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60<br />

die Metaphysik thomas von aquins – herausragendes<br />

Beispiel mittelalterlicher Scho lastik – re zipiert und<br />

transformiert die Metaphysik des aristoteles in einer<br />

spezifisch christlich geprägten Weise. anders als bei<br />

aristoteles kommt Gott die Funktion eines Schöpfergottes<br />

zu: Gott ist die zentrale, vollkommene instanz,<br />

die „allem Seienden aus seiner Macht Sein verleiht“<br />

(thomas von aquin: Die Summe gegen die Heiden,<br />

drittes Buch, 1. Kap.). Ähnlich wie aristoteles denkt<br />

thomas die gesamte natur, die die Voll kommenheit<br />

Gottes bildhaft repräsentiert, teleologisch. alle tätigkeiten<br />

und dinge der natur zielen darauf, ein Gutes<br />

zu realisieren (ebd., 3. Kap.), sind in ihren „Zielreihen“<br />

auf ein letztes und höchstes Ziel aus gerichtet, auf<br />

Gott (ebd., 17. Kap.), streben danach, Gott ähnlich zu<br />

sein (ebd., 19. Kap.). dem Menschen als dem ebenbild<br />

Gottes kommt unter den Substanzen, die aus Form<br />

und Materie bestehen, die höchste Vollkommenheit<br />

zu. daraus leitet thomas die Willens freiheit des Menschen<br />

ab, die im unterschied zu den ursachen in der<br />

natur sein kann oder auch nicht (ebd., 73. Kap.).<br />

Gut ist dieser Wille, wenn er sich in einklang mit den<br />

Zielen der gesamten natur und – letztendlich – mit<br />

dem göttlichen Willen (der göttlichen Vorsehung)<br />

weiß. die erkenntnis, dass Gott als unbedingter<br />

Grund (als das ontologisch erste) allen endlichen<br />

dingen und damit auch dem menschlichen Willen<br />

vorausgeht, verdankt der Mensch dem licht der<br />

Vernunft („lumen naturalis rationis“). der Ver nunft<br />

kommt somit das Vermögen zu, auch ohne Offen-<br />

barung ausgehend von der Wahrneh mung von Welt<br />

auf einen Schöpfergott als einer unbedingten ursache<br />

der endlichen dinge zu schließen. um allerdings zu<br />

einer erkenntnis der göttlichen trinität zu gelangen,<br />

bedarf es göttli cher Selbstoffenbarung (vgl. die aus-<br />

führungen des thomas in Expositio super librum<br />

Boethii De trinitate, einem Kommentar zu Boethius).<br />

der Begriff des Seins steht zentral in der Meta-<br />

physik des thomas. Sein („esse“) kommt zunächst<br />

nur Gott zu. in Gottes Sein besteht keine differenz<br />

zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit; er ist reiner<br />

akt („actus purus“), Vollkommenheit („Sein, Leben,<br />

Weisesein, Seligsein“; in: Die Summe gegen die Heiden,<br />

drittes Buch, 20. Kap.), während alle anderen entitäten,<br />

auch die rein geistigen Substanzen (engel) nicht<br />

über ein absolutes Sein verfügen, sondern ihr Sein von<br />

Gott „empfangen“ (thomas: De ente et essentia, Kap.<br />

5), um somit teilzuhaben am göttlichen Sein, das in<br />

einem existenzialakt („actus essendi“) die endlichen<br />

dinge ins Sein erhebt. im unterschied zur Substanzmetaphysik<br />

des aristoteles existieren die Substanzen<br />

in der Metaphysik des thomas deshalb nicht selbstständig.<br />

thomas hält einerseits an der zweifachen<br />

natur von Substanzialitat fest; wie aristoteles diffe-<br />

renziert er zwischen erster („hypostasis“, „suppositum“)<br />

und zweiter Substanz („essentia“, „forma“);<br />

das individuell-Sein von erster Substanz hat dabei<br />

zur Konsequenz, dass sich das Sein der dinge einer<br />

Vielfalt des akzidenziellen öffnen kann. Zwar verleiht<br />

die „essentia“ der Materie Sein, erhebt sie aus dem<br />

Modus des Möglich-Seins in den Modus von aktua lität<br />

(vgl. dazu: De ente et essentia, Kap. 4: „Das Verhältnis<br />

von Materie und Form aber erweist sich als ein solches,<br />

dass die Form der Materie Sein verleiht, und daher ist<br />

es unmöglich, dass die Materie ohne eine Form ist“),<br />

doch muss andererseits dem Wirklich-Sein, das kraft<br />

der Form bzw. der „essentia“ zustande kommt, selbst<br />

wieder Sein verliehen werden – ein Gedanke, der bei<br />

aristoteles nicht zu finden ist. Ferner ist zu beachten,<br />

dass die „essentia“ als differenz- und somit endlichkeitsprinzip<br />

fungiert. das Wesen von „Mensch“ <strong>zum</strong><br />

Beispiel schließt die Seins weise von engeln oder<br />

Steinen aus, ist notwendige – nicht hinreichende –<br />

Bedingung dafür, dass eine entität dazu qualifiziert<br />

ist, ein Mensch sein zu können. da also das Wesen<br />

als Prinzip des endlichen fungiert, kommt Gott selbst<br />

kein Wesen zu.<br />

b. Metaphysik des Rationalismus<br />

Klassische Vertreter des neuzeitlichen metaphysi-<br />

schen denkens sind vor allem rené des cartes,<br />

Baruch de Spinoza und Gottfried Wilhelm leibniz.<br />

Für Spinoza, dessen pantheistisches denken nachhaltig<br />

Goethe und die Zeitgenossen Goethes beeinflusst<br />

hat, gibt es nur eine einzige Substanz. diese<br />

ist „in sich“ und „aus sich“, gleich bedeutend mit Gott.<br />

im Vergleich <strong>zum</strong> Sub stanz denken bei aristoteles<br />

und thomas wird die Vielfalt individueller Substanzen<br />

zurück genommen zugunsten eben nur einer Substanz,<br />

die keiner einwirkung und keiner relation zu anderen<br />

Substanzen mehr fähig ist, da sie die allrealität darstellt,<br />

die als selbstschöpferisches Prinzip („causa<br />

sui“) die Mannigfaltigkeit der Welt – die ver schiedenen<br />

„modi“ - in sich hervor bringt. Gleichförmige Wei-<br />

metaphysik

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