Zur Idee einer globalen Friedensordnung - DSS
Zur Idee einer globalen Friedensordnung - DSS
Zur Idee einer globalen Friedensordnung - DSS
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
10<br />
Rousseaus großer Verehrer Kant hingegen hat spätestens seit 1784 und<br />
immer wieder das Wechselverhältnis von Despotismus nach innen und<br />
Kriegspolitik nach außen, aber eben auch von inner- und zwischenstaatlicher<br />
Freiheitsverwirklichung thematisiert. Dabei hat er das Existenzproblem eines<br />
innerstaatlichen Friedens ausgeweitet auf den zwischenstaatlichen Frieden,<br />
und zwar via Gesellschaftsvertrag. Wie der Sozialkontrakt, durch den sich das<br />
Volk zu einem Staat konstituiert, dessen einzige Legitimationsgrundlage<br />
darstelle, so auch der nach der <strong>Idee</strong> eines ursprünglichen Gesellschaftsvertrages<br />
gebildete Völkerbund für die internationale Rechtsordnung. (28) Den<br />
Dreiklang eines Selbstbestimmungsrechts des Individuums, des Volkes und<br />
der Menschheit gibt es in dieser auch juristischen Klarheit erst bei Kant. Er<br />
hat das mit einem für seine Zeit und sein Land erstaunlichen Impetus, mit<br />
einem demokratischen nämlich, getan. Das hat selbst einem Humboldt die<br />
Sprache verschlagen. Bei dem von ihm hochgeschätzten Friedrich Schiller<br />
beklagt er sich über den „manchmal wirklich zu grell durchblickenden<br />
Demokratismus“ in Kants Friedenspamphlet, keine vier Wochen nach dessen<br />
Erscheinen. (29)<br />
b) Vor allem aber hat Kant die „fortdauernde Friedensstiftung“, die er als<br />
„Endzweck der Rechtslehre innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“<br />
charakterisiert, (30) in der Menschheitsgeschichte verortet. Es ist kein naives<br />
Harmoniebedürfnis, das Kant dabei die Feder geführt hat. Seine Friedensgedanken<br />
waren auch nicht das Ergebnis eines Wunschdenkens. Seine<br />
Friedensvision ergab sich aus s<strong>einer</strong> Überzeugung, daß zwischenmenschliche<br />
wie zwischenstaatliche Antagonismen und selbst deren revolutionäre oder<br />
kriegerische Austragung zum geschichtlichen Gang unserer Gattung „von der<br />
unteren Stufe der Tierheit bis zur höchsten Stufe der Menschheit“ gehören.<br />
(31) Kants Meinung: Soweit und solange Konflikt und Krieg notwendige Vorbedingungen<br />
und Mittel des Selbstdisziplinierungsprozesses des Menschen<br />
und der Menschheit sind, übten und üben sie eine progressive Funktion im<br />
Fortschrittsverlauf aus; wie die Menschen durch den naturzuständlichen<br />
Krieg aller gegen alle in Staatsgründungen getrieben wurden, so werde die<br />
Menschheit durch die immer brutaleren und immer kostspieligeren Kriege zu<br />
<strong>einer</strong> internationalen Vergesellschaftung in der Form eines Völkerbundes<br />
gezwungen; der historische Fortschritt, dessen Triebfeder der Krieg war, habe<br />
die Tendenz, den Krieg zu eliminieren. Gegen den von ihm ansonsten<br />
bewunderten Mitaufklärer Moses Mendelssohn, der aber einen Perfektibilitätsprozeß<br />
der Menschheit nicht für nachweisbar hielt, gewendet, hält Kant<br />
den Vernunftweg der Menschen über Bürgerkriege in eine staatsbürgerliche<br />
Verfassung <strong>einer</strong> völkerrechtlich verabredeten Friedensföderation für naturgegeben.<br />
(32)