />

nicht <strong>in</strong> allen Zellen Werte vorhanden s<strong>in</strong>d.


70<br />

Es besteht lediglich e<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen e<strong>in</strong>er akuten <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (Erzieher) und <strong>der</strong> Aufmerksamkeits- und<br />

Hyperaktivitätsstörung nach den Erzieherangaben (C = 0.27, p < 0.05). Bestehende<br />

Zusammenhänge zu an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n nach Erzieherangaben und e<strong>in</strong>er<br />

akuten o<strong>der</strong> früheren <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehere<strong>in</strong>schätzung<br />

s<strong>in</strong>d nicht signifikant.<br />

Tabelle 13<br />

Zusammenhang zwischen SSV akut und früher nach <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>version <strong>des</strong><br />

DIPS und an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n nach <strong>der</strong> Erzieherversion <strong>des</strong> DIPS<br />

<strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erzieherversion SSV akut<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

-Aufmerksamkeits- und C = 0.17 n.s.<br />

Hyperaktivitätsstörung<br />

C = 0.29 n.s.<br />

-Enuresis / Enkopresis<br />

C = 0.28 n.s.<br />

-Depression<br />

--<br />

-Dysthymes Syndrom*<br />

--<br />

-Emotionale <strong>Störung</strong> mit Trennungsangst* --<br />

-Paniksyndrom*<br />

C = 0.16 n.s.<br />

-Agoraphobie<br />

C = 0.07 n.s.<br />

-Spezifische Phobie<br />

C = 0.10 n.s.<br />

-Sozialphobie<br />

--<br />

-Zwangssyndrom*<br />

--<br />

-Generalisiertes Angstsyndrom*<br />

C = 0.23 n.s.<br />

-Posttraumatische Belastungsstörung<br />

--<br />

-Anorexia nervosa*<br />

--<br />

-Bulimia nervosa*<br />

C = 0.32 p =<br />

-Alkohol- und Drogenmißbrauch<br />

0.05<br />

SSV früher<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

C = 0.20 n.s.<br />

C = 0.20 n.s.<br />

C = 0.23 n.s.<br />

--<br />

--<br />

--<br />

C = 0.13 n.s.<br />

C = 0.02 n.s.<br />

C = 0.15 n.s.<br />

--<br />

--<br />

C = 0.19 n.s.<br />

--<br />

--<br />

C = 0.27 n.s.<br />

* Für diese <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> kann ke<strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>genzkoeffizient berechnet werden, da<br />

nicht <strong>in</strong> allen Zellen Werte vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />

Es besteht e<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen dem akuten Auftreten e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> (K<strong>in</strong><strong>der</strong>version) und Alkohol- und Drogenmißbrauch<br />

nach Angaben <strong>der</strong> Erzieher (C = 0.32, p = 0.05). Bestehende Zusammenhänge zu<br />

an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n nach Erzieherangaben und e<strong>in</strong>er akuten o<strong>der</strong> früheren<br />

dissozialen <strong>Störung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung s<strong>in</strong>d nicht signifikant.


71<br />

Tabelle 14<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> nach <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>version <strong>des</strong> DIPS und an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n nach <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>version<br />

<strong>des</strong> DIPS<br />

<strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>version SSV akut SSV früher<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>) (K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

-Aufmerksamkeits- und C = 0.32 p < C = 0.13 n.s.<br />

Hyperaktivitätsstörung<br />

0.05<br />

C = 0.14 n.s.<br />

-Enuresis / Enkopresis<br />

C = 0.28 n.s. C = 0.19 n.s.<br />

-Depression<br />

C = 0.20 n.s. --<br />

-Dysthymes Syndrom*<br />

--<br />

C = 0.19 n.s.<br />

-Emotionale <strong>Störung</strong> mit Trennungsangst C = 0.23 n.s. C = 0.13 n.s.<br />

