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Michael Liska Ein Vergleich der rumänischen und bulgarischen Juden

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sprach, die Politik ihnen gegenüber zu lockern. Er wies aber auch darauf hin, daß<br />

sich noch deutsche Truppen <strong>und</strong> Angehörige <strong>der</strong> SS im Lande befänden. Sie könnten<br />

im schlimmsten Fall intervenieren. <strong>Juden</strong>kommissar Stomonjakov ernannte zum<br />

neuen Vorsitzenden des Zentralkonsistoriums den Obersten Tadscher, <strong>der</strong> von <strong>Juden</strong><br />

<strong>und</strong> Bulgaren sehr geschätzt wurde. Außerdem hatte er im Ersten Weltkrieg in <strong>der</strong>selben<br />

<strong>Ein</strong>heit wie Ministerpräsident Bagrjanov gekämpft. 204<br />

In <strong>der</strong> Regierungserklärung vom 17. August 1944 kündigte <strong>der</strong> Ministerpräsident<br />

vorsichtig an, daß Bulgarien aus dem Krieg ausscheiden wolle, die verbliebenen<br />

deutschen <strong>Ein</strong>heiten abziehen, <strong>und</strong> daß auf die jüdische Bevölkerung viele Erleichterungen<br />

zukommen würden. Am 31. August 1944, als die Rote Armee bereits in Rumänien<br />

<strong>und</strong> damit an Bulgariens Grenzen stand, als Unterhändler in Kairo die Alliierten<br />

um Frieden baten, hob die Regierung alle Beschränkungen für die <strong>Juden</strong> auf,<br />

die durch das „Gesetz zum Schutze <strong>der</strong> Nation“ <strong>und</strong> darauf basierende Erlässe festgelegt<br />

waren. Die <strong>Juden</strong> erhielten ihre vollen bürgerlichen Rechte zurück, das Verbot<br />

<strong>der</strong> jüdischen Organisationen <strong>und</strong> Institutionen wurde aufgehoben. Ebenso wurden<br />

die Son<strong>der</strong>steuern für die <strong>Juden</strong> aufgehoben, ihre rechtliche <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Gleichstellung damit wie<strong>der</strong>hergestellt. Die Regierung versprach außerdem die<br />

Rückgabe des konfiszierten Eigentums, was sich allerdings schwierig gestalten<br />

sollte. Das Kommissariat für <strong>Juden</strong>fragen wurde dem Finanz- <strong>und</strong> Justizministerium<br />

unterstellt <strong>und</strong> erhielt nun eine neue Aufgabe: die Unterstützung <strong>der</strong> Rückgabe des<br />

jüdischen Eigentums <strong>und</strong> die rechtliche Gleichstellung. Da die Rote Armee schon an<br />

<strong>der</strong> Donau stand, ließen die Deutschen ihre Pläne zur Intervention <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>setzung<br />

einer rechtsgerichteten Regierung fallen <strong>und</strong> bereiteten ihren Rückzug vor. Unterdessen<br />

wurden die Waffenstillstandsverhandlungen in Kairo fortgesetzt, aber ohne nennenswerte<br />

Ergebnisse. 205<br />

Am 5. September 1944 wurde erneut die Regierung umgebildet. Unter Ministerpräsident<br />

Muraviev wurde ein bürgerliches, westlich orientiertes Kabinett aus<br />

den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> vormals legalen Opposition gegründet. Man hoffte, dadurch ein<br />

größeres Entgegenkommen <strong>der</strong> Alliierten zu erreichen. Doch wurden bei den Kairoer<br />

Verhandlungen weiterhin keine Fortschritte erzielt. 206 In <strong>der</strong> <strong>Juden</strong>politik tat sich<br />

204CHARY Fre<strong>der</strong>ick B., The Bulgarian Jews and The Final Solution 1940–1944, Pittsburgh 1972, S 173.<br />

205CHARY Fre<strong>der</strong>ick B., The Bulgarian Jews and The Final Solution 1940–1944, Pittsburgh 1972, S 173–174 sowie<br />

HOPPE Hans-Joachim, Bulgarien – Hitlers eigenwilliger Verbündeter. <strong>Ein</strong>e Fallstudie zur nationalsozialistischen<br />

Südosteuropapolitik, Stuttgart 1979, S 158–174.<br />

206An dieser Stelle muß angemerkt werden, daß ein Waffenstillstand mit den Westmächten nichts an <strong>der</strong> sowjetischen<br />

Kriegführung geän<strong>der</strong>t hätte. Bulgarien hätte besser mit den Sowjets Kontakte aufgenommen. Ob dadurch Bulgarien<br />

vor einem sowjetischen <strong>Ein</strong>marsch verschont geblieben wäre, bleibt Spekulation.

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