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Michael Liska Ein Vergleich der rumänischen und bulgarischen Juden

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auf dem Weg dorthin starben viele <strong>der</strong> Deportierten, Quellen sprechen von 125.000.<br />

Die Lage <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in Transnistrien war nicht weniger katastrophal als die <strong>der</strong><br />

deutschen KZ-Häftlinge. Entbehrungen, Krankheit, Seuchen, Mißhandlungen,<br />

Zwangsarbeit <strong>und</strong> willkürliche Exekutionen prägten bis 1943 in Transnistrien den<br />

jüdischen Alltag. Terrorwellen, Arbeitsdienste, Lagerinternierung <strong>und</strong> häufig die<br />

bürgerliche, wirtschaftliche <strong>und</strong> politische Entrechtung standen dagegen bei den <strong>Juden</strong><br />

in Altrumänien auf <strong>der</strong> Tagesordnung. Das Genozid hat, da Transnistrien nie annektiert<br />

wurde, im exterritorialen Abseits auch unter Rumäniens <strong>Juden</strong> stattgef<strong>und</strong>en,<br />

wenn auch in an<strong>der</strong>er Form als in Auschwitz 211 <strong>und</strong> den an<strong>der</strong>en Vernichtungslagern.<br />

Hier wird oft <strong>der</strong> Begriff „vergessener Holocaust“ gebraucht.<br />

Dieser „vergessene Holocaust“ betrifft insbeson<strong>der</strong>e die Vorfälle während des<br />

deutsch-<strong>rumänischen</strong> Truppenaufmarsches gegen die Sowjetunion an <strong>und</strong> hinter dem<br />

Pruth. Erst am 3. Juli 1941, fast zwei Wochen nach dem Angriff auf die Sowjetunion,<br />

kam hier die Ostfront in Bewegung. Die Aktionen gegen die <strong>Juden</strong> begannen mit<br />

dem Pogrom von Iasi vom 29. Juni <strong>und</strong> mündeten schließlich im Oktober weiter östlich<br />

in den <strong>Juden</strong>massakern von Odessa. In wenigen Wochen starben unzählige rumänische<br />

<strong>und</strong> ukrainische <strong>Juden</strong>, <strong>der</strong>en Leiden dokumentarisch kaum nachweisbar<br />

ist. Die Angaben für rumänische Aktionen können nur abger<strong>und</strong>et werden. <strong>Ein</strong> deutscher<br />

Offizier hörte in Verbindung mit dem Massaker von Odessa, dem wahrscheinlich<br />

größten des Krieges, die Zahl von 40.000 Toten. 212<br />

Die Entscheidungen Bukarests bezüglich <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> waren durch historisch bedingte,<br />

ideologische <strong>und</strong> wirtschaftliche Überlegungen zwar beeinflußt, insgesamt<br />

aber doch eine Mischung aus unklaren o<strong>der</strong> gar nicht definierten Vorurteilen <strong>und</strong><br />

handfesten wirtschaftlichen <strong>und</strong> außenpolitischen Erwägungen. Diese Verkettung<br />

muß in die Betrachtung <strong>der</strong> Politik Rumäniens gegenüber den <strong>Juden</strong> einbezogen<br />

werden, will man einseitige Erklärungen vermeiden. Es erscheint mir wenig sinnvoll,<br />

darüber zu mutmaßen, ob König Carol II. im August 1940 die ersten antijüdischen<br />

Gesetze nur deswegen erlassen hatte, um den Gebietsansprüchen Ungarns zuvorzukommen<br />

<strong>und</strong> den Zweiten Wiener Schiedsspruch abzuwenden, o<strong>der</strong> ob die Gesetze<br />

allein aus <strong>der</strong> zunehmenden wirtschaftlichen Abhängigkeit Rumäniens von<br />

Deutschland zu begründen sind. Für Carol II. gab es neben dem außenpolitischen<br />

211 AUSCHWITZ: polnisch Oswiecim, Stadt in <strong>der</strong> polnischen Wojewodschaft Krakau an <strong>der</strong> Weichsel, hatte 1985<br />

39.000 <strong>Ein</strong>wohner; chemische, Maschinen- <strong>und</strong> Metallindustrie; in <strong>der</strong> Nähe ab 1940 nationalsozialistisches Konzentrationslager,<br />

das ab 1941 zum Vernichtungslager ausgebaut wurde. In den <strong>Ein</strong>zellagern (darunter Birkenau) des<br />

r<strong>und</strong> 40 km 2 großen KZ-Bereichs starben mindestens r<strong>und</strong> 1,5 Millionen Menschen, vor allem <strong>Juden</strong> aus nichtdeutschen<br />

europäischen Län<strong>der</strong>n.<br />

212 HILBERG Raul, Die Vernichtung <strong>der</strong> europäischen <strong>Juden</strong>, Band 2, Frankfurt am Main 1993, S 320-321

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