Untitled - Hessisches Landestheater Marburg
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E V I T A<br />
auSTauScHgaSTSPIEL mIT dEm LandESTHEaTEr coburg<br />
von andrEw LLoyd wEbbEr (*1948) und TIm rIcE (*1944)<br />
marburg-PrEmIErE HErbST 2010, STadTHaLLE<br />
Buenos Aires, 26. Juli 1962: In einem Kino irgendwo<br />
in einer der unzähligen Straßen der Metro-<br />
pole läuft die Spätvorstellung eines Films. Plötz-<br />
lich werden die flimmernden Bilder auf der<br />
Leinwand durch eine Ansage unterbrochen: Eva<br />
Perón, die geistige Führerin der Nation, ist heute Abend<br />
um 20:25 Uhr in die Unsterblichkeit eingegangen. Die<br />
Zuschauer sind fassungslos. Spontan stimmen<br />
sie ein Lied an, ein Requiem für Evita. Das Leben<br />
der großen ›kleinen Eva‹ ist vorüber – dreiunddreißig<br />
Jahre nur hat es gedauert, Jahre, in<br />
denen Eva Perón wie keine andere Frau vor ihr die<br />
Geschicke Argentiniens geprägt und verändert<br />
hat. Aber wie hat alles begonnen? Wie ist aus der<br />
Schönheit vom Lande, die mit fünfzehn Jahren<br />
nach Buenos Aires ging, zuerst eine erfolgreiche<br />
Schauspielerin, dann Präsidentengattin und<br />
schließlich die Mutter einer Nation geworden?<br />
»Evita« nimmt uns mit auf eine grandiose<br />
Reise durch das Leben und die Zeit dieser wohl<br />
berühmtesten First Lady der Welt.<br />
Vom britischen Starkomponisten Andrew<br />
Lloyd Webber berichtet man, er habe über seine<br />
1978 in London zuerst aufgeführte Rock-Oper<br />
Folgendes gesagt: Evita ist ein atemberaubendes,<br />
berauschendes Theatererlebnis. Vor allem, wenn man<br />
nicht zu viel darüber nachdenkt. Dem ersten Teil<br />
dieser doch eher bescheidenen Selbsteinschätz-<br />
ung kann man sicher ohne weiteres zustimmen –<br />
mit Songs wie »Don’t Cry for Me Argentina«<br />
oder »Another Suitcase in Another Hall« sind<br />
Lloyd Webber kleine Meisterwerke gelungen.<br />
Seine Geschichte vom Leben Evitas, in dem es<br />
so viel Glanz, aber auch so viel Schatten gab, reißt<br />
uns mit sich und bringt uns zum Träumen. Ob<br />
wir uns aber deswegen das Nachdenken gleich<br />
ganz sparen können, bleibt dahingestellt. In der<br />
Darstellung von Lloyd Webbers Librettisten<br />
Rice ist aus Eva Perón eine recht zwiespältige<br />
Figur geworden, die sich rücksichtslos nach<br />
oben schläft und unter dem Mantel einer<br />
wohltätigen Beschützerin der Armen vor allem<br />
für die eigene Bereicherung sorgt. Das Leben<br />
der echten Eva Perón hingegen war weitaus<br />
komplizierter. Zeitlebens von der Oberschicht<br />
und den Militärs verachtet, gelang es ihr doch,<br />
sich gegen die Elite des Landes durchzusetzen.<br />
Millionen von besitz- und rechtlosen Argentiniern<br />
verschaffte die Sozialpolitik der Perons ein<br />
besseres Leben, und auch die Einführung des<br />
allgemeinen Wahlrechts für Frauen in Argentinien<br />
ging vermutlich direkt auf Eva Peróns Einfluss<br />
zurück. Zugleich blicken wir heute kritisch auf<br />
die politische Repression ihres Mannes, seine<br />
Verbindungen zu den Nationalsozialisten und vor<br />
allem den Staatsterror während seiner zweiten<br />
Präsidentschaft.<br />
Was bleibt, ist in jedem Fall eine Frau, die<br />
Geschichte geschrieben hat, die von Millionen<br />
verehrt wurde und die uns heute gerade in ihrer<br />
Widersprüchlichkeit fasziniert. Meine größte<br />
Angst im Leben ist es, vergessen zu werden, sagte<br />
Eva Perón einmal. Diese Angst zumindest war<br />
unbegründet.<br />
Infos zu Terminen und Titel des Austauschgastspiels<br />
finden Sie im Spielplan oder unter<br />
www.theater-marburg.de<br />
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