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22. Landesolympiade Latein und Griechisch in Oberösterreich 12.3

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Thomas v. Aqu<strong>in</strong>: De rationibus fidei DIALOG: Christentum - Islam<br />

b. zur didaktischen Zielsetzung:<br />

Gerade die Geisteswelt, <strong>in</strong> welche die vorliegende Schrift e<strong>in</strong>gebettet ist, lässt die Lektüre<br />

des mittelalterlichen Autors vom gegenwärtigen Standpunkt aus <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht<br />

lohnenswert ersche<strong>in</strong>en:<br />

Die Begegnung zwischen Christentum <strong>und</strong> Islam erfährt zum Anbruch des dritten<br />

Jahrtausends e<strong>in</strong>e Intensivierung, deren Höhepunkt sicher erst bevorsteht. Hier kann das<br />

Aufspüren von Reibungsflächen <strong>in</strong> thematischer H<strong>in</strong>sicht, vor allem aber das Reflektieren<br />

der Kommunikationsstrukturen das Wahrnehmungsvermögen sensibilisieren.<br />

So wie im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert ist auch heute die Kontroverse von zwei Faktoren geprägt: Im<br />

Vordergr<strong>und</strong> steht e<strong>in</strong>e stark auf Polemik <strong>und</strong> Vorurteilen beruhende Ablehnung der<br />

jeweils anderen Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft, die gar nicht so sehr auf die Glaubensgr<strong>und</strong>züge<br />

abzielt, sondern e<strong>in</strong> Ventil öffnet für die Kompensation nicht bewusster oder gesellschaftlich<br />

tabuisierter Ängste. Manifest wird dieses Verhalten vor allem im Alltag, im<br />

Aufe<strong>in</strong>andertreffen sche<strong>in</strong>bar verfe<strong>in</strong>deter Glaubensbrüder, <strong>in</strong> Wirklichkeit aber eher<br />

dissozierter Menschen im sozioökonomischen Umfeld. Ihre unreflektierten Gedanken bis<br />

h<strong>in</strong> zu Hassparolen machen sich populistisch agierende Politiker hier wie radikale<br />

F<strong>und</strong>amentalisten dort zu eigen, da die Mehrheit der Bevölkerung dafür empfänglicher ist<br />

als für die differenzierte, für den E<strong>in</strong>zelnen oft nicht nachvollziehbare, da sehr komplexe<br />

Argumentation.<br />

Organisationen <strong>und</strong> Personen, die gesellschaftliche Verantwortung tragen oder kirchliche<br />

Funktionen besetzen, erkennen dagegen sehr wohl die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er echten, von<br />

Sachkenntnissen geprägten Debatte. Folglich machen sie sich (wie Thomas von Aqu<strong>in</strong>) für<br />

die Auflösung der kulturbed<strong>in</strong>gten Widersprüche auf <strong>in</strong>tellektueller Ebene stark. Der<br />

<strong>in</strong> Österreich zur Zeit heftig geführte Streit um Gesamtschule, E<strong>in</strong>wanderungsbeschränkung<br />

<strong>und</strong> Bildungsoffensive für sozial Benachteiligte legt davon e<strong>in</strong> beredtes<br />

Zeugnis ab. Wie die Jugendlichen-Krawalle <strong>und</strong> Studentenunruhen <strong>in</strong> Frankreich vor gut<br />

e<strong>in</strong>em Jahr zeigten, handelt es sich bei diesem Phänomen nicht so sehr um e<strong>in</strong> die gesamte<br />

Gesellschaft erfassendes, sondern e<strong>in</strong> gewisse Regionen betreffendes, dort aber immer<br />

dr<strong>in</strong>glicher werdendes Integrationsproblem, das nach e<strong>in</strong>er Mission verlangt, der es gel<strong>in</strong>gt<br />

durch das Nom<strong>in</strong>ieren von Werten Identifikationsmöglichkeiten zu stiften.<br />

Jedoch auch die gesamteuropäische Politik begegnet der latenten, allgegenwärtigen Gefahr<br />

des Terrorismus durch verstärktes Bemühen um e<strong>in</strong>e differenzierte Kontroverse auf<br />

kommunikativer <strong>und</strong> sachlich f<strong>und</strong>ierter Ebene. Man hat heute wie damals zu Beg<strong>in</strong>n<br />

des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts erkannt, dass man mit Verachtung <strong>und</strong> negierender Ignoranz, ebenso<br />

wenig mit re<strong>in</strong> politischer (e<strong>in</strong>schließlich militärischer) Agitation den Konflikt zwischen<br />

den Religionen, der sich auf gesellschaftlich-politischer Ebene manifestiert <strong>und</strong> im<br />

Religiösen lediglich se<strong>in</strong>en nach außen besser zu kommunizierenden Meta-Identifikationspunkt<br />

hat, weder lösen noch vermeiden kann.<br />

Die gegenwärtige Weltlage der globalisierten Wirtschaft schuf vielmehr e<strong>in</strong>e derartige<br />

Verflechtung sozioökonomischer Bed<strong>in</strong>gungen, dass die Politik der gegenseitigen Abkehr<br />

wie Missachtung der <strong>in</strong> Glaubensaspekten nur f<strong>und</strong>ierten Differenzen sogar e<strong>in</strong><br />

zusätzliches Konfliktpotential darstellt, was spätestens seit dem 11. September 2001 <strong>in</strong><br />

das Bewusstse<strong>in</strong> der breiten Öffentlichkeit trat.<br />

Lat. OLYMPIADE 2007/08 35 © Claudia-Mart<strong>in</strong>a Perkounig

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