Das größte Verbrechen des Strafgesetzes. - Welcker-online.de
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aber auch die Geburt an sich hat keine, und aus <strong>de</strong>r Quappe wird so unmerklich<br />
ein Mensch, daß alle experimentelle Psychologie keine Grenze fin<strong>de</strong>n<br />
kann. Der Gesetzgeber braucht Grenzen und wählt sie willkürlich. Er <strong>de</strong>kretiert,<br />
daß man mit vierundzwanzig Jahren großjährig, mit vierzehn Jahren<br />
strafrechtlich verantwortlich, mit sechs Jahren schulpflichtig und von <strong>de</strong>r Geburt<br />
an ein Mensch ist. Dem Rechte <strong>de</strong> geborenen Kin<strong><strong>de</strong>s</strong> kommt dabei zugute,<br />
daß es, wie hilflos es auch ist, doch auch von an<strong>de</strong>ren als <strong>de</strong>r leiblichen<br />
Mutter weitergebracht wer<strong>de</strong>n, kann, z. B. wenn es sein muß vom Staat, während<br />
das Ungeborene tatsächlich portio vel pars viscerum mulieris ist.<br />
Wenn <strong>de</strong>r Embryo kein Mensch ist, so stellt er kein strafrechtlich<br />
schützbares Individuum dar, und wenn er diesen Schutz <strong>de</strong>nnoch genießt, so<br />
müßte die Berechtigung <strong><strong>de</strong>s</strong> Schutzes an<strong>de</strong>rswoher stammen. Vielleicht daher,<br />
daß er ein Rechtsgut seiner Eltern ist. Selten schwankt die Wertschätzung<br />
eines Rechtsgutes so sehr, wie die <strong><strong>de</strong>s</strong> Nasciturus in <strong>de</strong>n Augen seiner<br />
Erzeuger. Es geht nicht an, alle, die Nachwuchs aus sozialen, hygienischen<br />
o<strong>de</strong>r sonst anerkennenswerten Grün<strong>de</strong>n nicht wünschen, unnatürliche Eltern<br />
o<strong>de</strong>r, da man mit Vätern nicht so strenge ins Gericht geht, wi<strong>de</strong>rwillig<br />
Schwangere »entmenschte Mütter« zu nennen. Denn es sind noch keine Mütter.<br />
<strong>Das</strong> Kind im Mutterleibe kann nicht Zärtlichkeitsobjekt sein. Es eignet<br />
sich nicht einmal zum Fetisch, die Mutter weiß gar nicht, wie es aussieht, und<br />
selbst wenn sie gelehrt ist, wird sie niemals mit Liebesgefühlen an <strong>de</strong>n Embryo<br />
mit <strong>de</strong>n Augenblasen, <strong>de</strong>n Kiemenbögen und Allantois, son<strong>de</strong>rn an ein<br />
herziges Kindlein mit weißem Häubchen und himmelblauen Maschen <strong>de</strong>nken,<br />
das außer in ihrer Einbildung noch nirgendwo existiert. Man könnte ja annehmen,<br />
daß mit <strong>de</strong>r Nidation <strong><strong>de</strong>s</strong> Embryos reflektorisch o<strong>de</strong>r aus mystischen<br />
Grün<strong>de</strong>n die Mutterliebe erwacht, aber Mystik ist zur Rechtsfindung gänzlich<br />
ungeeignet. Da man die Frauen zur Austragung ihrer Leibesfrucht zwingt,<br />
geht <strong>de</strong>r Schutz <strong><strong>de</strong>s</strong> Embryos weit über <strong>de</strong>n einem Rechtsgut gebühren<strong>de</strong>n<br />
hinaus und stammt aus einer an<strong>de</strong>ren Quelle.<br />
Aus <strong>de</strong>n Eigenschaften <strong><strong>de</strong>s</strong> Embryo ergibt sich kein Grund für einen<br />
Schutz, ausgenommen in <strong>de</strong>r Zeit, da er schon außerhalb <strong><strong>de</strong>s</strong> mütterlichen Organismus<br />
lebensfähig ist. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n hat <strong>de</strong>r Gesetzgeber vergessen. in einem<br />
Urteil <strong><strong>de</strong>s</strong> Kassationshofes (21. 11. 1891) han<strong>de</strong>lt es sich um Abtreibung<br />
<strong>de</strong>r Leibesfrucht im achten Monat, also zu einer Zeit, wo man besser von<br />
künstlicher Frühgeburt spricht. <strong>Das</strong> Kind lebte. Hier ward nur auf Versuch<br />
<strong>de</strong>r Fruchtabtreibung erkannt und <strong>de</strong>mgemäß mil<strong>de</strong>r gestraft. Es ist aber kein<br />
Zweifel, daß <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong> durch Einleitung <strong>de</strong>r Frühgeburt außeror<strong>de</strong>ntlich gescha<strong>de</strong>t<br />
wur<strong>de</strong>. Körperliche Entwicklung, geistige Fähigheit sind in <strong>de</strong>r eminentesten<br />
Gefahr, und es ist offenbar be<strong>de</strong>utend schlimmer, durch <strong>de</strong>n Versuch<br />
<strong>de</strong>r Fruchtabtreibung einen rachitischen Krüppel in die Welt zu setzen,<br />
<strong>de</strong>r bis zum Schwangerschaftsen<strong>de</strong> ausgetragen ein gesun<strong>de</strong>r, fröhlicher Bub<br />
gewor<strong>de</strong>n wäre, als durch eine gelungene Fruchtabtreibung einen potentiellen<br />
Menschen, einen Zellhaufen, abzuschaffen. Der Dichter sagt: ein Menschenleben<br />
ist so wenig, ein Menschenschicksal ist so viel. Ein potentielles<br />
Menschenleben ist noch weniger. Es ist leicht möglich, daß die §§ 144 ff. fallen<br />
müssen. Aber unumstößlich bliebe dies: wer die bereits extrauterin lebensfähige<br />
Frucht abtreibt, <strong>de</strong>r begeht ein <strong>Verbrechen</strong>. <strong>Das</strong> Urteil <strong><strong>de</strong>s</strong> Kassationshofes<br />
ist juristisch unanfechtbar. Vor <strong>de</strong>m einfachen Verstan<strong>de</strong> kann es<br />
nicht bestehn.<br />
Die §§ 144 ff. bezwecken auch Schutz <strong>de</strong>r Schwangeren. Hiermit steht<br />
es so: innerliche Mittel zur sicheren und gefahrlosen Abtreibung gibt es nicht.<br />
Alle hierfür verwen<strong>de</strong>ten Mittel sind Gifte, die <strong>de</strong>m mütterlichen Organismus<br />
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