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Michael Liska Ein Vergleich der rumänischen und bulgarischen Juden

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<strong>Juden</strong> wurden unter Bewachung <strong>der</strong> Polizei bis zur Grenze geschafft <strong>und</strong> ausgewiesen.<br />

Die Masse <strong>der</strong> ausländischen <strong>Juden</strong>, die aus Mitteleuropa vor den Nationalsozialisten<br />

geflohen waren, hofften, über Bulgarien nach Palästina zu gelangen. <strong>Ein</strong>ige<br />

zionistische Organisationen suchten sogar Schiffe für den Transport, als die Annäherung<br />

Bulgariens an das Dritte Reich immer deutlicher wurde. Jedoch blieben viele<br />

<strong>Juden</strong> im Land, nachdem eines <strong>der</strong> Schiffe Richtung Palästina infolge einer Havarie<br />

im Marmarameer versunken war. Dieser Vorfall löste im Parlament heftige Diskussionen<br />

über die antisemitische Politik aus, weitere Schiffstransporte nach Palästina<br />

wurden abgesagt. 58<br />

Im September 1939 häuften sich antisemitische Töne in Presse <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funk.<br />

Die Aufnahme des früheren Mitglieds einer rechtsgerichteten Partei, Peter Grabovski,<br />

in die Regierung im Oktober 1939 alarmierte die jüdische Bevölkerung. Grabovski<br />

war zunächst Eisenbahnminister <strong>und</strong> ab 15. Februar 1940 Innenminister. Er<br />

holte seinen Protegé, ein führendes Mitglied <strong>der</strong> rechtsextremen „Ratnici“, Alexan<strong>der</strong><br />

Belev, ins Ministerium, um die juristische Sektion zu leiten, tatsächlich aber als<br />

Experten für <strong>Juden</strong>fragen. Als Mitarbeiter wurden an<strong>der</strong>e Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Ratnici“<br />

hinzugezogen. Belev unterhielt enge Beziehungen zu Berlin, um den deutschen<br />

Wünschen nach <strong>Ein</strong>führung antisemitischer Gesetze nach dem Vorbild <strong>der</strong> Nürnberger<br />

Rassengesetze Rechnung zu tragen. König Boris stimmte diesem Anliegen in <strong>der</strong><br />

Hoffnung auf wirtschaftliche <strong>und</strong> außenpolitische Vorteile trotz einiger Bedenken<br />

zu.<br />

Im Sommer 1940 besuchte <strong>der</strong> inzwischen zum „<strong>Juden</strong>kommissar“ ernannte<br />

Belev Deutschland, um die Nürnberger Gesetze zu studieren. Nach seiner Rückkehr<br />

kündigte Innenminister Grabovski die Vorlage eines „Gesetzes zum Schutze <strong>der</strong> Nation“<br />

an. Hitzige Debatten in <strong>der</strong> Öffentlichkeit wurden dadurch ausgelöst, es gab in<br />

den verschiedensten Kreisen <strong>der</strong> Bevölkerung sowohl Gegner als auch Befürworter<br />

des Gesetzes. Angesichts <strong>der</strong> ihr unangenehmen öffentlichen Kontroverse peitschte<br />

die „Sobranje“ 59 das unter deutschem Druck entstandene unpopuläre Gesetz rasch<br />

durch. Die Parlamentsdebatte beanspruchte nur drei Tage <strong>und</strong> 2 Lesungen, <strong>und</strong><br />

schließlich wurde das Gesetz mit nur geringfügigen Än<strong>der</strong>ungen angenommen.<br />

Peinlich waren für die Regierung die Passagen gegen das Freimaurertum, da <strong>der</strong> Ministerpräsident<br />

Filov <strong>und</strong> Innenminister Grabovski ehemalige Freimaurer waren.<br />

58 CHARY Fre<strong>der</strong>ick B., The Bulgarian Jews and The Final Solution 1940–1944, Pittsburgh 1972, S 36.<br />

59 Das bulgarische Parlament. Als einziges Achsenland hatte Bulgarien einige Beson<strong>der</strong>heiten aufzuweisen. Es gab ein<br />

funktionierendes Parlament, das sogar Gesetze verabschiedete. An<strong>der</strong>s als das slowakische Parlament, das ebenfalls<br />

Gesetze erließ, war es keine reine Zustimmungsmaschine, son<strong>der</strong>n ein Ort <strong>der</strong> Diskussionen, <strong>der</strong> Debatten, von Protesten,<br />

wo sogar politische Entscheidungen korrigiert wurden, z.B. die <strong>Juden</strong>gesetzgebung.

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