-Paniksyndrom<br />

C = 0.12 n.s. C = 0.13 n.s.<br />

-Agoraphobie<br />

C = 0.16 n.s. C = 0.15 n.s.<br />

-Spezifische Phobie<br />

C = 0.18 n.s. C = 0.01 n.s.<br />

-Sozialphobie<br />

C = 0.03 n.s. --<br />

-Zwangssyndrom*<br />

--<br />

--<br />

-Generalisiertes Angstsyndrom*<br />

--<br />

C = 0.01 n.s.<br />

-Posttraumatische Belastungsstörung C = 0.03 n.s. --<br />

-Anorexia nervosa*<br />

--<br />

--<br />

-Bulimia nervosa*<br />

--<br />

C = 0.26 n.s.<br />

-Alkohol- und Drogenmißbrauch<br />

C = 0.29 n.s.<br />

* Für diese <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> kann ke<strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>genzkoeffizient berechnet werden, da<br />

nicht <strong>in</strong> allen Zellen Werte vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />

Es besteht e<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen e<strong>in</strong>er akuten <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> (K<strong>in</strong><strong>der</strong>version) und dem Auftreten e<strong>in</strong>er Aufmerksamkeits- und<br />

Hyperaktivitätsstörung nach den Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> (C = 0.32, p < 0.05).<br />

Zusammenhänge zu an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n nach den K<strong>in</strong><strong>der</strong>angaben und e<strong>in</strong>er<br />

akuten o<strong>der</strong> früheren <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>schätzung s<strong>in</strong>d<br />

nicht signifikant.


72<br />

Tabelle 15<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> nach <strong>der</strong><br />

Erzieherversion <strong>des</strong> DIPS und an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n nach <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>version <strong>des</strong> DIPS<br />

<strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>version SSV akut<br />

(Erzieher)<br />

-Aufmerksamkeits- und C = 0.09 n.s.<br />

Hyperaktivitätsstörung<br />

C = 0.30 n.s.<br />

-Enuresis / Enkopresis<br />

C = 0.21 n.s.<br />

-Depression<br />

--<br />

-Dysthymes Syndrom*<br />

C = 0.14 n.s.<br />

-Emotionale <strong>Störung</strong> mit Trennungsangst C = 0.19 n.s.<br />

-Paniksyndrom<br />

C = 0.19 n.s.<br />

-Agoraphobie<br />

C = 0.19 n.s.<br />

-Spezifische Phobie<br />

C = 0.14 n.s.<br />

-Sozialphobie<br />

--<br />

-Generalisiertes Angstsyndrom*<br />

--<br />

-Zwangssyndrom*<br />

C = 0.14 n.s.<br />

-Posttraumatische Belastungsstörung<br />

--<br />

-Anorexia nervosa*<br />

--<br />

-Bulimia nervosa*<br />

-Alkohol- und Drogenmißbrauch<br />

C = 0.20 n.s.<br />

SSV früher<br />

(Erzieher)<br />

C = 0.10 n.s.<br />

C = 0.28 n.s.<br />

C = 0.20 n.s.<br />

--<br />

C = 0.03 n.s.<br />

C = 0.12 n.s.<br />

C = 0.12 n.s.<br />

C = 0.09 n.s.<br />

C = 0.23 n.s.<br />

--<br />

--<br />

C = 0.23 n.s.<br />

--<br />

--<br />

C = 0.23 n.s.<br />

* Für diese <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> kann ke<strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>genzkoeffizient berechnet werden, da<br />

nicht <strong>in</strong> allen Zellen Werte vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />

Es besteht ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> nach Erzieherangaben und an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n, die nach<br />

Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> diagnostiziert wurden.


73<br />

XI.5. Zusammenhang zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> und dem Auftreten bestimmter Risikofaktoren<br />

<strong>Die</strong> dritte Fragestellung beschäftigt sich mit dem Zusammenhang <strong>der</strong> Risikofaktoren<br />

Alkoholismus <strong>der</strong> Eltern, Familienstand und soziale Schicht <strong>der</strong> Eltern und <strong>der</strong><br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>. <strong>Die</strong> Hypothese hierzu lautet, K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> unterscheiden sich h<strong>in</strong>sichtlich dieser Risikofaktoren von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die ke<strong>in</strong>e solche <strong>Störung</strong> aufweisen. In diesem Kapitel werden die<br />

