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Das größte Verbrechen des Strafgesetzes. - Welcker-online.de

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tion muß lauten: Lungentuberkulose — und sei es nur ein Spitzenkatarrh —<br />

Abtreibung; es sei <strong>de</strong>nn, daß die Schwangere trotz Kenntnis <strong>de</strong>r Gefahr ein leben<strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Kind wünscht, Diese For<strong>de</strong>rung ringt sich ohnehin gera<strong>de</strong> zur Anerkennung<br />

durch. Aber sie genügt nicht. Eine große Zahl scheinbar gesun<strong>de</strong>r<br />

Frauen erwirbt während <strong>de</strong>r Gravidität o<strong>de</strong>r im Wochenbett Tuberkulose, beson<strong>de</strong>rs<br />

bei gehäuften Geburten. Dieses Übel läßt sich nicht in 'Formeln fassen,<br />

man muß es <strong>de</strong>m Arzte anheimstellen, wie im einzelnen Falle zu han<strong>de</strong>ln<br />

sei.<br />

in gewissem Sinne ein Gegenstück zur tuberkulösen Schwangeren ist<br />

die herzkranke. Ein herzkranker Organismus ist min<strong>de</strong>r leistungsfähig; wenn<br />

aber <strong>de</strong>r Fehler einmal kompensiert ist, so kann er bei gehöriger Haltung unabsehbar<br />

ohne Verschlimmerung weiter leben. Es ist kein zehren<strong><strong>de</strong>s</strong> Fieber in<br />

ihm, <strong>de</strong>r Fall liegt ungünstig quo ad sanationem completam, meistens günstig<br />

quo ad vitam. Wenn wir auch hier, ganz im allgemeinen leichte, mittelschwere<br />

und schwere Formen unterschei<strong>de</strong>n, so liegen die Verhältnisse <strong>de</strong>rart, daß<br />

schwere Formen das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schwangerschaft gar nicht erleben, weil das<br />

mütterliche Herz <strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rten Mehrarbeit erliegt. Daher besteht hier unbestritten<br />

die Indikation zum künstlichen Abort. Leichte Formen überstehen<br />

die Anfor<strong>de</strong>rungen von Schwangerschaft,Geburt und Wochenbett; nur freilich<br />

fast nie ohne mehr o<strong>de</strong>r weniger erhebliche Beschwer<strong>de</strong>n, die hernach nicht<br />

immer spurlos verschwin<strong>de</strong>n. Mittelschwere Fälle sind beson<strong>de</strong>rs durch <strong>de</strong>n<br />

Geburtsakt mit seiner Anstrengung und <strong>de</strong>m dann plötzlich verän<strong>de</strong>rten Blutdruck<br />

vital gefähr<strong>de</strong>t; aber auch die letzten Monate <strong>de</strong>r Schwangerschaft pflegen<br />

beträchtliche Störungen zu bringen, so daß die Schwangere gewöhnlich<br />

diese Zeit zu Bette zubringen muß. Hier heißt das offizielle Gesetz: Zuwarten<br />

und nur eingreifen, wo lebensbedrohliche Störungen auftreten. <strong>Das</strong> mag gelten,<br />

wo eine schwangere Frau trotz Kenntnis <strong>de</strong>r Gefahr ein leben<strong><strong>de</strong>s</strong> Kind<br />

wünscht, aber vor einer Herzkranken, die darauf kein Gewicht legt, z. B. weil<br />

sie ledig ist o<strong>de</strong>r schon genug Kin<strong>de</strong>r hat, kann die Regel nicht bestehen.<br />

Denn abgesehen davon, daß die Gefahr <strong><strong>de</strong>s</strong> Geburtsaktes niemals voraus geschätzt<br />

wer<strong>de</strong>n kann, also ein plötzlicher Tod imminent ist, muß hier wie<strong>de</strong>rholt<br />

wer<strong>de</strong>n, was von <strong>de</strong>r Tuberkulösen gesagt wur<strong>de</strong>: man verbietet <strong>de</strong>r<br />

Herzkranken so viele schwer entbehrliche Genußmittel, sie darf nicht arbeiten,<br />

nicht Treppen steigen, ja sogar <strong>de</strong>r Geschlechtsverkehr wird ihr häufig<br />

untersagt, aber man verlangt von ihr mutige To<strong><strong>de</strong>s</strong>verachtung zu Gunsten eines<br />

Zellhaufens, da es auch hier natürlich auf eine Fruchtabtreibung in <strong>de</strong>n<br />

ersten Monaten ankommt.<br />

<strong>Das</strong> möge zur Beleuchtung <strong><strong>de</strong>s</strong> offiziellen Standpunktes unserer Ärzte<br />

genügen. Die Syphilisfrage, die Nierenentzündung, das unstillbare Erbrechen,<br />

die Anämien, ferner die mechanischen Notwendigkeiten <strong>de</strong>r Abtreibung seien<br />

nur erwähnt. Überall wird man offiziell die gleiche Engherzigkeit fin<strong>de</strong>n.<br />

Am schlimmsten vielleicht ist das Interesse <strong>de</strong>r Geisteskranken vertreten.<br />

Ungefähr zehn von hun<strong>de</strong>rt geisteskranken Frauen sind Schwangere und<br />

Wöchnerinnen. Angeblich gehen etwa die Hälfte davon in Heilung aus. Es ist<br />

schwer zu entschei<strong>de</strong>n, ob die heilbare o<strong>de</strong>r die unheilbare Psychose fürchterlicher<br />

ist. Wer sich in das Seelenleben eines geheilten Wahnsinnigen hinein<strong>de</strong>nkt,<br />

wird die Angst vor <strong>de</strong>m Wahnsinn darin fin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn was einmal geschehen<br />

ist, kann wie<strong>de</strong>r geschehen und die Angst ist so ziemlich das<br />

Schlimmste von allem, was es auf Er<strong>de</strong>n Schlimmes gibt. Die Angst ist bei<br />

weitem schrecklicher, als <strong>de</strong>r Wahnsinn selbst, von <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Walten <strong>de</strong>r Kranke<br />

sich nicht Rechenschaft gibt, in<strong>de</strong>m er sich oft ganz beson<strong>de</strong>rs glücklich und<br />

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