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stadion allmend<br />

alternativkultur und fussball<br />

neulich sass ich im café Meyer, trank ein<br />

kühles blondes und studierte dabei die<br />

luzerner Musikneuerscheinungen, die<br />

dort aufliegen. eigentlich nichts besonderes,<br />

wären mir dabei nicht ungewohnte<br />

Wortfetzen zu ohr gekommen. «Yakin ...»,<br />

«transfers ...», «neues stadion ...».<br />

Verwirrt schaute ich mich um. Wer erwartet<br />

in einer hochburg der alternativen<br />

szene tatsächlich eine Diskussion über<br />

fussball? Der Kontrollblick bestätigte: Da<br />

sassen tatsächlich altgediente Gitarrenhelden,<br />

aktive Kulturveranstalter und sogar<br />

ein Kulturjournalist am tisch und unterhielten<br />

sich angeregt über den fc luzern.<br />

noch mehr erstaunte das fundierte Wissen<br />

über spieler, Verein und alles andere,<br />

was das team aus der leuchtenstadt betrifft.<br />

ist das nun die viel diskutierte Kommerzialisierung?<br />

Man hört und liest ja,<br />

dass fussball für neue sparten und Gruppen<br />

interessant werde. Dass neu auch viele<br />

frauen den Weg ins stadion unter die<br />

high heels nähmen und zahlungskräftige<br />

firmen sich gerne an den spielen zeigten.<br />

ein fussballevent für alle – und neu auch<br />

für Kulturschaffende?<br />

ich konnte es nicht lassen und konfrontierte<br />

die illustre runde mit meinen<br />

Gedanken. Warf ihnen an den Kopf, dass<br />

sie doch jahrelang alles rund um fussball<br />

verpönt hätten und man sich wegen leuten<br />

wie ihnen jeweils eine ausrede für einen<br />

stadionbesuch ausdenken musste.<br />

(«ich will gar nicht hingehen, aber mein<br />

Göttibueb wünscht es sich.») Man habe<br />

sich kaum getraut, über fussball zu reden,<br />

da man sonst sofort als schläger oder<br />

hirnloser Prolet abgestempelt wurde.<br />

ich stellte erstaunt fest: Den anwesenden<br />

war es gleich ergangen – auch sie<br />

dachten sich ausreden für einen stadionbesuch<br />

aus, guckten heimlich die sportschau<br />

und lebten die liebe zu ihrem Verein<br />

im Verborgenen aus. «fussball ist<br />

rock’n’roll!» lallte es links von mir, und<br />

der Kulturjournalist setzte zu einer hommage<br />

an das runde leder an, steigerte sich<br />

zur aussage, fussball wirke integrierend,<br />

stelle einen wichtigen teil der Kultur dar,<br />

um schon fast schreiend zu enden: «und<br />

wenn es irgendwo in der schweiz noch<br />

autonomie gibt, dann in den stadien!»<br />

schön anzuhören, und trotzdem war<br />

ich ein bisschen traurig, dass wir so lange<br />

warten mussten, bis wir uns zu «outen»<br />

wagten. es brauchte wohl erst Kommerztempel<br />

und familycorner, um zu seiner<br />

leidenschaft stehen zu können.<br />

«Wenn es noch irgendwo<br />

Autonomie gibt, dann im Stadion!»<br />

aber es machte mir auch Mut und gab<br />

mir die hoffnung, dass ich in ein paar Jahren<br />

im stadion Wortfetzen wie «Kulturbeitrag»,<br />

«alternative szene» oder «freiraum»<br />

aufschnappe und feststelle, dass<br />

sich viele fans heimlich seit Jahren für<br />

unsere lokale Kultur interessieren.<br />

Christian Wandeler,<br />

Fanarbeit Luzern, Mitherausgeber<br />

Fussballmagazin «Tschuttiheftli»<br />

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