Ergebnisse dargestellt.<br />

Tabelle 16<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> nach Angaben<br />

<strong>der</strong> Erzieher und den Risikofaktoren Alkoholismus, soziale Schicht und<br />

Familienstand <strong>der</strong> Eltern<br />

Risikofaktoren<br />

-Alkoholismus <strong>der</strong> Eltern<br />

-Familienstand <strong>der</strong> Eltern<br />

-soziale Schicht <strong>der</strong> Eltern<br />

SSV akut<br />

(Erzieher)<br />

C = 0.26 n.s.<br />

C = 0.02 n.s.<br />

C = 0.17 n.s.<br />

SSV früher<br />

(Erzieher)<br />

C = 0.30 n.s.<br />

C = 0.09 n.s.<br />

C = 0.07 n.s.<br />

Es besteht ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> nach den Angaben <strong>der</strong> Erzieher und den Risikofaktoren<br />

Alkoholismus <strong>der</strong> Eltern, Familienstand und soziale Schicht <strong>der</strong> Eltern.


74<br />

Tabelle 17<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> nach Angaben<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und den Risikofaktoren Alkoholismus, Familienstand und soziale<br />

Schicht <strong>der</strong> Eltern<br />

Risikofaktoren<br />

-Alkoholismus <strong>der</strong> Eltern<br />

-Familienstand <strong>der</strong> Eltern<br />

-soziale Schicht <strong>der</strong> Eltern<br />

SSV akut<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

C = 0.12 n.s.<br />

C = 0.22 n.s.<br />

C = 0.22 n.s.<br />

SSV früher<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

C = 0.24 n.s.<br />

C = 0.22 n.s.<br />

C = 0.11 n.s.<br />

Es besteht ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> nach den Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und den Risikofaktoren<br />

Alkoholismus <strong>der</strong> Eltern, Familienstand und soziale Schicht <strong>der</strong> Eltern.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung, die nach den Erzieherangaben e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> aufweisen, unterscheiden sich h<strong>in</strong>sichtlich <strong>des</strong> Familienstan<strong>des</strong><br />

nicht von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die ke<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong> zeigen (x 2 = 1,59, df = 2, n.s.).<br />

Sie unterscheiden sich ebenfalls nicht h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er Alkoholabhängigkeit <strong>der</strong><br />

Eltern (x 2 = 3,82, df = 3, n.s.) und <strong>der</strong> sozialen Schicht (x 2 = 0,03, df = 1, n.s.).<br />

Wurde die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> nach den Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

diagnostiziert, ließ sich ebenfalls ke<strong>in</strong> Unterschied f<strong>in</strong>den bezüglich <strong>des</strong><br />

Familienstan<strong>des</strong> <strong>der</strong> Eltern<br />

(x 2 = 0,74, df = 2, n.s.), bezogen auf e<strong>in</strong>e Alkoholkrankheit <strong>der</strong> Eltern (x 2 = 0,59, df =<br />

3, n.s.) o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Bezug auf die soziale Schicht <strong>der</strong> Eltern (x 2 = 2,72, df = 1, n.s.)<br />

zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>er solchen <strong>Störung</strong> und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ohne e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>.<br />

XII. Diskussion<br />

<strong>Die</strong> dargestellten Ergebnisse zeigen, daß die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> dieser<br />

E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe das <strong>Störung</strong>sbild ist, welches am häufigsten<br />

auftritt. Es wurde <strong>in</strong> 57,6% <strong>der</strong> Fälle e<strong>in</strong>e akute <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

diagnostiziert. In dieser Prozentangabe s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs auch die Diagnosen<br />

enthalten, die entwe<strong>der</strong> nur durch die Angaben <strong>der</strong> Erzieher o<strong>der</strong> nur durch die <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> gestellt wurden. Immerh<strong>in</strong> wurde aber <strong>in</strong> 19,2% <strong>der</strong> Fälle die <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen <strong>der</strong> Selbst- und Fremdwahrnehmung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> diagnostiziert. Zu e<strong>in</strong>em früheren Zeitpunkt wurde <strong>in</strong> 39 Fällen (75%) e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> angegeben, davon 18 Fälle (34,6%) <strong>in</strong><br />

Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Erziehern. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> geben sowohl bei<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> akuten <strong>Störung</strong> als auch bei <strong>der</strong> früheren <strong>Störung</strong> mehr Fälle


75<br />

an als die Erzieher. Es könnte se<strong>in</strong>, daß die K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich <strong>des</strong>halb schlechter<br />

e<strong>in</strong>schätzen, weil sie sich „erklären” müssen warum sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Heime<strong>in</strong>richtung<br />

s<strong>in</strong>d. Sowohl die K<strong>in</strong><strong>der</strong> als auch die Erzieher geben früher mehr Fälle an, <strong>in</strong> denen<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> aufgetreten ist. Das deutet darauf h<strong>in</strong>, daß beide<br />

Seiten von e<strong>in</strong>er Besserung durch den Aufenthalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung ausgehen.<br />

<strong>Die</strong> Tatsache, daß die Wahrnehmung bezüglich <strong>des</strong> dissozialen Verhaltens häufig<br />

nicht übere<strong>in</strong>stimmt, f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Untersuchung von Offord et al. (1991).<br />

Bei den vier- bis elfjährigen Jungen dieser Studie wird nur <strong>in</strong> drei von 46 Fällen, die<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> von den Eltern und den Lehrern übere<strong>in</strong>stimmend<br />

identifiziert, bei den Mädchen <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall. In <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> zwölf- bis<br />

sechzehnjährigen <strong>der</strong> Untersuchung von Offord et al. (1991) wurden 80% <strong>der</strong><br />

Jungen und 90% <strong>der</strong> Mädchen nur von e<strong>in</strong>er Seite identifiziert. In <strong>der</strong><br />

Untersuchung von White, Moffitt, Earls, Rob<strong>in</strong>s & Silva (1990) h<strong>in</strong>gegen wird über<br />

e<strong>in</strong>e gute Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen <strong>der</strong> Selbst- und Fremdbeurteilung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

berichtet, obwohl nicht nur K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Eltern, son<strong>der</strong>n auch noch Lehrer befragt<br />

wurden.<br />

<strong>Die</strong> unterschiedliche E<strong>in</strong>schätzung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremdbeurteilung gegenüber <strong>der</strong><br />

Selbstbeurteilung f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> dieser Arbeit nicht nur bei <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>, son<strong>der</strong>n auch bei an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n wie <strong>der</strong><br />

Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung, <strong>der</strong> emotionalen <strong>Störung</strong> mit<br />

Trennungsangst, <strong>der</strong> Panikstörung, <strong>der</strong> Spezifischen Phobie, <strong>der</strong> Sozialphobie und<br />

<strong>der</strong> Posttraumatischen Belastungsstörung.<br />

<strong>Die</strong> Untersuchung von Hebborn-Brass (1991) begegnet diesem Problem, <strong>in</strong>dem <strong>in</strong><br />

ihrer Untersuchung die Diagnosen zunächst unabhängig von e<strong>in</strong>er Diplom-<br />

Psycholog<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendpsychiater gestellt wurden. Im Falle<br />

mangeln<strong>der</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung wurde so lange geme<strong>in</strong>sam über die Diagnose<br />

diskutiert bis man zu e<strong>in</strong>em Konsens gekommen war.<br />

Es fand sich ke<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>, die sich auf den familiären<br />

Rahmen beschränkt hat (F91.0). <strong>Die</strong>ses Ergebnis stimmt mit dem Befund von Blanz<br />

et al. (1990) übere<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> ihrer Querschnittuntersuchung ebenfalls ke<strong>in</strong>e solche<br />

<strong>Störung</strong> fanden.<br />

Bei den akuten Diagnosen kommt die „nicht näher bezeichnete <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong>” (F91.9) am häufigsten vor, gefolgt von <strong>der</strong> Kategorie F91.3 (SSV<br />

mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten) und <strong>der</strong> Gruppe „SSV bei vorhandenen<br />

sozialen B<strong>in</strong>dungen” (F91.2). <strong>Die</strong> Diagnose F91.1 (SSV bei fehlenden sozialen<br />

