NeueChorszene 11 - Ausgabe 2a/2009

Diven und Kastraten seine Gesundheit
nachhaltig angriffen. Das Interesse des
Publikums an der Kunstform der italienischen
Oper ging mit der Zeit dramatisch
zurück. Das Publikum besuchte
lieber heitere Opern mit englischen
Texten. Am Saisonschluß1736/37 -
noch vor Händel - ging deshalb auch
seine Konkurrenz, die sog. Adelsoper,
in Konkurs.
Das englische Oratorium
Jede gesundheitliche Krise konnte
Händel durch Kuraufenthalte schließlich
doch überwinden.
Händel glaubte an die Oper im italienischen
Stile. Nach weiteren erfolglosen
Versuchen Händels, die italienische
Oper wieder zu beleben, trat bei
ihm ab 1736 allmählich das Oratorium
wieder in den Vordergrund. Seit 1742
hat er keine Oper mehr komponiert.
Stattdessen veranstaltete Händel von
1743 bis 1754 durchgehend eine jährliche
Oratoriensaison mit jeweils ein bis
zwei neuen Oratorien mit Themen aus
dem Alten Testament.
Das „Wunder“ Messiah
Auf die Gattung „englisches Oratorium“
wird bei den nachstehenden
Ausführungen zum Oratorium “Israel
in Egypt“ ausführlich eingegangen. An
dieser Stelle dürfen aber einige Informationen
zu Händels bekanntestem
Werk, dem Oratorium „Messiah“ nicht
fehlen. Im Februar 1741 kam die letzte
Oper unter Händels Leitung auf die
Bühne. Wieder einmal war Händel mit
der Oper gescheitert und er schien am
Ende. Er ließ verlauten, dass er kom-
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Sonderausgabe NC 2a / 09
menden Winter „nichts unternehmen“
werde. Doch da kam Charles Jennens,
der für Händel das Libretto zu dem erfolgreichen
Oratorium „Saul“ lieferte,
mit einem neuen Libretto, das er nicht
gedichtet, sondern das er aus Texten
der Heiligen Schrift zusammengestellt
hatte, und forderte Händel auf, dazu die
Musik zu komponieren. Einem Freund
schrieb Jennens: „Händel sagt, er wolle
kommenden Winter nicht arbeiten;
aber ich werde ihn hoffentlich überreden
können, eine weitere Zusammenstellung
von Bibelworten, die ich für
ihn vorbereitet habe, zu vertonen und
zu seinem eigenen Gewinn in der Karwoche
aufzuführen. 16 Ich hoffe, dass
er sein ganzes Genie und seine ganze
Fertigkeit einbringen wird, damit diese
Komposition all seine früheren Kompositionen
übertreffen wird, so wie das
Thema alle anderen Themen übertrifft.
Das Thema ist der Messias.“ 17
Für den gesundheitlich wieder angeschlagenen
Händel war die Komposition
ein Neubeginn nach allen bitteren
Fehlschlägen trotz zähen Ringens in
der letzten Zeit. Über die Entstehung
des „Messiah“ wurden später eine Reihe
romantischer Darstellungen verbreitet,
die um dieses Werk eine Aura des
Mystischen hüllten. 18 In der Tat ist es
erstaunlich, dass Händel die vollständi-
16 Aus dem Beiheft zur „Messiah“ unter Trevor
Pinnock Archiv Produktion 1988
17 Binder Seite 182
18 Stefan Zweig hat in dem Kapitel „Georg
Friedrich Händels Auferstehung“ seines Buches
„Sternstunden der Menschheit“ in literarisch meisterhafter
Weise eine immer wieder lesenswerte
und in den Einzelheiten untadelig recherchierte
Darstellung dieser Art über Händel und die Entstehung
des Messias gegeben. Sie wird im Juli
2009 als Fischer-Taschenbuch neu herausgegeben.