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22. Landesolympiade Latein und Griechisch in Oberösterreich 12.3

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Thomas v. Aqu<strong>in</strong>: De rationibus fidei DIALOG: Christentum - Islam<br />

e<strong>in</strong>en Fall mit e<strong>in</strong>er Weggabelung, im zweiten mit e<strong>in</strong>er Wegkreuzung zu umschreiben.<br />

Am Scheidepunkt bl<strong>in</strong>d (d.h. ohne die Entscheidung zu reflektieren) <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>e wie die<br />

andere Richtung zu laufen, wäre ebenso s<strong>in</strong>nlos, wie an der Wegkreuzung frontal auf den<br />

Anderen loszugehen. Hier gilt es zunächst außer Streit stehende Komponenten zu<br />

def<strong>in</strong>ieren, wie es im Alltag etwa durch die Straßenverkehrsordnung, durch Spielregeln,<br />

Staatsgesetze oder andere festgelegte Rahmenbed<strong>in</strong>gungen passiert. Im emotionalen oder<br />

ideologischen Streit, schlicht überall dort, wo es ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dlichen Normen<br />

gibt, müssen diese daher erst im Streit selbst gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> von den Kontrahenten<br />

verhandelt werden. Im Klartext bedeutet dies, dass Abmachungen, wie beispielsweise <strong>in</strong><br />

der Ause<strong>in</strong>andersetzung auf Schimpfworte, beleidigende Äußerungen oder bewusste<br />

Kränkungen (die z.B. die äußere Ersche<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>er Person oder ihr Ansehen<br />

herabwürdigen) zu verzichten, nicht nur legitim, sondern sogar notwendig s<strong>in</strong>d.<br />

Der 3. Schritt auf dem Weg zur Konfliktbewältigung setzt die Bereitschaft der Konfliktpartner,<br />

sich an bestimmte Spielregeln zu halten, voraus. Diese können <strong>in</strong> gesetzlichen<br />

Bestimmungen bestehen, sie können soziale oder ideologische Übere<strong>in</strong>kunft se<strong>in</strong> wie<br />

Vere<strong>in</strong>sregeln <strong>und</strong> Glaubensgr<strong>und</strong>sätze, sie können auf Konvention <strong>und</strong> stillschweigender<br />

Übere<strong>in</strong>kunft beruhen (beispielsweise <strong>in</strong> der Kulturzugehörigkeit oder im Standesdenken<br />

basierend), sie können freilich auch an Dritte abgegeben werden, wie dies <strong>in</strong><br />

der Mediation der Fall ist. Am schwierigsten gestaltet sich dieser Schritt dort, wo<br />

weder Muster vorgegeben s<strong>in</strong>d, auf die e<strong>in</strong>e Regression möglich ist, noch e<strong>in</strong> Unbeteiligter<br />

als neutraler Vermittler zur Verfügung steht, also z.B. im Ehestreit oder<br />

geschwisterlichen Kampf <strong>in</strong> den eigenen vier Wänden. Dass ke<strong>in</strong>e Kampfregeln an der<br />

Wand hängen, bedeutet jedoch nicht, dass es dieser nicht bedarf. Ganz im Gegenteil:<br />

Wer me<strong>in</strong>t, er käme ohne diese aus, stelle sich e<strong>in</strong>en sportlichen Wettkampf, e<strong>in</strong><br />

Fußballspiel, auch nur das simpelste Würfelspiel ohne Regeln vor. Er wird sogleich<br />

merken, dass ohne Regeln ke<strong>in</strong> Spiel <strong>und</strong> auch ke<strong>in</strong> Kampf möglich ist, so dieser nicht<br />

auf <strong>in</strong>humane Vernichtung abzielt, wie etwa die zur Schau gestellte Tötung von<br />

Christen im antiken Amphitheater (gesteigert <strong>in</strong> der bestialischen Vernichtung der<br />

Juden im Dritten Reich). In e<strong>in</strong>em Ritterkampf zu unterliegen, e<strong>in</strong> Duell zu verlieren,<br />

war dagegen, so gravierend der Ausgang war, durchaus ehrenhaft, weil beides<br />

strengen Regeln unterworfen war. Funktion der Kampfregeln ist nichts anderes, als<br />

beide Seiten an dieselbe(n) Kampftechnik(en) zu b<strong>in</strong>den, weil jede primäre Ungleichheit<br />

(z.B. ungleiche Bewaffnung oder die Konfrontation e<strong>in</strong>es Wehrlosen mit e<strong>in</strong>em<br />

Bewaffneten) jedem zivilisierten Kampf die unabd<strong>in</strong>gbare Fairness rauben würde.<br />

Im freien (noch nicht normierten) Kampf gilt es quasi erst die Sprossen e<strong>in</strong>er Leiter<br />

zu zimmern, an der man sich dann h<strong>in</strong>aufhandeln kann. Jene schaffen Haltegriffe,<br />

auf die sich beide Seiten verlassen können. Geeignet dafür s<strong>in</strong>d im verbal<br />

ausgetragenen Streit (<strong>und</strong> nur um den geht es hier) alle für beide Seiten<br />

e<strong>in</strong>sichtigen Kriterien. Diese Kriterien müssen für beide Streitparteien nachvollziehbar,<br />

d.h. sichtbar oder real vorstellbar se<strong>in</strong>. In der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem<br />

Islam beruft sich der christliche Autor Thomas von Aqu<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schrift De<br />

rationibus fidei stets auf Ankerpunkte, die Christen <strong>und</strong> Muslimen gleichermaßen<br />

zugänglich s<strong>in</strong>d: die Existenz Gottes an sich, die Allmacht Gottes, die Teilhabe<br />

Gottes am Geschick der Menschen, die Gleichsetzung Gottes mit dem sittlich Guten.<br />

Auch dar<strong>in</strong>, dass Jesus Christus <strong>und</strong> Maria als historische Persönlichkeiten<br />

anerkannt werden, tritt die beiderseitige Akzeptanz zu Tage, letztlich <strong>in</strong> jedem<br />

Punkt, an dem sich christlicher <strong>und</strong> muslimischer Glaube berühren. Sie verleihen<br />

e<strong>in</strong>em im Ganzen unbegreiflichen Geschehen (Eucharistie z.B.) oder dem <strong>in</strong> das<br />

Lat. OLYMPIADE 2007/08 44 © Claudia-Mart<strong>in</strong>a Perkounig

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