B<strong>in</strong>dungen) spielte bei den aktuellen Diagnosen e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Bei den<br />

früheren Diagnosen allerd<strong>in</strong>gs kommt sie häufiger vor. <strong>Die</strong> Verteilung, die Blanz et<br />

al. (1990) bezüglich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Unterkategorien f<strong>in</strong>den ist ähnlich. Bei den<br />

jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ihrer Untersuchung kommen die Kategorien „SSV bei<br />

vorhandenen sozialen B<strong>in</strong>dungen” und „SSV bei fehlenden sozialen B<strong>in</strong>dungen”<br />

etwa gleich häufig vor. Sie verlieren mit zunehmendem Alter jedoch immer mehr an<br />

Bedeutung.<br />

E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Grund für das seltene Auftauchen e<strong>in</strong>er „<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

bei fehlenden sozialen B<strong>in</strong>dungen” <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> akuten Diagnose könnte dar<strong>in</strong>


76<br />

liegen, daß sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe<br />

bef<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel mehr o<strong>der</strong> weniger stark e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d.<br />

Generell geht man davon aus, daß e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> bei Jungen<br />

häufiger auftritt als bei Mädchen.<br />

Möller-Nehr<strong>in</strong>g et al. (1998) f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> ihrer Studie an 1076 Patienten e<strong>in</strong>er k<strong>in</strong><strong>der</strong>und<br />

jugendpsychiatrischen E<strong>in</strong>richtung 235 K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die von e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> betroffen s<strong>in</strong>d, davon s<strong>in</strong>d 71,1% Jungen und nur 28,9% Mädchen.<br />

Myschker (1993) berichtet über e<strong>in</strong>e Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> bei 11% aller Jungen und Mädchen unter 18 Jahren, dabei s<strong>in</strong>d<br />

nach se<strong>in</strong>en Angaben 9% <strong>der</strong> Betroffenen Jungen und nur 2% Mädchen. <strong>Die</strong>se<br />

Daten beziehen sich jeweils auf die gesamte untersuchte Stichprobe.<br />

Der Befund, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> dieser Arbeit bezüglich <strong>des</strong> Zusammenhangs zwischen dem<br />

Auftreten e<strong>in</strong>er akuten dissozialen <strong>Störung</strong> und dem Geschlecht zeigt, ist nicht ganz<br />

e<strong>in</strong>deutig. Nach Erzieherangaben weisen 18 K<strong>in</strong><strong>der</strong>, vier Mädchen (7,6%) und 14<br />

Jungen (26,9%), e<strong>in</strong>e akute <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> auf. Den Angaben <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> zufolge s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>sgesamt 22 akute Fälle, vier Mädchen (7,6%) und 18<br />

Jungen (34,6%), mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>. Das heißt, bezogen auf die<br />

Gesamtstichprobe zeigen mehr Jungen als Mädchen e<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong>.<br />

Trotzdem besteht nach den Angaben, die im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS erhoben wurden ke<strong>in</strong><br />

signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> und dem<br />

Geschlecht. Es zeigt sich jedoch e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> „externalen<br />

<strong>Störung</strong>” <strong>in</strong> <strong>der</strong> Child Behavior Checklist und dem Geschlecht.<br />

Hebborn-Brass (1991) f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> ihrer Untersuchung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Heime<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong><br />

ähnliches Ergebnis, wie es sich hier nach den Angaben im K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS darstellt.<br />

Von 268 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zeigen 78 e<strong>in</strong>e dissoziale <strong>Störung</strong>, 55 von <strong>in</strong>sgesamt 202 Jungen<br />

(27%) und 23 von 68 Mädchen (34%). Bezogen auf die Gesamtstichprobe ergibt<br />

sich e<strong>in</strong> Anteil von 20% Jungen und 8,5% Mädchen, die von e<strong>in</strong>er dissozialen<br />

