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22. Landesolympiade Latein und Griechisch in Oberösterreich 12.3

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Thomas v. Aqu<strong>in</strong>: De rationibus fidei DIALOG: Christentum - Islam<br />

es mit groÇer Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit zielfÅhrender gewesen, sich der Strategie e<strong>in</strong>e Thomas von<br />

Aqu<strong>in</strong> zu bedienen, was nichts anderes bedeutet hÄtte, als den Dialog zu beg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> sich auf<br />

die geme<strong>in</strong>samen Glaubensparameter zu bes<strong>in</strong>nen. Nicht anders sieht sich die Gesellschaft am<br />

Anbruch des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts gezwungen, auf e<strong>in</strong>e ebensolche rationalistische Methode die<br />

Åbrige Welt (demokratische „HÄretiker“ wie autoritÄr Denkende) von der Richtigkeit des<br />

aufgeklÄrten politischen Systems als „wahres Heil“ fÅr die Menschen zu Åberzeugen, im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>es ideellen Wahrheitsanspruches, der an die Stelle des materiellen Anspruches auf die<br />

Welt(vor)herrschaft tritt.<br />

Dass Thomas von Aqu<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>eswegs nur unchristlichen Muslime im Auge hatte, sondern<br />

pr<strong>in</strong>zipiell AndersglÄubige, d.h. auch abtrÅnnige Christen, die sich nicht der kanonisierten<br />

rÉmischen, also der katholischen Lehre anschlossen, macht der Verweis auf die christlichen<br />

HÄretiker (Text 8) augenfÄllig. Umso mehr darf das apologetische Opusculum des berÅhmten<br />

Scholastikers als allgeme<strong>in</strong>e Handreichung fÅr den missionarisch TÄtigen aufgefasst werden.<br />

E<strong>in</strong>es Ähnlichen missionarischen Konzeptes bedÅrften wir heute, nicht ausschlieÇlich im<br />

Umgang mit der islamisierten BevÉlkerung <strong>und</strong> dem religiÉs-politischen F<strong>und</strong>amentalismus,<br />

sondern nichts desto weniger <strong>in</strong> der Begegnung mit destabilisierten, immer offener zur Gewalt<br />

neigenden Jugendlichen <strong>und</strong> Aussteigern aus unserer - alle<strong>in</strong> bei Beuteilung nach<br />

marktwirtschaftlichen Kriterien – als „heil“ empf<strong>und</strong>enen Welt.<br />

Das Kapitel Åber das Fegefeuer (Text 8) zeigt dagegen im besonderen MaÇe, wie souverÄn<br />

Thomas von Aqu<strong>in</strong> Argumentationsmethoden verwendet: Er durchbricht hier, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Mal<br />

<strong>in</strong> der gesamten Schrift, das Konzept der re<strong>in</strong> philosophischen Argumentation, <strong>in</strong>dem er auf<br />

Schriftbeweise zurÅckgreift. Dass hier andere Adressaten, christliche HÄretiker, angesprochen<br />

s<strong>in</strong>d, ist die schlÅssige BegrÅndung, da es sich um e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerchristliche Debatte handelte:<br />

Wenn es nur das Paradies fÅr die absolut Re<strong>in</strong>en <strong>und</strong> die HÉlle als Kontrapunkt gibt, <strong>in</strong> der die<br />

Ruchlosen der ewigen Verdammnis verfallen s<strong>in</strong>d, was passiert dann mit all denjenen, die<br />

verzeihliche SÅnden begangen haben? Die Vorstellung e<strong>in</strong>er zeitlich begrenzten Strafe <strong>in</strong> der<br />

Form e<strong>in</strong>es re<strong>in</strong>igenden Fegefeuers ist logische Konsequenz, bis heute aber umstrittene<br />

Quellen<strong>in</strong>terpretation. Da die Annahme des Purgatoriums auf Endzeitvorstellungen aus der<br />

Apokalypse beruht, kann Thomas von Aqu<strong>in</strong> wieder auf die bewÄhrte Methode der<br />

Sprachreflexion zurÅckgreifen: Der „Tag des Herrn“ mÅsse nicht unbed<strong>in</strong>gt den Tag des<br />

Weltengerichts, also die Endzeit, den Weltuntergang me<strong>in</strong>en. Auch der <strong>in</strong>dividuelle Todestag<br />

e<strong>in</strong>es Menschen kÉnne so bezeichnet werden, an dem jeder E<strong>in</strong>zelne vor das gÉttliche Gericht<br />

treten <strong>und</strong> sich vor Christus als Richter verantworten muss. Somit steht das Feuer, <strong>in</strong> dem sich<br />

„der Tag des Herrn“ offenbaren werde, e<strong>in</strong>mal fÅr den apokalyptischen Weltuntergang <strong>und</strong><br />

bezeichnet das andere Mal das den sÅndigen Menschen nach se<strong>in</strong>em Tode erwartende Fegefeuer.<br />

Alle<strong>in</strong> jene, die an überhaupt nichts glauben, s<strong>in</strong>d aus der Verteidigungsschrift ausgenommen.<br />

Ihre Kritik setzt viel f<strong>und</strong>amentaler an. Wer nicht an die Existenz irgende<strong>in</strong>es Gottes<br />

(gleichgÅltig welches Gottes) glaubt, kann sich <strong>in</strong> der Argumentation nicht auf Wirkpr<strong>in</strong>zipien<br />

wie die gÉttliche Allmacht (Text 7, ã67) berufen. Hier werden Pr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> Zweifel gezogen,<br />

die e<strong>in</strong>em AndersglÄubigen, sei er nun christlicher HÄretiker oder sei er muslimischer<br />

Koranexeget, f<strong>und</strong>amental <strong>und</strong> selbstverstÄndlich s<strong>in</strong>d. Doch e<strong>in</strong>em solchen Menschen, e<strong>in</strong>em<br />

Nihilisten <strong>und</strong> Atheisten nach dem Zuschnitt e<strong>in</strong>es neuzeitlichen Philosophen wie Friedrich<br />

Nietzsche, konnte der Christ im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert gewiss nicht begegnen. Der mittelalterliche<br />

GlÄubige sah sich konfrontiert mit e<strong>in</strong>em eben so GlÄubigen, hier e<strong>in</strong>em Christen <strong>in</strong> der Gestalt<br />

e<strong>in</strong>es Arianers oder Nestorianers, dort den orthodoxen Griechen, im Orient den muslimischen<br />

Lat. OLYMPIADE 2007/08 39 © Claudia-Mart<strong>in</strong>a Perkounig

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