German Across the Curriculum:
German Across the Curriculum:
German Across the Curriculum:
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Nadine Gordimers Roman My Son’s Story (Die Geschichte meines Sohnes) handelt<br />
von einem farbigen Aktivisten, der von der Befreiungspolitik der achtziger Jahre<br />
ausgeschlossen wird, als seine Liebesaffäre mit einer weißen Frau ans Licht kommt.(10)<br />
Es ist interessant, wie Gordimer die Stellung der Farbigen innerhalb der südafrikanischen<br />
Bevölkerung beschreibt, ohne klar zu differenzieren, ob es sich um die Autoren- oder die<br />
Figurenperspektive handelt. Die Erzählperspektive wechselt zwischen der Ich-<br />
Perspektive des Sohnes und einem Bewußtseinsfokus, der scheinbar mit dem des Vaters<br />
übereinstimmt, doch am Ende des Romans als Erfindung des Sohnes ausgegeben wird.<br />
So wird dem Vater das Recht abgesprochen, seine eigene Geschichte zu erzählen.<br />
Schreiben ist ein privater Akt des Sohnes, der sich auf Wunsch seiner Mutter Aila nicht<br />
am Widerstandskampf beteiligen darf. Die Mutter wurde durch den Betrug ihres Mannes<br />
veranlaßt, die häusliche Sphäre zu verlassen und für den ANC Waffen zu schmuggeln.<br />
Der Sohn darf die Geschichte seines Vaters jedoch nicht veröffentlichen. Die Geschichte<br />
der Farbigen scheint dazu prädestiniert, verdrängt zu werden und Ailas überraschender<br />
Beitrag zum Widerstandskampf durch Schweigen markiert. Zwischen Schreiben und<br />
Veröffentlichung klafft ein Abgrund auf, der in die Scham des Geschlechtsverkehrs<br />
zwischen den Rassen getaucht ist.(11)<br />
Als Grund für die Sonderstellung der Farbigen in der Befreiungspolitik Südafrikas<br />
führt Gordimer ein demographisches Argument an: Sie konstatiert ohne Ironie, daß die<br />
Farbigen zusammen mit den Weißen und Indern noch immer sehr viel weniger als die<br />
‘wirklichen Schwarzen’ ausmachen. Damit greift sie einen Topos des Rassendiskurses<br />
auf, demzufolge auch der Schwarze eine reine Rassenidentität hat. "Was immer sonst der<br />
Schwarze sein mag, wenigstens ist er rein", behaupten die Weißen.(12) Die Farbigen sind<br />
von den Schwarzen durch ein Feld getrennt. Die eigenartige Kommunikation zwischen<br />
den beiden Bevölkerungsgruppen scheint durch ein Tabu gekennzeichnet, genauso wie<br />
die Kommunikation mit der weißen Stadt, aus der die Farbigen verbannt sind, außer<br />
wenn sie samstags dort einkaufen gehen: "Seine Gemeinschaft hatte eine bestimmte Art<br />
der Kommunikation mit den wirklichen Schwarzen, wie sie sie auch mit der Stadt durch<br />
die Verfügung über den Samstag hatte; aber doch ganz anders. Unbestimmt - und es war<br />
dieser Mangel an Definition selber, der niemals in Frage gestellt werden durfte, sondern<br />
wie ein Tabu eingehalten werden mußte, etwas, das keiner, während er es befolgte, sich<br />
jemals eingestehen konnte." (MS 21f.) Und dennoch regt sich ein geheimes Gefühl der<br />
Verbundenheit mit den Schwarzen, das aber gleichzeitig durch den Vorwurf gegen den<br />
Sündenfall negiert wird, den die schwarzen Frauen verschuldet hätten, indem sie mit<br />
ihren weißen Herren schliefen. Gordimer verwendet den Topos des unreinen Blutes, wie<br />
man ihn aus den eugenischen Romanen Sarah Gertrude Millins kennt, um das<br />
ambivalente Verhältnis der Farbigen zu den Schwarzen zu charakterisieren: "Ihr Anblick<br />
löste eine Regung im Innersten aus: wegen ihnen war die Gemeinschaft des Lehrers, was<br />
sie war: aus der Stadt verstoßen. Der Wohlfahrt bedürftig. Es war wegen ihnen, deren<br />
Pigment das Blut verdunkelte, eine trübe Verdünnung in den Adern der weißen Stadt<br />
erzeugte, durch die weiße Stadt enteignet, daß die Gemeinschaft von dem Geburtsrecht<br />
auf das Kino, die Biblio<strong>the</strong>k, die Toiletten und die Stadtwappen ausgeschlossen war. (MS<br />
22.) Gordimer versucht dadurch, die defätistische Haltung der Farbigen in der<br />
Befreiungspolitik der achtziger Jahre zu erklären. Die Frage ist jedoch, ob ihr das<br />
gelungen ist, oder ob sie nicht einfach gängige Klischees, die zu der Zeit in der<br />
35