Arkel â ein historischer Ort - Evangelisch-altreformierte Kirche in ...
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T<strong>in</strong>holter Moor<br />
Zeitung und Anzeigenblatt 1915<br />
Kreisblatt für den Kreis Grafschaft Bentheim<br />
(Bearbeitet von Johann Jeur<strong>in</strong>k)<br />
T<strong>in</strong>holt, 22. Januar 1915 Das T<strong>in</strong>holter Moor<br />
Im letzten Frühjahr kam ich auf m<strong>e<strong>in</strong></strong>er Dienstreise<br />
von Emlichheim nach Uelsen durch <strong>e<strong>in</strong></strong>e fast<br />
unabsehbare moorige Heidegegend. B<strong>e<strong>in</strong></strong>ahe beängstigend<br />
wirkte diese weite öde Landschaft,<br />
über welche sich der blaue Himmel wie <strong>e<strong>in</strong></strong>e erhabene<br />
Kuppel ausspannte. Weit und breit suchte<br />
das Auge vergeblich nach <strong>e<strong>in</strong></strong>em grünen Baum<br />
oder Strauch. Nur <strong>e<strong>in</strong></strong>ige Kiebitze und Heidelerchen<br />
schienen hier die <strong>e<strong>in</strong></strong>zigen Bewohner zu s<strong>e<strong>in</strong></strong>.<br />
Lange mochte ich s<strong>in</strong>nend gestanden haben, um<br />
mich den stillen Reizen der seltenen Umgebung<br />
h<strong>in</strong>zugeben, als ich durch <strong>e<strong>in</strong></strong> leises Geräusch h<strong>in</strong>ter<br />
mir gestört wurde.<br />
E<strong>in</strong> schlichter Landmann entbot mir <strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />
freundlichen Gruß. Ich f<strong>in</strong>g <strong>e<strong>in</strong></strong> Gespräch mit m<strong>e<strong>in</strong></strong>em<br />
Reisegefährten an und äußerte m<strong>e<strong>in</strong></strong>e Verwunderung<br />
darüber, dass sich bis auf die heutige<br />
Zeit noch so weite, vollständig unbebaute Flächen<br />
hätten erhalten können, da nach m<strong>e<strong>in</strong></strong>er Ansicht<br />
der Boden für Kulturzwecke sehr geeignet ersch<strong>e<strong>in</strong></strong>e.<br />
Diese Worte lösten dem biederen Alten die<br />
Zunge. „Diese Fläche“, begann er, „heißt das T<strong>in</strong>holter<br />
Moor. Mit ger<strong>in</strong>ger Arbeit und wenig Kosten<br />
wäre aus der Gegend <strong>e<strong>in</strong></strong> Paradies zu<br />
schaffen, da die Bodenverhältnisse nach Gestalt<br />
und Beschaffenheit die denkbar günstigsten s<strong>in</strong>d.<br />
Tausende würde das Land ernähren und <strong>e<strong>in</strong></strong> großes<br />
Gem<strong>e<strong>in</strong></strong>wesen erblühen können. Aber <strong>e<strong>in</strong></strong><br />
Fluch ruht auf dieser weiten Ebene.“<br />
Gerade diese letzten Worte machten mich neugierig,<br />
und als ich m<strong>e<strong>in</strong></strong>en <strong>in</strong>teressanten Begleiter<br />
bat, mich hierüber näher aufzuklären, fuhr er fort:<br />
„Zwar gehört dieser Boden den Gem<strong>e<strong>in</strong></strong>den T<strong>in</strong>holt<br />
und Wilsum, aber seit unerdenklichen Zeiten<br />
gew<strong>in</strong>nen die hier umliegenden <strong>Ort</strong>schaften, namentlich<br />
des Kirchspiels Uelsen, ihren Torf zum<br />
Brennen. Brennsoden dürfen, um die Torfbildung<br />
nicht zu h<strong>in</strong>dern, hier nicht gestochen werden, wir<br />
Bauern haben das Recht, diese ohne weiteres fortzuholen.<br />
Während aber <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong></strong>er Jugend zur Zeit des<br />
Frühjahrs durch die Torfgew<strong>in</strong>nung vieler Bauernschaften<br />
