28.09.2013 Aufrufe

Michael Liska Ein Vergleich der rumänischen und bulgarischen Juden

Michael Liska Ein Vergleich der rumänischen und bulgarischen Juden

Michael Liska Ein Vergleich der rumänischen und bulgarischen Juden

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

99<br />

liegt wohl darin, daß in Rumänien bereits seit 1919 fast alle politischen Gruppen mit<br />

dem Antisemitismus Politik machten. We<strong>der</strong> König Carol II. noch Rumäniens erster<br />

kommunistischer Premier Petru Groza waren tatsächlich Antisemiten. Aber sie bedienten<br />

sich des vorhandenen Antisemitismus, wie das an<strong>der</strong>e Regierungen schon im<br />

Rumänien des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts getan hatten. In Bulgarien waren die antijüdischen<br />

Maßnahmen unpopulär. Seit Jahrhun<strong>der</strong>ten waren die Bulgaren gewohnt, mit an<strong>der</strong>en<br />

Nationalitäten wie Türken, Griechen, Zigeunern <strong>und</strong> <strong>Juden</strong> zusammenzuleben<br />

<strong>und</strong> kamen im allgemeinen gut miteinan<strong>der</strong> aus. Es fehlte <strong>der</strong> Bevölkerung das Verständnis<br />

für den Antisemitismus. Nur einige Splittergruppen auf <strong>der</strong> Rechten wie die<br />

Ratnici <strong>und</strong> die Legionäre gaben sich militant antisemitisch. Auch die Rumänen lebten<br />

schon lange mit an<strong>der</strong>en Nationalitäten zusammen, aber nicht ohne Reibungsflächen<br />

<strong>und</strong> Komplikationen.<br />

Die bulgarische Führung übernahm die deutsche <strong>Juden</strong>gesetzgebung nur halbherzig<br />

<strong>und</strong> rudimentär, ihre <strong>Juden</strong>politik war mehr ein Teil ihres Taktierens, nämlich<br />

ihre Loyalität gegenüber Deutschland unter Beweis zu stellen. Hauptmaxime <strong>der</strong> Politik<br />

<strong>der</strong> <strong>bulgarischen</strong> Führung <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e des Königs waren äußere Sicherheit<br />

<strong>und</strong> innere Stabilität. So kamen dem Kriegsverlauf <strong>und</strong> <strong>der</strong> öffentlichen Meinung<br />

auch bei <strong>der</strong> <strong>Juden</strong>politik großes Gewicht zu. Als im März <strong>und</strong> dann noch einmal im<br />

Mai 1943 die Frage <strong>der</strong> Deportation <strong>der</strong> <strong>bulgarischen</strong> <strong>Juden</strong> diskutiert wurde <strong>und</strong> die<br />

Vorbereitungen schon anliefen, war neben den Protesten aus <strong>der</strong> Öffentlichkeit entscheidend,<br />

daß die Regierung in dieser Frage wegen <strong>der</strong> geschwächten deutschen<br />

Position nach Stalingrad auch auf die Alliierten Rücksicht nehmen mußte. Nach dem<br />

Sommer 1943 war die Gefahr für die jüdische Bevölkerung weitestgehend gebannt.<br />

Die Deutschen gaben sich mit dem „Aufschub“ <strong>der</strong> Deportationen zufrieden <strong>und</strong> die<br />

Bulgaren lockerten die Bestimmungen für die <strong>Juden</strong> schrittweise, nicht zuletzt wegen<br />

<strong>der</strong> Sondierungen bei den Alliierten. Das Schicksal <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> hätte nur mehr durch<br />

zwei Ereignisse besiegelt werden können: zum einen durch einen Putsch <strong>der</strong> rechtsextremen<br />

Gruppierungen, zum an<strong>der</strong>en durch eine Okkupation durch deutsche Truppen.<br />

Beides hielt man aber in Berlin für aussichtslos.<br />

Bulgarien war mit seiner <strong>Juden</strong>politik unter den Achsenlän<strong>der</strong>n ein Son<strong>der</strong>fall,<br />

aber nicht die einzige Beson<strong>der</strong>heit. Bulgarien ist das Paradebeispiel für die Haltung<br />

eines Landes, das we<strong>der</strong> faschistisch noch antisemitisch, wohl aber „opportunistisch“<br />

war. Rumänien war zwar faschistisch <strong>und</strong> antisemitisch, aber keineswegs weniger<br />

opportunistisch.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!