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zunehmend durch aktuelle Moden oder durch Phantasiekostüme<br />

ersetzt. Im 18. Jahrhundert waren historische<br />

Kostüme ebenso wie Phantasiekostüme vor allem für<br />

Maskeraden sehr beliebt; so gab es Shakespeare-Kleidung,<br />

türkische Gewänder und Hirtenkostüme aus der<br />

imaginierten Zeit einer arkadischen Idylle, wie sie für<br />

die Schäferspiele am Hof Ludwigs XVI. und Marie Antoinettes<br />

von Frankreich getragen wurden. In solchen<br />

Kostümen ließ man sich auch portraitieren. In England<br />

blieb man dem van Dyck-Stil jedoch länger verbunden; in<br />

der Zeit von etwa 1730 bis 1790 war ein Vandyke dress genanntes<br />

Kostüm besonders populär, wobei das anglisierte<br />

Vandyke nun als Bezeichnung für einen bestimmten<br />

Kostümtypus, der sich an der Mode der Zeit van Dycks<br />

orientierte, verwendet wurde. Vandyke-Kleidung wurde<br />

von Damen und Herren getragen; man ging damit zu Kostümfesten<br />

und wählte diese Ausstattung auch gerne für<br />

Portraits. Häufig passte man die Haartracht ebenfalls der<br />

des 17. Jahrhunderts an. 19 Daher ist anzunehmen, dass<br />

die schulterlangen Locken von Thomas Reade passend<br />

zur van Dyck-Kleidung frisiert worden sind. Lange gelockte<br />

Haare, die zu kräuseln und zu pflegen viel Aufwand<br />

erforderte, galten zudem als Privileg der Oberschicht<br />

und waren damit auch ein Standeszeichen. 20<br />

Die besondere Vorliebe für Kostüme im Stil van Dycks in<br />

Portraits des englischen Adels im 18. Jahrhundert ist aus<br />

einer möglicherweise auch leicht verklärenden Rückschau<br />

auf die Zeit Karls I. und seines berühmten Hofmalers<br />

zu verstehen. Der Hof Karls I., der zu seiner Zeit<br />

zu den führenden kulturellen Zentren Europas gehörte,<br />

Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />

78 WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />

Abb. 6: Anthonis van Dyck: König Karl I. von England und<br />

Königin Henrietta Maria, 1632, Öl auf Leinwand, 113,5 x 163 cm,<br />

Schloss Kromeriz (Kremsier), Tschechische Republik.<br />

repräsentierte in der Vorstellung der englischen Gesellschaft<br />

des 18. Jahrhunderts den Höhepunkt von Eleganz<br />

und kultivierter Lebensart, wobei die Bildnisse van Dycks<br />

die Eleganz der Mode überliefert hatten. Bei einigen Auftraggebern<br />

des Hochadels konnte hinzukommen, dass<br />

ihre Vorfahren einst von van Dyck portraitiert worden<br />

waren, und sie in Anspielung darauf in der Kleidung seiner<br />

Zeit erscheinen wollten. 21<br />

Ein anschauliches Beispiel für van Dyck-Mode im 18. Jahrhundert<br />

gibt auch das vermutlich populärste englische<br />

Bildnis der Zeit: ,The Blue Boy – Jonathan Buttall‘ von<br />

Thomas Gainsborough (Abb. 7). Es entstand um 1770,<br />

also fast zeitgleich mit Angelika Kauffmanns Bildnis von<br />

Thomas Reade. Auch der junge Jonathan Buttall wurde im<br />

van Dyck-Kostüm portraitiert, und wesentliche Details<br />

seiner Kleidung stimmen mit Details der Kleidung von<br />

Thomas Reade überein: Der blaue Anzug ist aus schwerer<br />

glänzender Seide, die Jacke hat Piccadilly-Achselstücke,<br />

und ihre Ärmel weisen die charakteristischen Schlitze<br />

auf, die das weiße Hemd sehen lassen. Spitzenkragen<br />

und Spitzenmanschetten sind bei den Kostümen sehr<br />

ähnlich. Jonathan Buttall wurde allerdings in Ganzfigur<br />

vor dekorativem Landschaftshintergrund portraitiert;<br />

sein Vater hat in das Bildnis offensichtlich etwas mehr investiert<br />

als der 5. Baronet John Reade in das Bildnis seines<br />

Sohnes Thomas. Der Vergleich lässt auch erkennen, dass<br />

Angelika Kauffmann in ihrem malerischen Können Thomas<br />

Gainsborough nicht nachsteht – ein weiterer Beweis<br />

dafür, dass das Museum mit der Neuerwerbung einen<br />

glücklichen Griff getan hat.

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