Download PDF - 041 Kulturmagazin
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stadion allmend<br />
alternativkultur und fussball<br />
neulich sass ich im café Meyer, trank ein<br />
kühles blondes und studierte dabei die<br />
luzerner Musikneuerscheinungen, die<br />
dort aufliegen. eigentlich nichts besonderes,<br />
wären mir dabei nicht ungewohnte<br />
Wortfetzen zu ohr gekommen. «Yakin ...»,<br />
«transfers ...», «neues stadion ...».<br />
Verwirrt schaute ich mich um. Wer erwartet<br />
in einer hochburg der alternativen<br />
szene tatsächlich eine Diskussion über<br />
fussball? Der Kontrollblick bestätigte: Da<br />
sassen tatsächlich altgediente Gitarrenhelden,<br />
aktive Kulturveranstalter und sogar<br />
ein Kulturjournalist am tisch und unterhielten<br />
sich angeregt über den fc luzern.<br />
noch mehr erstaunte das fundierte Wissen<br />
über spieler, Verein und alles andere,<br />
was das team aus der leuchtenstadt betrifft.<br />
ist das nun die viel diskutierte Kommerzialisierung?<br />
Man hört und liest ja,<br />
dass fussball für neue sparten und Gruppen<br />
interessant werde. Dass neu auch viele<br />
frauen den Weg ins stadion unter die<br />
high heels nähmen und zahlungskräftige<br />
firmen sich gerne an den spielen zeigten.<br />
ein fussballevent für alle – und neu auch<br />
für Kulturschaffende?<br />
ich konnte es nicht lassen und konfrontierte<br />
die illustre runde mit meinen<br />
Gedanken. Warf ihnen an den Kopf, dass<br />
sie doch jahrelang alles rund um fussball<br />
verpönt hätten und man sich wegen leuten<br />
wie ihnen jeweils eine ausrede für einen<br />
stadionbesuch ausdenken musste.<br />
(«ich will gar nicht hingehen, aber mein<br />
Göttibueb wünscht es sich.») Man habe<br />
sich kaum getraut, über fussball zu reden,<br />
da man sonst sofort als schläger oder<br />
hirnloser Prolet abgestempelt wurde.<br />
ich stellte erstaunt fest: Den anwesenden<br />
war es gleich ergangen – auch sie<br />
dachten sich ausreden für einen stadionbesuch<br />
aus, guckten heimlich die sportschau<br />
und lebten die liebe zu ihrem Verein<br />
im Verborgenen aus. «fussball ist<br />
rock’n’roll!» lallte es links von mir, und<br />
der Kulturjournalist setzte zu einer hommage<br />
an das runde leder an, steigerte sich<br />
zur aussage, fussball wirke integrierend,<br />
stelle einen wichtigen teil der Kultur dar,<br />
um schon fast schreiend zu enden: «und<br />
wenn es irgendwo in der schweiz noch<br />
autonomie gibt, dann in den stadien!»<br />
schön anzuhören, und trotzdem war<br />
ich ein bisschen traurig, dass wir so lange<br />
warten mussten, bis wir uns zu «outen»<br />
wagten. es brauchte wohl erst Kommerztempel<br />
und familycorner, um zu seiner<br />
leidenschaft stehen zu können.<br />
«Wenn es noch irgendwo<br />
Autonomie gibt, dann im Stadion!»<br />
aber es machte mir auch Mut und gab<br />
mir die hoffnung, dass ich in ein paar Jahren<br />
im stadion Wortfetzen wie «Kulturbeitrag»,<br />
«alternative szene» oder «freiraum»<br />
aufschnappe und feststelle, dass<br />
sich viele fans heimlich seit Jahren für<br />
unsere lokale Kultur interessieren.<br />
Christian Wandeler,<br />
Fanarbeit Luzern, Mitherausgeber<br />
Fussballmagazin «Tschuttiheftli»<br />
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