Die Liturgie als Locus theologicus
Die Liturgie als Locus theologicus
Die Liturgie als Locus theologicus
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Nach katholischem Verständnis gibt es eine Geschichte der Entfaltung des Glaubens, eine<br />
Geschichte der Dogmen. <strong>Die</strong>se spiegelt sich auch in der <strong>Liturgie</strong>. So kann eine Glaubenslehre,<br />
die zunächst nur eine begründete theologische Meinung war, zu einer verbindlichen Glaubens-<br />
lehre werden, nämlich dann, wenn das Lehramt sie sich zu eigen macht, das ausserordentliche<br />
oder das ordentliche. Freilich ist es auch möglich, dass eine Glaubensposition, die zunächst von<br />
einer mehr oder weniger grossen Anzahl von Gläubigen vertreten und durch das Lehramt tole-<br />
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riert wird, schliesslich fallen gelassen wird durch das Lehramt oder gar verworfen wird .<br />
Bei aller grundlegenden Bedeutung der <strong>Liturgie</strong> für den Glauben ist sie <strong>als</strong> ganze im Hinblick<br />
auf den Glauben doch von unterschiedlichem Wert. Nicht immer ist das Lehramt der Kirche in<br />
glei-cher Weise engagiert. Das haben schon die Kirchenväter erkannt. Bei Festen wie der<br />
Aufnahme Mariens in den Himmel einerseits oder diözesanen Eigenfesten wie der Übertragung<br />
des Hauses von Loreto andererseits hat das Axiom “lex orandi, lex credendi” einen sehr<br />
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verschiedenen Sinn . Auch in einigen sonst rechtgläubigen katholischen <strong>Liturgie</strong>n haben sich<br />
schon irrige Mei-nungen eingeschlichen, so zum Beispiel die Rubrik in liturgischen<br />
Dokumenten des Mittelalters, wonach der Wein im Kelch durch die bloße Berührung mit der<br />
geweihten Hostie konsekriert werde, oder auch ein Meßformular zur Erleichterung der<br />
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Höllenstrafe .<br />
Was das Lehramt in der <strong>Liturgie</strong> <strong>als</strong> zu glauben vorlegt, ist je nach Einzelfall von sehr<br />
ungleicher dogmatischer Beweiskraft, auch der Grad und die Art der Zustimmung der<br />
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Gläubigen sind hier sehr verschieden .<br />
Es bedarf einer genauen und umfassenden theologischen Untersuchung, wenn man wissen will,<br />
ob einer liturgischen Äusserung von einst oder auch von heute dogmatische Verbindlichkeit<br />
zukommt. Zuweilen ergeben sich schon aus der <strong>Liturgie</strong> selbst Kriterien für die<br />
Glaubensautorität eines liturgischen Elementes, so etwa das Gewicht, das die <strong>Liturgie</strong> diesem<br />
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Cypriano Vagaggini, Theologie der <strong>Liturgie</strong>, Einsiedeln 1959 304 f.<br />
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Cypriano Vagaggini, Theologie der <strong>Liturgie</strong>, Einsiedeln 1959, 297.<br />
187<br />
Cypriano Vagaggini, Theologie der <strong>Liturgie</strong>, Einsiedeln 1959, 297 f.<br />
188<br />
Cypriano Vagaggini, Theologie der <strong>Liturgie</strong>, Einsiedeln 1959, 303.