<strong>Störung</strong> betroffen s<strong>in</strong>d.<br />

Auch an<strong>der</strong>e Autoren (Eppright et. al, 1993) f<strong>in</strong>den ke<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen<br />

e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong> und dem Geschlecht. <strong>Die</strong>s bedeutet, <strong>der</strong> häufig <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Literatur berichtete Befund, daß Jungen häufiger e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

aufweisen als Mädchen bedarf e<strong>in</strong>er weiteren Überprüfung.<br />

In <strong>der</strong> Untersuchung zu dieser Arbeit wurde ke<strong>in</strong> Fall e<strong>in</strong>er „schweren” akuten<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> gefunden. <strong>Die</strong>ses Ergebnis könnte dadurch bed<strong>in</strong>gt<br />

se<strong>in</strong>, daß heftige Aggressivität und daraus resultierende mangelnde<br />

Gruppenfähigkeit e<strong>in</strong> Ausschlußkriterium für die Aufnahme <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung ist. Da<br />

die „Schwere” <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> nur für die akute Diagnose <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> festgehalten wurde, besteht aber ebenfalls die Möglichkeit, daß <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igen Fällen früher e<strong>in</strong>e schwere dissoziale <strong>Störung</strong> vorlag, die sich aber<br />

gebessert hat.<br />

Neben e<strong>in</strong>em Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und<br />

Alkohol- und Drogengebrauch, wurde lediglich e<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang


77<br />

gefunden zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und dem<br />

Vorliegen e<strong>in</strong>er Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung. <strong>Die</strong> Literatur berichtet<br />

ebenfalls über e<strong>in</strong> häufiges geme<strong>in</strong>sames Aufteten bei<strong>der</strong> <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> (Döpfner,<br />

1996, Offord et al., 1991, Kolko, 1994).<br />

In <strong>der</strong> Literatur wird aber außerdem über Komorbiditäten zu an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n, wie <strong>der</strong> depressiven <strong>Störung</strong> und den Angststörungen (Kolko,<br />

1994, Craig und Pepler, 1997, Frick, 1998) berichtet. In <strong>der</strong> vorliegenden<br />

Untersuchung zeigte sich ke<strong>in</strong> Unterschied bezüglich e<strong>in</strong>er „<strong>in</strong>ternalen <strong>Störung</strong>”<br />

zwischen den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong> und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ohne e<strong>in</strong>e<br />

entsprechende <strong>Störung</strong>.<br />

Craig und Pepler (1997) gehen davon aus, daß die Hälfte aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen, die e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> aufweisen, ebenfalls die<br />

Kriterien für m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens e<strong>in</strong>e weitere <strong>Störung</strong> erfüllen.<br />

Auch <strong>in</strong> dieser Arbeit gibt es K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, die neben e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> e<strong>in</strong> o<strong>der</strong> mehrere weitere <strong>Störung</strong>en zeigen. Der Zusammenhang<br />

zwischen diesen <strong>Störung</strong>en und <strong>der</strong> dissozialen <strong>Störung</strong> ist jedoch nicht signifikant.<br />

E<strong>in</strong>e mögliche Erklärung für dieses Ergebnis könnte die Größe <strong>der</strong> untersuchten<br />

Stichprobe se<strong>in</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Hypothese, daß sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen mit e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong><br />

bezüglich <strong>der</strong> Risikofaktoren Alkoholabhängigkeit <strong>der</strong> Eltern, Familienstand und<br />

soziale Schichtzugehörigkeit <strong>der</strong> Eltern von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ohne e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> unterscheiden, konnte nicht bestätigt werden.<br />

Verschiedene Autoren beschreiben e<strong>in</strong>e stärkere Gefährdung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen, e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> zu entwickeln, wenn die Eltern<br />

alkohol- und/o<strong>der</strong> drogenabhängig s<strong>in</strong>d (Rob<strong>in</strong>s 1966, Lahey et al., 1995). In dieser<br />

Arbeit fand sich ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen e<strong>in</strong>er<br />

Alkoholabhängigkeit <strong>der</strong> Eltern und <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>. <strong>Die</strong>ses<br />

Ergebnis stimmt übere<strong>in</strong> mit dem von Offord et al. (1991), die ebenfalls ke<strong>in</strong>en<br />

