Das größte Verbrechen des Strafgesetzes. - Welcker-online.de

Wir haben gefunden, daß die Eigenschaften des Nasciturus an sich seinen
strafrechtlichen Schutz nicht berechtigen. Die Bevölkerungszunahme, die
durch Verbot der Fruchtabtreibung garantiert wird, ist nicht so groß, wie der
erste Blick annimmt, überdies für den Staat nicht wünschenswert. Durch das
Verbot der Fruchtabtreibung wird der Kindesmord gezüchtet. Die ärztliche Indikation
ist zu eng gesteckt Die schwangeren Frauen werden gewissenlosen
Pfuschern in die Hände getrieben. Durch die Angst vor der Konzeption wird
ein großes Stück Lebensglück vergiftet und der Alkoholismus genährt.
Aus diesen Gründen müssen die §§ 144 —146 ö. St.—G. fallen, die da
lauten:
Abtreibung der eigenen Leibesfrucht.
144. Eine Frauensperson, welche absichtlich was immer für eine Handlung
unternimmt, wodurch die Abtreibung ihrer Leibesfrucht verursacht, oder
ihre Entbindung auf solche Art, daß das Kind tot zur Welt kommt, bewirkt
wird, macht sich eines Verbrechens schuldig.
Strafe. § 145. Ist die Abtreibung versucht, aber nicht erfolgt, so soll die
Strafe auf Kerker zwischen sechs Monaten und einem Jahre ausgemessen; die
zustandegebrachte Abtreibung mit schwerem Kerker zwischen einem und fünf
Jahren bestraft werden.
§ 146. Zu eben dieser Strafe, jedoch mit Verschärfung, ist der Vater des
abgetriebenen Kindes zu verurteilen, wenn er mit an dem Verbrechen Schuld
trägt.
Aufrecht bleiben mögen die §§ 147, 148, die da lauten:
Abtreibung einer fremden Leibesfrucht.
§ 147. Dieses Verbrechens macht sich auch derjenige schuldig, der aus
was immer für einer Absicht, wider Wissen und Willen der Mutter, die Abtreibung
ihrer Leibesfrucht bewirkt, oder zu bewirken versucht.
Strafe. § 148. Ein solcher Verbrecher soll mit schwerem Kerker zwischen
einem und fünf Jahren; und wenn zugleich der Mutter durch das Verbrechen
Gefahr am Leben oder Nachteil an der Gesundheit zugezogen worden
ist, zwischen fünf und zehn Jahren bestraft werden.
Strenge zu handhaben wäre § 343 (Unbefugte Ausübung der Arznei—
und Wundarzneikunst als Gewerbe) und neu zu schaffen ein Gesetz zum
Schutze des bereits außerhalb der Mutter lebensfähigen, aber noch nicht ausgetragenen
Kindes. Diesbezüglich sei auf den vorletzten Absatz des ersten Kapitels
verwiesen.
Man faselt vom Jahrhundert des Kindes. Man spricht sehr viel vom
Säuglingsschutz. Die angegebenen Gesetzesänderungen werden dem Jahrhundert
des Kindes als wirksamster Säuglingsschutz empfohlen. Alle anderen
Mittel, die vielgestaltige Wohltätigkeit, Gratismilch, Waisenhäuser, Kinderspitäler
sind bedenkliche Palliativmittel. Es könnte sein, daß sie wie der Windshauch
wirken, der zwar eine kleine Flamme erstickt, der großen aber Nahrung
für höheres Lodern bietet.
Avicenna.
IV.
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