German Across the Curriculum:
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des Erinnerns ist jedoch auch immer eine Frage des Vergessens und des Verdrängens,<br />
wie wir seit Freud wissen. Während das Gedächtnis ein passiver Speicher für das uns<br />
Widerfahrene ist, ist das Erinnern ein aktiver Akt. Nun ist es ein allzumenschlicher Zug,<br />
sein eigenes Gedächtnis zu rekonstruieren, es zu schönen. Es gibt wohl drei Formen des<br />
Gedächtnisverlusts. Die erste ist freiwillig, man verändert sein Gedächtnis weil man<br />
bedroht ist, weil man es nicht ertragen kann, mit der Wirklichkeit zu leben. Die zweite<br />
Form ist unwillkürlich - etwas ist so traumatisch, daß es ein Loch ins Gedächtnis reißt,<br />
und man sich weder an den Vorfall erinnern kann, noch was vorher und nachher<br />
geschehen ist. Zur zweiten Form des Gedächtnisverlusts merkt Michael Bernard-<br />
Donals an, daß wenn “das traumatische Ereignis nicht in die Erfahrung integriert ist<br />
oder direkt erinnert wird, dann bedeuten Geständnisse sowohl Erinnern als auch<br />
Vergessen - die Unterdrückung eines Ereignisses und dessen Artikulierung als<br />
Erzählung; ein Auslöschen und ein Aufschreiben - und die Au<strong>the</strong>ntifizierung von<br />
Zeugnissen wie die Shoah wird bestenfalls schwierig, da wenigstens teilweise<br />
verifizierende Zeugnisse verlorengegangen sind.” 1 Ebenso haben kurz vor dem<br />
Machtwechsel Politiker Beweismaterial verschwinden lassen, was es erschwert, sie vor<br />
Gericht zu verklagen.<br />
Das Problem des Erinnerns wird durch die komplizierte Sprachenpolitik mit elf<br />
Amtssprachen im neuen Südafrika noch erschwert, wo die Sprache der Opfer oftmals<br />
eine der neun indigenen Sprachen ist, die in die offizielle Amtssprache Englisch<br />
übersetzt werden mußte, die ja auch die Sprache der Kolonisten ist. Englisch wurde dem<br />
Afrikaansen allerdings vorgezogen, das immernoch als Sprache der Unterdrücker gilt.<br />
Für die Opfer, die des Englischen nicht mächtig waren, wurden Übersetzer zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
Die Sprache der Opfer, die das Reden auf einer öffentlichen Platform nicht gewöhnt<br />
waren, weil sie meist nur über eine mangelhafte Schulbildung verfügten, wirft die Frage<br />
nach dem Edieren auf. So deutet Krog lange Pausen und Wiederholungen durch<br />
Pünktchen und Gedankenstriche an, und durch Klammern wird angezeigt, wo<br />
angesichts des Schreckens die Sprache ins Stocken gerät: “Teile von Kleidungsstücken<br />
waren auf dem Boden, an der Wand - die Wand und Decke waren überall - überall mit<br />
Blut beschmiert - überall. Teile von was ich - ich nur als Haar in irgendeiner Form<br />
beschreiben kann und Fleischfetzen waren auch verstreut und an die Wände geschmiert,<br />
oder was auch immer. Und das - das beendete - vermute ich - eine Episode im Leben<br />
unserer Familie, die wir niemals vergessen werden.” Diesem Bericht ist die Mühe des<br />
Spechens über das Trauma noch anzumerken. Krog reflektiert die Schwierigkeit einer<br />
“au<strong>the</strong>ntischen” Wiedergabe der Sprache der Opfer, wenn sie sie mit der Rhetorik der<br />
Mächtigen vergleicht: “Die teuer erkaufte Sprache ist weg. Über die Monate haben wir<br />
erkannt, was für einen enormen Preis des Schmerzes jede Person zahlen mußte, nur um<br />
ihre eigene Geschichte vor der TRC zu stammeln. Jedes Wort ist aus dem Herzen<br />
ausgehaucht, jede Silbe vibriert mit einer Lebenszeit der Trauer.”<br />
1 Michael Bernard Donals, Beyond <strong>the</strong> Question of Au<strong>the</strong>nticity: Witness and Testimony<br />
in <strong>the</strong> Fragments Controversy. In: PMLA, Vol. 116, Number 5, October 2001, S. 1303.