Zusammenhang f<strong>in</strong>den zwischen <strong>der</strong> dissozialen <strong>Störung</strong> und übermäßigem,<br />

elterlichem Alkoholkonsum.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Risikofaktor, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur benannt wird, konnte <strong>in</strong> dieser Arbeit<br />

nicht nachgewiesen werden. Verschiedene Autoren berichten über e<strong>in</strong>en<br />

Zusammenhang zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> und<br />

ehelicher Disharmonie und „Broken-Homes” (Kazd<strong>in</strong>, 1987, Möller-Nehr<strong>in</strong>g et<br />

al.,1998). Auch Hebborn- Brass (1991) f<strong>in</strong>det den höchsten Anteil dissozialer<br />

<strong>Störung</strong>en <strong>in</strong> unvollständigen Familien. Zwar kommt die dissoziale <strong>Störung</strong> auch <strong>in</strong><br />

vollständigen Familien vor, doch gibt es hier e<strong>in</strong>e breite Streuung <strong>der</strong> <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>.<br />

Für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit untersuchten E<strong>in</strong>richtung,<br />

zeigte sich jedoch ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen dem Familienstand<br />

<strong>der</strong> Eltern, d.h. ob diese geschieden s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> nicht und dem Auftreten e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>.<br />

<strong>Die</strong>ser Befund ist möglicherweise darauf zurückzuführen, daß nicht sicher davon<br />

ausgegangen werden kann, daß auch wenn die Eltern zusammenleben, sie dies<br />

auch <strong>in</strong> Harmonie tun. Es gibt unterschiedliche Gründe für die Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er


78<br />

E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe. <strong>Die</strong>se Schwierigkeiten stehen jedoch fast<br />

immer <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>em Zusammenhang zu dem Elternhaus <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>. So besteht<br />

die Möglichkeit, daß <strong>der</strong> fehlende Unterschied zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong> Stichprobe mit<br />

e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong> und ohne e<strong>in</strong>e solche, bezüglich <strong>des</strong> Familienstan<strong>des</strong> <strong>der</strong><br />

Eltern sich daraus ergibt, daß alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form e<strong>in</strong>er „Broken-home”<br />

Situation ausgesetzt waren. Interessant wäre es <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

weiterführend zu untersuchen, welche protektiven Faktoren dazu geführt haben, daß<br />

viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> entwickelt haben.<br />

Auch daß die Zugehörigkeit zur unteren sozialen Schicht <strong>in</strong> Zusammenhang steht<br />

mit dem Auftreten <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>, konnte <strong>in</strong> dieser Arbeit nicht<br />

bestätigt werden. Während verschiedene Autoren zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t e<strong>in</strong>en vermittelnden<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> unteren sozialen Schicht und e<strong>in</strong>er dissozialen<br />

<strong>Störung</strong> sehen, <strong>in</strong>dem sie davon ausgehen, daß <strong>in</strong> <strong>der</strong> unteren sozialen Schicht<br />

gehäuft an<strong>der</strong>e Risikofaktoren anzutreffen s<strong>in</strong>d, die zu e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> führen (Rob<strong>in</strong>s, 1966, Rob<strong>in</strong>s, 1978, Myschker, 1993), zeigte sich<br />

<strong>in</strong> dieser Arbeit ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang. Allgeme<strong>in</strong> wird gesagt, daß<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus <strong>der</strong> unteren Sozialschicht eher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Heime<strong>in</strong>richtung kommen, wenn<br />

Probleme auftauchen, während K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> Mittel- und Oberschicht eher e<strong>in</strong> Internat<br />

besuchen. Probleme müssen sich aber nicht ausschließlich auf das Auftreten e<strong>in</strong>er<br />

dissozialen <strong>Störung</strong> konzentrieren. Es besteht die Möglichkeit, daß die soziale<br />

Schicht zwar nicht spezifisch mit dem Auftreten e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

<strong>in</strong> Zusammenhang steht, jedoch mit dem generellen Auftreten von Problemen und<br />

e<strong>in</strong>er damit verbundenen Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Heime<strong>in</strong>richtung.<br />