sich hier <strong>e<strong>in</strong></strong> reges Leben entwickelte,<br />
92<br />
GESCHICHTE DER ORTSTEILE<br />
ja nach Feierabend die Torfstecher <strong>in</strong> großen<br />
Trupps s<strong>in</strong>gend <strong>in</strong> die <strong>Ort</strong>schaften zurückkehrten,<br />
sehen sie die Gegend hier jetzt völlig menschenleer<br />
und verlassen. Die Fläche ist nämlich abgetorft,<br />
und <strong>in</strong>folge der besseren Entwässerung ist<br />
das Torfmoos vertrocknet, so daß die Torfbildung<br />
aufgehört hat. Nun hat k<strong>e<strong>in</strong></strong> Mensch mehr Nutzen<br />
von diesem Flecken Erde. Kulturzwecken kann sie<br />
nicht dienstbar gemacht werden, weil die alten<br />
nutzlosen Torfstichrechte wie <strong>e<strong>in</strong></strong> Fluch darauf lasten,<br />
die selbst <strong>e<strong>in</strong></strong>er Markenteilung hemmend im<br />
Wege stehen. Wie schwer – wenn überhaupt möglich<br />
– würde es s<strong>e<strong>in</strong></strong>, diese Rechte abzuf<strong>in</strong>den!“<br />
Dann blieb m<strong>e<strong>in</strong></strong> Begleiter stehen und spähte<br />
<strong>in</strong> die Ferne. Er bat mich, <strong>e<strong>in</strong></strong>en Augen blick zu<br />
warten und g<strong>in</strong>g etwa 100 Schritte vom Wege ab.<br />
Als er zurückkam, wurde er von schreienden Kiebitzen<br />
verfolgt. Schmunzelnd zeigte er <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong></strong>er<br />
Mütze vier bunte Kiebitzeier, die er mir mitgab mit<br />
den Worten: „Das ist jetzt der ganze Jahresertrag<br />
dieses Landes, das <strong>e<strong>in</strong></strong> Garten Gottes s<strong>e<strong>in</strong></strong> könnte!“<br />
Oft habe ich an das Paradies im Dornröschenschlaf<br />
denken müssen.<br />
Besonders lebhaft beschäftigt es <strong>in</strong> letzter Zeit<br />
m<strong>e<strong>in</strong></strong>e Gedanken, nachdem die Regierung aus dem<br />
von dem Landtag geforderten Kredit von 1½ Milliarden<br />
<strong>e<strong>in</strong></strong>en erheblichen Betrag für die Organisation<br />
der Kriegsgefangenenarbeit <strong>in</strong> Aussicht<br />
genommen hat. Sie war dabei von dem besten<br />
Wunsche beseelt, große Kulturarbeiten, Flußregulierungen<br />
(Vechte?) Urbarmachungen und neuen<br />
Anbau von Brotgetreide und Kartoffeln besorgen<br />
zu lassen.<br />
Sollte nicht das T<strong>in</strong>holter Moor <strong>e<strong>in</strong></strong> geeignetes<br />
Arbeitsfeld für die nutzbr<strong>in</strong>gende Tätigkeit unserer<br />
Kriegsgefangenen s<strong>e<strong>in</strong></strong>, wo sie Wege anlegen,<br />
den Boden bearbeiten und mit Früchten bestellen<br />
könnten? Gewiß recht sehr! Nur muß sich erst <strong>e<strong>in</strong></strong><br />
Pr<strong>in</strong>z zeigen, der sich für das schlafende Dornröschen<br />
<strong>in</strong>teressiert, die Stachelhecke veralteter<br />
Rechte beseitigt und es aus s<strong>e<strong>in</strong></strong>em tiefen Schlummer<br />
aufweckt. Wenn dann im Mittelpunkte der<br />
Niedergrafschaft diese weite E<strong>in</strong>öde sich zu <strong>e<strong>in</strong></strong>em<br />
blühenden Gefilde entwickelt hat, <strong>in</strong> dem sich<br />
Bauernhof an Bauernhof reiht, dann trägt dieser<br />
Kulturfortschritt zum Zusammenschluß der zerfetzt<br />
liegenden Teile der Untergrafschaft bei und<br />
beseitigt die Möglichkeit, <strong>in</strong> der Entwicklung h<strong>in</strong>ter<br />
der Obergrafschaft zurückzubleiben.