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Michael Liska Ein Vergleich der rumänischen und bulgarischen Juden

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Gemäßigte auf, in solche, die im biologischen Sinne rassisch dachten, <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e,<br />

welche die <strong>Juden</strong> vorrangig aus den staatliche Ämtern verdrängen <strong>und</strong> den „jüdischen<br />

Geist“ bekämpfen wollten.<br />

Der Antisemitismus war aber nicht einfach mit dem erneuten Aufgreifen <strong>der</strong> <strong>Juden</strong>frage<br />

identisch. Als Ideologie war er eine Bewegung gegen die Zielsetzung <strong>der</strong><br />

Französischen Revolution <strong>und</strong> des Liberalismus. Eng verb<strong>und</strong>en war <strong>der</strong> Antisemitismus<br />

mit <strong>der</strong> Krise des bürgerlichen Denkens, die in <strong>der</strong> Rezession <strong>der</strong> 70’er <strong>und</strong><br />

80’er Jahre zum Ausbruch kam. Diese Krise äußerte sich in einem neuen <strong>und</strong> verschärften<br />

Nationalismus, in Fremdenhaß <strong>und</strong> antisozialistischen Affekten. Anhänger<br />

fanden die antisemitische Bewegung <strong>und</strong> die aus ihr hervorgegangenen Parteien beson<strong>der</strong>s<br />

im Kleinbürgertum. Stoecker 9 suchte 1878 die Anhänger für die von ihm<br />

gegründete antisemitische Partei vor allem in <strong>der</strong> Arbeiterschaft, scheiterte jedoch<br />

mit dieser Überlegung. Er än<strong>der</strong>te daraufhin den Namen <strong>der</strong> Partei von „Christlich-<br />

Soziale Arbeiterpartei“ in „Christlich-Soziale Partei“. An die Stelle <strong>der</strong> Arbeiter traten<br />

nun Handwerker, Kleinhändler <strong>und</strong> in geringem Maße Bauern, ferner Angehörige<br />

<strong>der</strong> akademischen Führungsschicht. Die Arbeiterschaft hat dem Antisemitismus<br />

weitgehend wi<strong>der</strong>standen, ebenso die Sozialdemokratie, die auf ihrem Parteitag 1893<br />

den Antisemitismus scharf ablehnte.<br />

Der mo<strong>der</strong>ne Antisemitismus blieb aber nicht nur auf Deutschland beschränkt.<br />

In Rußland kam es seit 1881 wie<strong>der</strong>holt zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung.<br />

Die Verfolgung des <strong>Juden</strong> Dreyfus 10 erschütterte ab 1894 ganz Frankreich <strong>und</strong><br />

hatte weltweites Echo. Beson<strong>der</strong>s starke antisemitische Strömungen gab es in Osteuropa<br />

(Beispiel Rumänien, siehe Vorwort). Die konsequenteste Ausprägung fand <strong>der</strong><br />

Antisemitismus aber in Deutschland.<br />

Was die Gründung einer Partei anging, bestanden unter den Antisemiten zwei<br />

Richtungen: Die eine betrachtete den Antisemitismus als Weltanschauung, die möglichst<br />

in allen Parteien durchgesetzt werden sollte, die an<strong>der</strong>e wünschte ihn zum<br />

zentralen Programmpunkt einer Partei zu machen. Große Erfolge brachte die Grün-<br />

9 Adolf Stoecker: evangelischer Theologe <strong>und</strong> Politiker, geboren am 11.12.1835 in Halberstadt, gestorben am 7.2.1909<br />

in Bozen. 1874–1890 Dom- <strong>und</strong> Hofprediger in Berlin, 1877 Leiter <strong>der</strong> Berliner Stadtmission. Er gründete 1878 die<br />

Christlichsoziale Arbeiterpartei, <strong>und</strong> war Mitbegrün<strong>der</strong> des Evangelisch-sozialen Kongresses (1890). Sein Versuch,<br />

die Arbeiterschaft vom Sozialismus zu lösen <strong>und</strong> für die Monarchie zu gewinnen, scheiterte unter an<strong>der</strong>em an <strong>der</strong><br />

Haltung Wilhelms II. Stoecker war ein betonter Antisemit.<br />

10 Dreyfus Alfred: geboren am 9.10.1859 in Mühlhausen im Elsaß, gestorben am 12.7.1935 in Paris. Dreyfus, ein<br />

Hauptmann jüdischer Herkunft im französischen Generalstab, wurde 1894 wegen angeblichen Verrats militärischer<br />

Geheimnisse an Deutschland aufgr<strong>und</strong> gefälschter Dokumente in einem unrechtmäßigen Prozeß zu lebenslänglicher<br />

Deportation verurteilt. Der Schriftsteller E. Zola löste mit seiner Veröffentlichung „J’accuse“, in <strong>der</strong> er die Regierung<br />

scharf angriff, 1898 die Dreyfus-Affäre aus, die zu heftigen innenpolitischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen <strong>und</strong> zu einem<br />

Aufleben des Antisemitismus führte. Dreyfus wurde 1899 nach einer Wie<strong>der</strong>aufnahme des Verfahrens zu 10 Jahren<br />

Gefängnis verurteilt, aber begnadigt. 1906 wurde er schließlich gänzlich freigesprochen <strong>und</strong> rehabilitiert.

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