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Untitled - Hessisches Landestheater Marburg

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»TouT SwaZ Ir wELT« –<br />

Tom waITS und SEInE<br />

muSIK Zum »bLacK rIdEr«<br />

von Justus Noll<br />

Geschichten müssen in Bildern erzählt werden, ver-<br />

langte Robert Wilson. Bilder! Nicht »Les mots«<br />

von Sartre, nicht die Worte der schauer-romantischen<br />

Autoren des »Freischütz«, auch nicht die<br />

Texte von William S. Burroughs sind gemeint.<br />

We don’t have to double that, erklärte Wilson im Herbst<br />

1989 dem Ensemble des Thalia-Theaters beim<br />

ersten Arbeitsgespräch zur Uraufführung in<br />

Hamburg, beobachtet von einem Kamera-Team<br />

des WDR. Worte können wie Klänge, Wolken oder<br />

Träume über den Bildern schweben, meinte Wilson.<br />

Und: Gegenüber dem Text ständen die Songs<br />

für eine wesentlich ›präzisere‹ Situation. Die<br />

Handlung bleibt stehen, wenn ein Song sich auf<br />

eine Stimmung konzentriert.<br />

Burroughs lieferte eine Materialsammlung<br />

von Cut-Ups, an der sich Tom Waits bereits in<br />

Amerika bedient hatte. Vom geplanten Musical,<br />

frei nach dem deutschen Opern-Epos »Freischütz«,<br />

einer Idee Wilsons, gab es zu Probenbeginn<br />

nur den Rahmenplan. Als Anfang hat<br />

man sich auf ein Ur-Klischée geeinigt. Ein<br />

»Zirkusdirektor« tritt auf, der die merkwürdigen<br />

Kreaturen des Stückes in der Manege vorführt –<br />

wie in Tod Brownings Film »Freaks«, Bergs »Lulu«<br />

und Kander-Ebbs »Cabaret«. Auf den »Welcome«-<br />

Song aus »Cabaret« spielt Waits »Black-Rider«-<br />

Song ganz direkt an. Für »I’ll Shoot The Moon«<br />

könnte »Ich hab getanzt heut Nacht« Pate ge-<br />

standen haben – Tom Waits ist nicht wählerisch,<br />

wenn er etwas Passendes gefunden hat. Any-<br />

thing Goes. Dass sein Instinkt richtig und publikumswirksam<br />

war, zeigte sich auch bei der<br />

Uraufführung, wo er den »Black-Rider«-Song<br />

als Höhepunkt beim Schlussapplaus sang.<br />

Waits’ CD-Produktion von »The Black Rider«<br />

beweist die Eigenständigkeit dieser Musik, die<br />

nichts verdoppelt.<br />

Waits mag ein unkonventioneller Typ sein,<br />

unamerikanisch ist er nicht. Unkonventionell<br />

sind auch nicht seine Balladen. Nicht die ge-<br />

legentlich an Orff, Weill oder Strawinski ge-<br />

mahnenden flotten und spritzigen Instrumentalzwischenspiele.<br />

Originell und neuartig im Musical sind vielmehr<br />

die ausgedehnten ›Soundscapes‹, Klanglandschaften<br />

aus Einspielungen, Synthesizer-, Elektro-<br />

nik- und Instrumental-Klängen wie »Gospel-<br />

Train« oder »Oily Night«. Sie erzeugen Bilder<br />

fürs Ohr, Hörbilder, die selbständig oder notwendig<br />

ergänzend neben die Licht-, Sprach- und<br />

Bewegungsbilder treten und über oder unter<br />

ihnen zu schweben scheinen.<br />

Der <strong>Marburg</strong>er Musikwissenschaftler<br />

Dr. Justus Noll wirkte als<br />

Musikredakteur beim SWF und<br />

hat als Komponist zahlreiche<br />

Kammermusik- und Bühnenkompositionen<br />

geschrieben. Er<br />

arbeitet heute als freier Autor und<br />

Journalist.<br />

»<br />

dIE ZuScHauEr<br />

KommEn, um<br />

HErEIngELEgT<br />

Zu wErdEn.<br />

SIE woLLEn wISSEn:<br />

wIE wEIT KannST<br />

du mIcH InS<br />

unbEKannTE<br />

mITnEHmEn?<br />

danacH wIrd<br />

dEInE arbEIT<br />

aLS KünSTLEr<br />

bEurTEILT.<br />

«<br />

Tom waITS<br />

17

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