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Vor dem Hintergrund sprachanalytischer reflexionen<br />
im 20. Jahrhundert ist der ansatz von leibniz hinsichtlich<br />
seiner annahme von „termini absoluti primi“<br />
bemerkenswert. leibniz startet den Versuch, durch<br />
logische analyse zu den „Buchstaben des Gedankenalphabets“,<br />
den absoluten Begriffen („termini absoluti<br />
primi“) durchzudrin gen (Gottfried Wilhelm leibniz:<br />
Metaphysische Abhandlung § 1433–1436 und Brief an<br />
Remond 1714). in Be zug auf die natürlichen Sprachen<br />
stellt er große ungenauigkeiten fest (Mehrdeutigkeit<br />
von Wör tern, unscharfe Begriffe, unsinnige Formulierungen).<br />
um diesen zu begegnen, erscheint ihm<br />
zunächst die erfindung einer umgangssprache geeignet,<br />
die – be freit von überflüssigen Formen – als<br />
eine „Grammatica rationis“ gesicherte erkenntnis<br />
liefern könnte. teilweise gab leibniz diese ansätze<br />
wieder auf, da er in dieser Kunstsprache den nachteil<br />
sah, dass diese nicht ge nügend flexibel sei, um Gefühle<br />
hinreichend <strong>zum</strong> ausdruck kommen zu lassen.<br />
im Kern richten sich seine vielseitigen sprachtheoretischen<br />
Überlegun gen auf den Zusammenhang von<br />
Sprache und erkenntnis im Kontext seiner Monadenlehre.<br />
die natürlichen umgangssprachen, trotz ihrer<br />
neigung auch zu Widersprüchlichkeiten, bil den eine<br />
ursprüngliche einheit mit den durch sie be zeichneten<br />
dingen. er sah in der Spra che einen Kosmos von Zeichen,<br />
mit denen die von Gott geschaffenen dinge<br />
verbunden sind. dennoch stellt sich leibniz Sprache<br />
als ein dem Menschen zur Verfügung stehendes Zeichensystem<br />
vor, das dieser lediglich aktiviert, quasi<br />
als repräsen tation von Welt. „Es würde lächerlich<br />
sein, eine Reform der Sprachen zu versuchen und die<br />
Menschen zwingen zu wollen, nur in dem Maße, als sie<br />
Erkenntnis haben, zu sprechen. Das aber wird kein zu<br />
großesVerlangen sein, dass die Philosophen sorgfältig<br />
sprechen, wenn es sich um eine ernstliche Untersuchung<br />
der Wahrheit handelt; sonst würde alles voll<br />
Irrtümer, Einseitigkeiten und leeren Streites sein. […]<br />
Das erste Mittel ist, sich keines Wortes zu bedienen,<br />
ohne eine Vorstellung damit zu verbinden, statt dass<br />
man oft Worte anwendet wie Instinkt, Sympathie, Antipathie,<br />
ohne irgend einen Sinn damit zu verbinden“<br />
(leibniz: Neue Abhandlungen über den menschlichen<br />
Verstand, Kap. 11 § 2, 3, 8).<br />
Étienne Bonnot de condillac greift den kommunikativen<br />
aspekt von Sprache in anlehnung an locke wieder<br />
auf. er entwickelt einen sensualistischen ansatz des<br />
Sprachenursprungs. natur, Mensch, Sprache und<br />
Gesellschaft werden in einem entwicklungsprozess<br />
gesehen. Sprache entsteht aus ganz elementaren<br />
Strukturen, aus „Tönen der Natur“ („cri de la nature“).<br />
Hieraus entwickelt der Mensch durch Verknüpfung<br />
der laute eine artikulierte Sprache, eine „liaison<br />
d’idées“, eine Grundlage aller denk- und Kommunikationsvorgänge.<br />
im Sprach prozess der „liaisonsd’idées“<br />
bilden sich mit der artikulierten Sprache im gesellschaftlichen<br />
Kontext die kogniti ven Fähigkeiten des<br />
Menschen aus. es ist eine Verknüpfung von sich entwickelnden<br />
empfin dungs- und denkstrukturen, die<br />
sich in Sprachzeichen – also auch in grammatischen<br />
Strukturen – entwickeln. condillac verfolgt damit<br />
einen ansatz, der Sprach entwicklung als einen geschichtlichen<br />
entwicklungsprozess ansieht und sich<br />
abgrenzt einer seits von theorien einer von anfang<br />
an von Gott angelegten, vollkommenen „ursprache“<br />
und andererseits von rationalisti schen Positionen, die<br />
von apriorisch angelegten denk- bzw. Sprachstrukturen<br />
(„ordre naturel“) ausgehen. condillac wird in<br />
diesem Sinne insofern der aufklärung zugerechnet,<br />
da er von der Wirklichkeitserfahrung des Menschen<br />
ausgeht und den „ordre naturel“ aufbricht. er stellt<br />
Sprachentwicklung in den Kontext natürlicher entwick<br />
lungen und sieht diese als Folge der tat sache,<br />
dass der Mensch aufgrund dessen, dass er auf Gesellschaft<br />
angewiesen ist, flexible Kommunikationsstrukturen<br />
entwickeln musste. diese natürlichen entwicklungsprinzipien<br />
spie geln sich auch in grammatischen<br />
Strukturen wider. condillac nimmt an, dass sich<br />
unterschied liche Sprachen aus diesem dynamischen<br />
Prinzip der Sprachentwicklung gebildet haben und<br />
somit auch unterschiedliche grammati sche regeln<br />
aufweisen. dieser geschichtliche Prozess zeigt die<br />
emanzipation des Menschen von der natur auf, seine<br />
Fähigkeit, sich innerhalb ge sellschaftlicher Strukturen<br />
in seinem denken und mit der aus drucksfähigkeit<br />
seiner Sprache zu entfalten (Étienne Bonnot de<br />
condillac: Essay über den Ursprung der menschlichen<br />
Erkenntnis).<br />
Johann Gottfried Herder setzt sich dezidiert mit<br />
scharfer Kritik von condillac ab, wirft ihm vor, „aus<br />
diesem Geschrei der Empfindungen den Ursprung<br />
menschlicher Sprache zu erklären“. Herder bestreitet<br />
nicht, dass „Naturtöne“ in der menschlichen Sprache<br />
vorkommen, doch er bestreitet die entwicklung der<br />
menschlichen Sprache aus der tiersprache: „In allen<br />
Sprachen des Ursprungs tönen noch Reste dieser Natur-<br />
sprachphilosophie