XIII. Zusammenfassung<br />

In dieser Diplomarbeit wurde untersucht, wie häufig e<strong>in</strong>e <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe auftritt.<br />

Desweiteren wurde untersucht welche an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> e<strong>in</strong>hergehen und ob Risikofaktoren wie <strong>der</strong> Familienstand <strong>der</strong><br />

Eltern, Alkoholismus und soziale Schicht <strong>der</strong> Eltern <strong>in</strong> signifikantem Zusammenhang<br />

stehen zum Auftreten e<strong>in</strong>er dissozialen <strong>Störung</strong>.<br />

In <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung wurden alle K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>der</strong>en Eltern <strong>in</strong> die Untersuchung e<strong>in</strong>gewilligt<br />

hatten und die kognitiv dazu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage waren, mit Hilfe <strong>des</strong> „K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS”<br />

(Schnei<strong>der</strong>, Unnewehr & Margraf, 1995) befragt. Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>-DIPS ist e<strong>in</strong><br />

strukturiertes Interview, das die <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong> erfaßt, die nach ICD-10 o<strong>der</strong> DSM-IV<br />

im K<strong>in</strong><strong>des</strong>- und Jugendalter auftreten können. Es liegt zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form vor,<br />

die geeignet ist, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst zu befragen und zum an<strong>der</strong>en <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Form, mit<br />

<strong>der</strong> die Eltern befragt werden können. <strong>Die</strong>se Version wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden<br />

Untersuchung dazu benutzt, die pädagogischen Betreuer <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ebenfalls zu


79<br />

befragen. Desweiteren beantworteten die Erzieher für je<strong>des</strong> K<strong>in</strong>d den<br />

„Elternfragebogen über das Verhalten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen”<br />

(Arbeitsgruppe Deutsche Child behavior checklist, 1994, 1998). Um die<br />

Risikofaktoren zu ermitteln, wurden den pädagogischen Betreuern folgende Fragen<br />

gestellt:<br />

Wie ist <strong>der</strong> Familienstand <strong>der</strong> Eltern <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>?<br />

Ist e<strong>in</strong> Elternteil (o<strong>der</strong> beide) an Alkoholismus erkrankt?<br />

S<strong>in</strong>d die Eltern Sozialhilfeempfänger?<br />

<strong>Die</strong> Frage nach <strong>der</strong> Auftretenshäufigkeit <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong> ließ sich<br />

nicht e<strong>in</strong>deutig beantworten, da die Diagnosen, die nach den Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

gemacht wurden nicht völlig übere<strong>in</strong>stimmten mit denen, die nach Erzieherangaben<br />

gestellt wurden. Insgesamt wurde <strong>in</strong> 30 Fällen e<strong>in</strong>e akute Diagnose <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Sozialverhaltens</strong> vergeben, davon s<strong>in</strong>d zehn Diagnosen <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Erziehern gestellt worden. Zwölf Diagnosen wurden nur nach<br />

Angaben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ermittelt und acht nur durch die Erzieherangaben.<br />

Es wurde lediglich e<strong>in</strong>e signifikante Komorbidität <strong>der</strong> <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong><br />

mit <strong>der</strong> Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung gefunden. Weitere bestehende<br />

Zusammenhänge zu an<strong>der</strong>en <strong>Störung</strong>sbil<strong>der</strong>n waren nicht signifikant. Nur e<strong>in</strong><br />

Alkohol- und Drogenmißbrauch nach Erzieherangaben stand ebenfalls <strong>in</strong><br />

signifikanten Zusammenhang zur <strong>Störung</strong> <strong>des</strong> <strong>Sozialverhaltens</strong>.<br />

Es wurde ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang gefunden zwischen dem Auftreten e<strong>in</strong>er<br />

dissozialen <strong>Störung</strong> und den Risikofaktoren Familienstand <strong>der</strong> Eltern, Alkoholismus<br />

und soziale Schicht <strong>der</strong> Eltern.<br />

E<strong>in</strong>ige, <strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse stehen im Wi<strong>der</strong>spruch zu<br />

bisherigen Befunden, so daß hier weiterer Forschungsbedarf besteht.


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