HandreicHung zum LeHrpLan Leistungskurs pHiLosopHie
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lösen soll, sondern diese vielmehr zu einer vernunftgerechten<br />
Versöhnung geführt werden sollen, müssen<br />
allgemeine, uneingeschränkt an wendbare, öffentliche<br />
(und somit von allen der anerkennung fähige), konkur-<br />
rierende an sprüche in eine rangordnung setzende<br />
und endgültige Gerechtigkeitsgrundsätze gefunden<br />
werden, die den Menschen „Grundrechte und -pflichten“<br />
zuweisen, um somit „die Güterverteilung zu<br />
regeln“. die evidenz dieser Grundsätze erlangen<br />
Menschen nur dann, wenn sie in einem Gedankenexperiment<br />
von ihrem eigenen biographischen Wissen<br />
(von ihrer tat sächlichen Stellung in der Gesellschaft,<br />
ihren Begabungen, ihrer sozialen Herkunft, ihrer Zugehörigkeit<br />
zu einer Generation, aber auch von ihren<br />
einstellungen) völlig abstrahieren („Schleier des Nichtwissens“),<br />
um so „für alle Menschen“ entscheiden zu<br />
können, nach wel chen ganz grundsätzlichen leitlinien<br />
eine gerechte Gesellschaftsordnung aufgebaut sein<br />
sollte. diese urevidenz nennt rawls den „Urzustand“,<br />
womit also keine tatsächliche histori sche Situation<br />
gemeint ist und auch keine Vereinbarung tatsächlich<br />
existierender Menschen. der urzustand bildet ein<br />
Verfahren ab, das vernünftige Menschen zu jeder Zeit<br />
anwenden könnten, um eine faire Konzeption von<br />
Gerechtigkeit zu finden und vertraglich festzulegen.<br />
in der Situation des urzustandes müssten die Menschen<br />
zu solchen Grundsätzen gelangen, die konstitutiv<br />
für eine gerechte Gesellschaftsordnung sind.<br />
ein erster Grundsatz, der Priori tät vor dem zweiten<br />
Grundsatz genießt, stellt einen Gleichheitsgrundsatz<br />
dar, der Vertei lungsgerechtigkeit postuliert. er<br />
fordert nämlich gleiche Freiheiten für alle („politische<br />
Freiheit, Rede- und Versammlungsfreiheit, Gewissensund<br />
Gedankenfreiheit, persönliche Freiheit“), gleiche<br />
rechte, gleiche chancen und – in einem nicht endgültigen<br />
Sinne – eine gleiche Verteilung von Gütern.<br />
ein zweiter Grundsatz berücksichtigt die ungleichheit<br />
der Menschen, die die daraus resultierende ungleiche<br />
Güterverteilung in der Situation des ur zustandes<br />
dann akzeptieren können, wenn die Zulassung eines<br />
unterschiedsprinzips „die Lage aller“ verbessert, auch<br />
die lage „der am wenigsten Begünstigten“ (John<br />
rawls: EineTheorie der Gerechtigkeit, Kapitel 2 und 3).<br />
Mit dem zweiten Grundsatz wird das Konzept von<br />
leistungsgerechtigkeit ins Spiel gebracht, das insgesamt<br />
in Balance zu einem Konzept von sozialer Gerechtigkeit<br />
stehen muss.<br />
Jürgen Habermas versucht in Faktizität und Geltung.<br />
Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen<br />
Rechtsstaats die idee des demokratischen<br />
rechtsstaats diskurstheoretisch zu deuten. im Zentrum<br />
der demokratischen rechtsstaatlichkeit steht<br />
der Gedanke, dass alle Macht vom Volk ausgeht,<br />
ein Gedanke, der diskurstheoretisch interpre tiert<br />
bedeutet, „dass sich alle politische Macht aus der<br />
kommunikativen Macht der Staatsbürger herleitet“.<br />
an dieser idee ist festzuhalten, auch wenn faktisch<br />
nicht alle Bürgerinnen und Bürger des demokratischen<br />
rechtsstaates in (pragmatischen, politisch-ethischen,<br />
moralischen und ju ristischen) diskursen an der politischen<br />
Willensbildung teilnehmen können. die diskurse<br />
zur politischen Willensbildung vollziehen sich<br />
nämlich im rahmen der rechtsstaatlich vorgese henen<br />
institutionen. dem Selbstverständnis von Jürgen<br />
Habermas folgend unterscheidet sich die diskurstheoretische<br />
auslegung der demokratie von traditionellen<br />
deutungen, da die institutionalisierung der diskurse,<br />
die zur politischen Willensbildung hinführen, nicht<br />
den normativen anspruch der diskurstheorie außer<br />
Kraft setzt, dass alle Bürger, „wenn auch nicht notwendig<br />
in gleicher Weise, am Diskurs teilnehmen können“.<br />
Vielmehr ist vom Stand punkt der diskurstheorie zu<br />
fordern, dass sich diskurse, die sich im rahmen der<br />
rechts staatlich vorgesehenen institutionen vollziehen,<br />
(1) den Fairnessgeboten entsprechend durchgeführt<br />
werden und (2) „durchlässig, sensibel und aufnahmefähig<br />
bleiben für Anregungen, dieThemen und Beiträge,<br />
Informationen und Gründe, die ihnen aus einer<br />
ihrerseits diskursiv strukturierten, also machtverdünnten,<br />
basisnahen, pluralistischen Öffentlichkeit zufließen“.<br />
So gesehen bilden die diskurse, die sich im<br />
Kontext von institutionen vollziehen, nur den „Fokus“<br />
innerhalb eines „Kommunikationskreislaufs“, sind<br />
zentrale Momente innerhalb eines öffentlichen,<br />
kommunikativen Prozesses, der Konsensbildung<br />
gerade unter „fallibilistischem Vorbehalt“ anstrebt.<br />
in der prinzipiellen unabschließbarkeit freier, demo-<br />
kratischer kommunikativer Prozesse, in denen Bürgerinnen<br />
und Bürger, denen das recht mit der Zusicherung<br />
von Freiheitsrechten autonomie zuspricht, die<br />
prinzipielle Möglichkeit haben müssen, ihre verschiedenen<br />
Standpunkte und interessen öffentlich zu<br />
vertreten, vollendet sich der Zweck des (autonomen)<br />
rechtssystems des demokratischen rechtsstaats<br />
politische philosophie – rechtsphilosophie 113