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22. Landesolympiade Latein und Griechisch in Oberösterreich 12.3

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Thomas v. Aqu<strong>in</strong>: De rationibus fidei DIALOG: Christentum - Islam<br />

c. zum Argumentationsstil:<br />

Im letzten Punkt der didaktischen Zielsetzungen schließt sich abermals der Bogen vom 21.<br />

zum 13. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> von Thomas von Aqu<strong>in</strong> zur Gegenwart: War es doch gerade jener<br />

Scholastiker, der e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung des religiÉsen Zwiespaltes<br />

(Åbrigens mit e<strong>in</strong>er beachtlichen politischen <strong>und</strong> Ékonomischen Dimension, die der heutigen<br />

unter BerÅcksichtigung der ProportionaliÄt <strong>in</strong> nichts nachsteht) auf sprachlicher <strong>und</strong> damit auf<br />

<strong>in</strong>tellektueller Ebene leistete.<br />

Das Mittelalter pochte im Wesentlichen auf Autoritäten. Sie spielen heute ebenso e<strong>in</strong>e Rolle, <strong>in</strong><br />

politischen wie <strong>in</strong> religiÉsen Fragen. Besonders im Islam (im Westen bekannt s<strong>in</strong>d vor allem<br />

jene FÅhrer wie Osama b<strong>in</strong> Laden, die den Terror organisieren), aber auch <strong>in</strong> den Demokratien<br />

Europas ist e<strong>in</strong> im Keim vorhandener Personenkult nicht zu Åbersehen: Charismatische PersÉnlichkeiten<br />

wie der jÅngst <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Amt gewÄhlte franzÉsische PrÄsident Nicolas Sarkozy, aber<br />

auch der vor kurzem abgetretene britische Premierm<strong>in</strong>ister Tony Blair oder vor wenigen Jahren<br />

der deutsche B<strong>und</strong>eskanzler Helmut Kohl, noch vor ihm Franäois Mitterrand <strong>in</strong> Frankreich, erst<br />

recht der âsterreicher Bruno Kreisky, der nicht nur wÄhrend se<strong>in</strong>er Kanzlerschaft 1970-1983<br />

Åber Jahrzehnte die sozialdemokratische <strong>und</strong> gesamtÉsterreichische Politik prÄgte, machen dies<br />

deutlich. Politiker von diesem Format stechen spielend ihre Parteien sowie deren ideologischen<br />

Backgro<strong>und</strong>. Insbesondere <strong>in</strong> Zeiten sich auflÉsender Strukturen <strong>und</strong> zerbrechender Ordnungssysteme,<br />

dort wo ke<strong>in</strong> Berufen auf GesetzbÅcher <strong>und</strong> sittliche Normen mÉglich ist, gew<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

Ermangelung e<strong>in</strong>er statischen Absicherung (auch BrÄuche, die sich <strong>in</strong> Kulthandlugen, Riten <strong>und</strong><br />

Gewohnheiten manifestieren, s<strong>in</strong>d gleich den schriftlich fixierten Gesetzen e<strong>in</strong>e quasi materielle<br />

StÅtze) Namen <strong>und</strong> Personen als dynamische Reflexionsbasis zunehmende Bedeutung.<br />

Was GlaubensautoritÄten betrifft, reicht dem Christen e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf die Heilige Schrift, um<br />

e<strong>in</strong>en Gedanken absolut zu setzen. Dort, wo die Bibel ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>deutigen Schluss zulÄsst, treten<br />

an ihre Stelle (<strong>in</strong> der katholischen Kirche) die KirchenvÄter <strong>und</strong> groÇe Kirchengelehrte, die im<br />

Laufe des 10.-13. Jahrh<strong>und</strong>erts immer stÄrker kanonisiert wurden. Durch die unter Thomas von<br />

Aqu<strong>in</strong> zum HÉhepunkt gelangte Scholastik reifte die erstarrte <strong>und</strong> verkrustete Bibelexegese zum<br />

unangreifbaren Dogma. Nicht anders verhÄlt es sich heute mit jenem Katalog von Rechten <strong>und</strong><br />

Freiheiten, der im Jahrh<strong>und</strong>erte dauernden Kampf von e<strong>in</strong>em liberal gestimmten BÅrgertum<br />

sukzessive erstritten wurde. An der Wende zum dritten Jahrtausend verkrustete diese<br />

Manifestation e<strong>in</strong>es gelebten Humanismus zu e<strong>in</strong>em Normenkatalog, der heute re<strong>in</strong> materiellen<br />

Wert zu besitzen sche<strong>in</strong>t: Jedermann beruft sich zwar darauf, doch, dass man Werte nur Åben<br />

kann, ist kaum jemandem gegenwÄrtig. Wie sich der Glaube von der SpiritualitÄt nÄhrt, so leben<br />

die Menschenrechte von ihrer Verwirklichung im Handlungsgeschehen. Andernfalls laufen sie<br />

Gefahr – man kann es tÄglich beobachten – im Streit um juristische Spitzf<strong>in</strong>digkeiten<br />

ause<strong>in</strong>ander genommen <strong>und</strong>, losgelÉst von ihrer philosophischen Basis, im Reibungsprozess der<br />

Handlungspraxis bis zu ihrem gÄnzlichen Verschw<strong>in</strong>den fragmentiert zu werden. Ist doch das<br />

geistesgeschichtliche F<strong>und</strong>ament, die Antriebskraft der aufgeklÄrten Philosophie, <strong>in</strong>sbesondere<br />

der jungen Generation (nicht zuletzt <strong>in</strong>folge der âkonomisierung der Bildungswerte) so gut wie<br />

ke<strong>in</strong> Begriff mehr. Wer BÅrger- <strong>und</strong> Menschenrechte jedoch nicht (gleich dem Glauben im<br />

heilsgeschichtlichen) im entwicklungsgeschichtlichen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> erdet, erliegt der Versuchung,<br />

sie nach GutdÅnken <strong>und</strong> zweckentfremdet auszulegen, Ähnlich den PharisÄern <strong>und</strong> streng<br />

glÄubigen Bibelexegeten, die nicht der im Abstrakten des Guten grÅndenden Idee, sondern der<br />

Herrschaft, Macht <strong>und</strong> der mit ihrer Hilfe zu gew<strong>in</strong>nenden irdischen GÅter <strong>und</strong> AnsprÅche<br />

wegen, ihre Geltung <strong>in</strong>s Treffen fÅhrten.<br />

Lat. OLYMPIADE 2007/08 37 © Claudia-Mart<strong>in</strong>a Perkounig

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