Die Liturgie als Locus theologicus
Die Liturgie als Locus theologicus
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Einheit diese Wahrheit zu irgendeiner Zeit <strong>als</strong> mit Sicherheit zum “Depositum fidei” gehörig<br />
bekannt oder angesehen hat. In einem solchen Fall wäre es gemäss dem steten Selbstverständnis<br />
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der Kirche nicht möglich, dass sie sich irrte, weil sie der mystische Leib Christi ist . Bei der<br />
theologischen Auswertung der liturgischen Zeugnisse muss man diese zudem in ihrem<br />
liturgischen Kontext sehen, man muss sie im Licht der Geschichte und der vergleichenden<br />
<strong>Liturgie</strong>wissenschaft betrachten und sie in ihrer literarischen Gattung erkennen. Es ist ein<br />
Grundgesetz der Textinterpretation, dass Texte stets entsprechend ihrem eigenen<br />
Selbstverständnis interpretiert werden müssen. <strong>Die</strong> Sprache der <strong>Liturgie</strong> ist häufig nicht die der<br />
wissenschaftlichen Theologie, sondern des Gebetes, der Devotion, des Evangeliums, der<br />
Verkündigung und der Katechese oder gar der Literatur. Bei der Nuzung der <strong>Liturgie</strong> <strong>als</strong> Quelle<br />
der Glaubenserkenntnis ist die Eigenart der liturgischen Sprache und der unterschiedlichen<br />
literarischen Genera zu berücksichtigen, um Fehldeutungen zu vermeiden. <strong>Die</strong> liturgischen<br />
Gesänge sind <strong>als</strong> poetische Dichtungen aus dem Überschwang geboren. Dennoch erheben ihre<br />
Aussagen mit Recht den Anspruch, wahr zu sein. Das ist zu beachten. In der <strong>Liturgie</strong> dominiert<br />
der geistliche Schriftsinn, den man nicht gegen den Liter<strong>als</strong>inn der Schrift ausspielen darf. <strong>Die</strong><br />
Kirche interpretiert das Wortes dank des Heiligen Geistes, der in ihr lebendig ist und der sie in<br />
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alle Wahrheit einführen wird (Joh 16, 13) .<br />
<strong>Die</strong> Gebete der <strong>Liturgie</strong> sind, wie Romano Guardini feststellt, “beherrscht und durchwirkt vom<br />
Dogma”. Er erinnert daran, dass sie dem, der das liturgisches Beten der Kirche erst kennen<br />
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lernt, oft anmuten “wie kunstvolle theologische Lehrformeln” . Das ist gut so, denn so wird<br />
das Ge-bet objektiv, der Betende wird befreit “von der Knechtschaft des Gemütes” sowie “von<br />
der Ver-schwommenheit und Trägheit des Gefühls”, sein Gebet wird “klar und für das Leben<br />
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wirksam” . <strong>Die</strong> <strong>Liturgie</strong> ist im Selbstverständnis der Kirche “gebetete Wahrheit”, speziell im<br />
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Schmidt, Herman A.: Lex orandi, lex credendi in recentioribus documentis pontificiis, in: Periodica de<br />
re morali, canonica, liturgica (Rom) 40, 1951, 7 f.<br />
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Irenée Dalmais, Antonin-Marcel Henry, <strong>Die</strong> <strong>Liturgie</strong> II. Theologie und <strong>Liturgie</strong>, in: <strong>Die</strong> katholische<br />
Glaubenswelt I. Übertragung aus dem Französischen von Lilo de’ Negri und Herbert Vorgrimler, Freiburg 1959,<br />
89-91; Herman A. Schmidt, Lex orandi, lex credendi in recentioribus documentis pontificiis, in: Periodica de re<br />
morali, canonica, liturgica (Rom) 40, 1951, 10. 20 f; Josef Pascher, Theologische Erkenntnis aus der <strong>Liturgie</strong>, in:<br />
Josef Ratzinger, Heinrich Fries, Einsicht und Glaube. Festschrift für Gottlieb Söhngen, Freiburg 1962, 246. 251.<br />
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Romano Guardini, Vom Geist der <strong>Liturgie</strong>, Freiburg 1957, 22 f.<br />
49<br />
Romano Guardini, Vom Geist der <strong>Liturgie</strong>, Freiburg 1957, 25.