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52<br />

Vor dem Hintergrund sprachanalytischer reflexionen<br />

im 20. Jahrhundert ist der ansatz von leibniz hinsichtlich<br />

seiner annahme von „termini absoluti primi“<br />

bemerkenswert. leibniz startet den Versuch, durch<br />

logische analyse zu den „Buchstaben des Gedankenalphabets“,<br />

den absoluten Begriffen („termini absoluti<br />

primi“) durchzudrin gen (Gottfried Wilhelm leibniz:<br />

Metaphysische Abhandlung § 1433–1436 und Brief an<br />

Remond 1714). in Be zug auf die natürlichen Sprachen<br />

stellt er große ungenauigkeiten fest (Mehrdeutigkeit<br />

von Wör tern, unscharfe Begriffe, unsinnige Formulierungen).<br />

um diesen zu begegnen, erscheint ihm<br />

zunächst die erfindung einer umgangssprache geeignet,<br />

die – be freit von überflüssigen Formen – als<br />

eine „Grammatica rationis“ gesicherte erkenntnis<br />

liefern könnte. teilweise gab leibniz diese ansätze<br />

wieder auf, da er in dieser Kunstsprache den nachteil<br />

sah, dass diese nicht ge nügend flexibel sei, um Gefühle<br />

hinreichend <strong>zum</strong> ausdruck kommen zu lassen.<br />

im Kern richten sich seine vielseitigen sprachtheoretischen<br />

Überlegun gen auf den Zusammenhang von<br />

Sprache und erkenntnis im Kontext seiner Monadenlehre.<br />

die natürlichen umgangssprachen, trotz ihrer<br />

neigung auch zu Widersprüchlichkeiten, bil den eine<br />

ursprüngliche einheit mit den durch sie be zeichneten<br />

dingen. er sah in der Spra che einen Kosmos von Zeichen,<br />

mit denen die von Gott geschaffenen dinge<br />

verbunden sind. dennoch stellt sich leibniz Sprache<br />

als ein dem Menschen zur Verfügung stehendes Zeichensystem<br />

vor, das dieser lediglich aktiviert, quasi<br />

als repräsen tation von Welt. „Es würde lächerlich<br />

sein, eine Reform der Sprachen zu versuchen und die<br />

Menschen zwingen zu wollen, nur in dem Maße, als sie<br />

Erkenntnis haben, zu sprechen. Das aber wird kein zu<br />

großesVerlangen sein, dass die Philosophen sorgfältig<br />

sprechen, wenn es sich um eine ernstliche Untersuchung<br />

der Wahrheit handelt; sonst würde alles voll<br />

Irrtümer, Einseitigkeiten und leeren Streites sein. […]<br />

Das erste Mittel ist, sich keines Wortes zu bedienen,<br />

ohne eine Vorstellung damit zu verbinden, statt dass<br />

man oft Worte anwendet wie Instinkt, Sympathie, Antipathie,<br />

ohne irgend einen Sinn damit zu verbinden“<br />

(leibniz: Neue Abhandlungen über den menschlichen<br />

Verstand, Kap. 11 § 2, 3, 8).<br />

Étienne Bonnot de condillac greift den kommunikativen<br />

aspekt von Sprache in anlehnung an locke wieder<br />

auf. er entwickelt einen sensualistischen ansatz des<br />

Sprachenursprungs. natur, Mensch, Sprache und<br />

Gesellschaft werden in einem entwicklungsprozess<br />

gesehen. Sprache entsteht aus ganz elementaren<br />

Strukturen, aus „Tönen der Natur“ („cri de la nature“).<br />

Hieraus entwickelt der Mensch durch Verknüpfung<br />

der laute eine artikulierte Sprache, eine „liaison<br />

d’idées“, eine Grundlage aller denk- und Kommunikationsvorgänge.<br />

im Sprach prozess der „liaisonsd’idées“<br />

bilden sich mit der artikulierten Sprache im gesellschaftlichen<br />

Kontext die kogniti ven Fähigkeiten des<br />

Menschen aus. es ist eine Verknüpfung von sich entwickelnden<br />

empfin dungs- und denkstrukturen, die<br />

sich in Sprachzeichen – also auch in grammatischen<br />

Strukturen – entwickeln. condillac verfolgt damit<br />

einen ansatz, der Sprach entwicklung als einen geschichtlichen<br />

entwicklungsprozess ansieht und sich<br />

abgrenzt einer seits von theorien einer von anfang<br />

an von Gott angelegten, vollkommenen „ursprache“<br />

und andererseits von rationalisti schen Positionen, die<br />

von apriorisch angelegten denk- bzw. Sprachstrukturen<br />

(„ordre naturel“) ausgehen. condillac wird in<br />

diesem Sinne insofern der aufklärung zugerechnet,<br />

da er von der Wirklichkeitserfahrung des Menschen<br />

ausgeht und den „ordre naturel“ aufbricht. er stellt<br />

Sprachentwicklung in den Kontext natürlicher entwick<br />

lungen und sieht diese als Folge der tat sache,<br />

dass der Mensch aufgrund dessen, dass er auf Gesellschaft<br />

angewiesen ist, flexible Kommunikationsstrukturen<br />

entwickeln musste. diese natürlichen entwicklungsprinzipien<br />

spie geln sich auch in grammatischen<br />

Strukturen wider. condillac nimmt an, dass sich<br />

unterschied liche Sprachen aus diesem dynamischen<br />

Prinzip der Sprachentwicklung gebildet haben und<br />

somit auch unterschiedliche grammati sche regeln<br />

aufweisen. dieser geschichtliche Prozess zeigt die<br />

emanzipation des Menschen von der natur auf, seine<br />

Fähigkeit, sich innerhalb ge sellschaftlicher Strukturen<br />

in seinem denken und mit der aus drucksfähigkeit<br />

seiner Sprache zu entfalten (Étienne Bonnot de<br />

condillac: Essay über den Ursprung der menschlichen<br />

Erkenntnis).<br />

Johann Gottfried Herder setzt sich dezidiert mit<br />

scharfer Kritik von condillac ab, wirft ihm vor, „aus<br />

diesem Geschrei der Empfindungen den Ursprung<br />

menschlicher Sprache zu erklären“. Herder bestreitet<br />

nicht, dass „Naturtöne“ in der menschlichen Sprache<br />

vorkommen, doch er bestreitet die entwicklung der<br />

menschlichen Sprache aus der tiersprache: „In allen<br />

Sprachen des Ursprungs tönen noch Reste dieser Natur-<br />

sprachphilosophie

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