Das größte Verbrechen des Strafgesetzes. - Welcker-online.de
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siert hat. Sein Werk ist nur ein blen<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>s</strong> Artefakt. Wagner hat die Theorie<br />
Wagners geliefert. Aber »Shakespeare konnte keine Theorie Shakespeares liefern«,<br />
sagt Emerson, <strong>de</strong>r letzte Halkyonier.<br />
Karl Hauer.<br />
* * *<br />
Am Krankenbett <strong><strong>de</strong>s</strong> Bürgermeisters.<br />
Dem Bürgermeister geht es besser, und so häßlich ist nicht einmal <strong>de</strong>r<br />
Haß <strong>de</strong>r 'Neuen Freien Presse', daß er <strong>de</strong>m Tod die Beute dieser beson<strong>de</strong>ren<br />
Lebensfülle gegönnt hätte. in solchem Moment schweigt die politische Gegnerschaft<br />
und freisinnige und antiliberale Presse sind einig in <strong>de</strong>m Bestreben,<br />
<strong>de</strong>m Publikum keine einzige <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m Kranken vorgenommenen Blasenausspülungen<br />
zu verheimlichen. Am weitesten in schamlosen Eingriffen in das<br />
Privatsterben einer offiziellen Persönlichkeit geht unstreitig das 'Extrablatt'.<br />
Da es schon schlimm um Dr. Lueger stand, wur<strong>de</strong> er bekanntlich mit <strong>de</strong>m<br />
Großkreuz <strong><strong>de</strong>s</strong> Franz—Josefs—Or<strong>de</strong>ns versehen. Da sich aber sein Zustand<br />
verschlimmerte, verlangte er nach <strong>de</strong>m Priester. Nun möchte man glauben,<br />
daß zwischen <strong>de</strong>m geistlichen Besucher und <strong>de</strong>m Tod kein journalistischer<br />
Gast mehr ans Krankenbett zu treten habe. Niemand konnte damals an solche<br />
Möglichkeit <strong>de</strong>nken, konnte glauben, daß just in dieser Stun<strong>de</strong> »einer unserer<br />
Redakteure Gelegenheit haben« wer<strong>de</strong>. Aber die Wiener Presse hat mit <strong>de</strong>m<br />
Usus gebrochen, daß <strong>de</strong>r Priester es ist, <strong>de</strong>r die letzten Originalnachrichten<br />
eines Sterben<strong>de</strong>n empfängt, und nach <strong>de</strong>r letzten Ölung kommt noch das letzte<br />
Interview. <strong>Das</strong> 'Extrablatt' hört, daß Dr. Karl Lueger im Sterben liege und<br />
daß ihm die Sakramente gereicht wor<strong>de</strong>n seien. <strong>Das</strong> Unabwendbare geschieht.<br />
Rasch tritt <strong>de</strong>r Originalzeichner <strong><strong>de</strong>s</strong> 'Extrablatts' <strong>de</strong>n Menschen an.<br />
(Er hat mit <strong>de</strong>m Tod die weitere Eigenschaft gemeinsam, daß er die Züge entstellt)<br />
... Aber er stört wenigstens nicht durch seine Anwesenheit, wenn sich<br />
ein Ereignis begibt. Und etwas, das über die maßlose Frechheit, eine Illustration<br />
<strong>de</strong>r Versehung <strong><strong>de</strong>s</strong> Bürgermeisters zu bringen, noch hinausgeht, hat man<br />
nicht erwartet. Man kann aber selbst vom 'Extrablatt' noch überrascht wer<strong>de</strong>n.<br />
Am 9. Februar 1907 hat es sich begeben, daß ein Reporter in das Rathaus<br />
eindrang, um <strong>de</strong>m Bürgermeister die Tröstungen <strong>de</strong>r Wiener Presse zu<br />
spen<strong>de</strong>n. Dr. Lueger verlor auch in dieser Situation seinen Humor nicht. »Als<br />
<strong>de</strong>r Bürgermeister von <strong>de</strong>r Anwesenheit unseres Vertreters in seiner Wohnung<br />
erfuhr, rief er mit lauter Stimme: 'Soll nur hereinkommen!'« Und stand<br />
Re<strong>de</strong> und Antwort. »Mein Testament enthält keinerlei die Öffentlichkeit interessieren<strong>de</strong><br />
Details«. … »Die Zeitungen aller Parteien berichteten ausführlich<br />
(über die Krankheit), zu ausführlich sogar« … »Dr. Lueger teilte dann mit,<br />
daß er nie Zeit gefun<strong>de</strong>n habe, seine Memoiren zu schreiben. Nicht einmal<br />
kleine Aufzeichnungen sind vorhan<strong>de</strong>n.« (Aus dieser Bemerkung scheint hervorzugehen,<br />
daß <strong>de</strong>r Vertreter <strong><strong>de</strong>s</strong> 'Extrablatts' <strong>de</strong>n Bürgermeister um seinen<br />
Nachlaß ersucht hat.) Und schließlich die in ihrer Objektivität vernichten<strong>de</strong><br />
Kritik <strong><strong>de</strong>s</strong> Versehbil<strong><strong>de</strong>s</strong>, die das 'Extrablatt' als Kompliment auffaßt: »<strong>Das</strong><br />
wollte ich Ihnen noch sagen, daß ich das letzte Bild im 'Extrablatt', meine Versehung<br />
mit <strong>de</strong>n Sterbesakramenten, gesehen habe. War ganz gut. Nur <strong>de</strong>n<br />
Herrn Probst Menda hätte Ihr Zeichner an<strong>de</strong>rs postieren sollen. Der ist nicht<br />
neben <strong>de</strong>m Herrn Prälaten Schmolk gestan<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn seitwärts beim Fenster.<br />
Aber bei <strong>de</strong>r Eile, wie die Zeichner arbeiten, wird manches begreiflich.«<br />
Man sollte es nicht für möglich halten, aber es geschah: Einer unser er Re-<br />
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