22. Landesolympiade Latein und Griechisch in Oberösterreich 12.3

Thomas v. Aquin: De rationibus fidei DIALOG: Christentum - Islam
Demokratiebewusstsein: Letztlich ist diese Art der Standfestigkeit, der ein überzeugtes
Auftreten sowie Eintreten für die eigenen Werte zueignet, unabdingbare Voraussetzung einer
funktionierenden Demokratie. Mag auch die demonstrierte Haltung hier vor einem religiösen
Hintergrund aufgezeigt werden, entspricht sie dennoch exakt jenem rationalistischen Denken,
das die Aufklärung hervorgebracht und sich (historisch) in der Demokratie verwirklicht hat
sowie (politisch) in der Handlungspraxis stets aufs Neue bewähren muss. Keines Fundaments
bedarf die Demokratie so sehr, wie gründlich recherchierender, im Herzen jedoch treuer,
gemeinsamen Werten verpflichteter, im eigentlichen Sinne kritisch denkender Bürger.
Bildungsbewusstsein: Eine aufgeklärte Demokratie setzt eine entsprechend hohe Bildung
der Bevölkerung voraus, weil nur diese zu jenem verantwortungsbewussten Handeln, das auf
Reflexion und Rechenschaft abzielt, befähigt. Um die Wurzeln jener Irrmeinungen
aufzuspüren, die der Islam über Christen vertrat, mussten die Christen erst einmal Arabisch
lernen und sich in die Denkweise der Muslimen hineinversetzen, schließlich diese so wie
ihren eigenen Glauben einer reflektierenden Analyse unterziehen. Basis der Reflexionsbereitschaft
ist die philosophische Geistesbildung, die solide sprachliche Bildung wieder die
Voraussetzung, um überhaupt der Reflexion fähig zu sein.
Wissenschaftlichkeit: Sie wieder gründet allein in der Reflexionsfähigkeit auf einer sehr
hohen Stufe. Was einen wissenschaftlichen Standpunkt auszeichnet ist letztlich das Abgehen
von emotionaler oder individueller Involviertheit, seien dafür politische, kulturelle (religiöse)
oder sozioökonomische Gründe ausschlaggebend. Erst wer sich jeder unreflektierten
Äußerung enthält, kann für sich in Anspruch nehmen, wissenschaftlich zu argumentieren.
Wissenschaftliches Denken ist daher gleichzusetzen mit logischen, rein rationalem, also
ausschließlich sich an Sachkriterien orientierendem Denken, das bekannten Gesichtspunkten
folgt und sowohl die angelegten Maßstäbe offen legt wie an einmal bestimmten Parametern
festhält.
Gerade darin liegt ein unschätzbarer Wert dieser kleinen Schrift aus der Feder des größten
mittelalterlichen Gelehrten: weil sie in der Abgeschlossenheit des Thematik, in der Kürze und
Prägnanz der Gedankenführung, in der Beispielhaftigkeit an struktureller Gliederung und
logischer Durchführung, schließlich in der Klarheit ihrer Aussage wie Nüchternheit ihrer
Sprache in einzigartiger Weise jungen Menschen am Gymnasium vor Augen zu führen vermag,
was Wissenschaftlichkeit bedeutet. Ist jene doch immer noch das erklärte Ziel der AHS, selbst
wenn die in diesem Schultyp abgelegte Reifeprüfung schon seit Jahren und völlig zu recht
keineswegs mehr als Garant der gern gepriesenen Studierfähigkeit gilt.
Bibliographie:
Textgrundlage (mit geringfügigen Änderungen):
http://www.corpusthomisticum.org/ocg.html [Stand: 11. Mai 2007].
Kommentar und Übersetzung:
T h o m a s v o n Aq u i n , De rationibus fidei, kommentierte lateinsich-deutsche Textausgabe von Ludwig Hagemann /
Reinhold Glei, (in: Corpus Islamo-christianum CISC, Series Latina Bd. 2) CIS-Verlag, Altenberge 1987.
Literaturtipps:
G a b r i e l , M a r k A. , Jesus und Mohammed. Erstaunliche Unterschiede und überraschende Ähnlichkeiten, Gräfelfing 2006.
L e i m g r u b e r , S t e p h a n / W i m m e r , S t e f a n J . , Von Adam bis Muhamad, Stuttgart 2005.
S c h w e i z e r , G e r h a r d , Ungläubig sind immer die anderen. Weltreligionen zwischen Toleranz und Fanatismus,
2. aktualisierte Aufl., Stuttgart 2002.
Lat. OLYMPIADE 2007/08 50 © Claudia-Martina Perkounig