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22. Landesolympiade Latein und Griechisch in Oberösterreich 12.3

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Thomas v. Aqu<strong>in</strong>: De rationibus fidei DIALOG: Christentum - Islam<br />

Konversation unter UmstÄnden an der eigenen UnzulÄnglichkeit scheitert. Pr<strong>in</strong>zipiell<br />

verbirgt sich h<strong>in</strong>ter jeder nicht ausdiskutierten Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheit, sofern sie nicht<br />

primÄr an mangelnder Verantwortungsbereitschaft scheitert, e<strong>in</strong> kommunikatives<br />

UnvermÉgen. Dieses kann an e<strong>in</strong>em Mangel von Begriffsbildung <strong>in</strong> der eigenen Sprache<br />

<strong>und</strong> damit im soziokulturellen Umfeld begrÅndet se<strong>in</strong>, es kann ebenso am<br />

e<strong>in</strong>geschrÄnkten persÉnlichen Wortschatz, an der <strong>in</strong>tellektuellen UnfÄhigkeit, GefÅhle<br />

<strong>und</strong> Abstraktes <strong>in</strong> Worten auszudrÅcken, schlieÇlich an nicht vorhandenen syntaktischen<br />

Mustern <strong>und</strong> sprachlichen Argumentationsstrategien liegen.<br />

Der 2. Schritt auf dem Weg zur KonfliktbewÉltigung ist die FÉhigkeit, dem anderen <strong>in</strong>s<br />

Auge sehen zu kÜnnen. Die Konfliktpartner mÑssen (geht es doch nicht darum, dass<br />

e<strong>in</strong>er Ñber den anderen triumphiert) e<strong>in</strong>ander auf e<strong>in</strong>er Ebene begegnen. Dies wird im<br />

Umfeld des eigentlichen Konfliktherdes nur schwer mÜglich se<strong>in</strong> (die Pattstellung ist ja<br />

nicht Ziel des Kampfes). Wenn jedoch die Ause<strong>in</strong>anderetzung auf die Ebene<br />

sprachlicher Reflexion verlagert wird (die Betonung liegt auf Reflexion: damit ist auch<br />

klar, dass e<strong>in</strong> primÉr <strong>in</strong> sprachlichem Kontext entstandenes Wortgefecht so bere<strong>in</strong>igt<br />

werden kann), ist dies jederzeit mÜglich, weil diese die dem Menschen schlechth<strong>in</strong><br />

zueignende FÉhigkeit ist. Wer sich der Reflexion verweigert, kann sich nicht mehr auf<br />

das Menschse<strong>in</strong> berufen. Ohne Reflexion rekurriert alles Verhalten auf Intuition,<br />

Triebhaftigkeit oder konditionierte Reaktion. ãber alle drei Faktoren ist der Mensch<br />

pr<strong>in</strong>zipiell erhaben. Wo er sich nicht <strong>in</strong> reflektierender Weise mit se<strong>in</strong>en Handlungsimpulsen<br />

ause<strong>in</strong>andersetzt, agiert der Mensch gleich dem Tier (ohne allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> Tier<br />

zu werden – daher ist se<strong>in</strong> Verhalten auch nicht entschuldbar). Er mag dann wie jenes<br />

dank grÜÖerer physischer Kraft oder schnellerer Reaktion (langsame Reaktion ist oft<br />

auf Nachdenklichkeit <strong>und</strong> reflektorische Hemmung zurÑckzufÑhren) den Sieg err<strong>in</strong>gen.<br />

Wer sich dem Gegner unterlegen fÑhlt, weicht dem Kampf aus, sei es durch physische<br />

Flucht <strong>in</strong> Form des RÑckzugs aus dem Gefecht, sei es durch Flucht <strong>in</strong> alternative<br />

Handlungsweisen e<strong>in</strong>er Form von Aggression. Beide Reaktionen machen die LÜsung<br />

e<strong>in</strong>es aufgetretenen Konfliktes unmÜglich, wie auch erstere des Sieges im physischen<br />

Kampf. Zur Illustration: der Zweite Weltkrieg war e<strong>in</strong>e Reaktion auf den <strong>und</strong><br />

absehbare Folge des Ersten Weltkrieges, weil die dar<strong>in</strong> ausgetragenen Konflikte nicht<br />

gelÜst, sondern prolongiert, ja sogar GrÉben vertieft wurden, was das Gewaltpotential<br />

enorm steigerte.<br />

Auch der zweite Schritt ist der Schrift De rationibus fidei von Thomas von Aqu<strong>in</strong><br />

immanent: Sie äußert sich <strong>in</strong> der gr<strong>und</strong>sätzlichen Bereitschaft der Dom<strong>in</strong>ikaner,<br />

sich mit Ungläubigen (im Verständnis des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts gleichbedeutend mit<br />

Gläubigen, die e<strong>in</strong>e im Vergleich zur eigenen andere Auffassung haben) auf die<br />

Glaubenskontroverse, die Konfrontation auf sprachlicher Ebene, e<strong>in</strong>zulassen.<br />

Rationabilitätsstreben: Auch <strong>in</strong> alltÄglichen Konfliktsituationen sowie emotionalen<br />

Wortgefechten geht es <strong>in</strong> der Regel nicht darum (oder ist es gar nicht mÉglich), e<strong>in</strong>en<br />

absoluten Konsens herzustellen, weil die InteressensgegensÄtze auf unterschiedlichen<br />

IdentitÄten beruhen. Nicht das Ziel selbst steht <strong>in</strong> Frage, sondern nur der Weg, wie die<br />

Kontrahenten dorth<strong>in</strong> gelangen: D.h. man kann durchaus e<strong>in</strong> <strong>und</strong> dasselbe Ziel verfolgen<br />

(Verehrung Gottes, allgeme<strong>in</strong>er Wohlstand, …), der Konflikt resultiert e<strong>in</strong>zig aus<br />

Auffassungsunterschieden, wie dieses Ziel erreicht werden soll (Welche Gottesvorstellung<br />

<strong>und</strong> Kulthandlungen? Kapitalismus oder Kommunismus? …). Oder man strebt<br />

gr<strong>und</strong>sÄtzlich unterschiedliche Ziele an, kommt sich am Weg dorth<strong>in</strong> aber <strong>in</strong> die Quere<br />

(z.B. Anspruch auf e<strong>in</strong> bestimmtes Territorium). Die Ausgangssituation wÄre <strong>in</strong> dem<br />

Lat. OLYMPIADE 2007/08 43 © Claudia-Mart<strong>in</strong>a Perkounig

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