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BAu<br />

das «goldhuisli» strahlt wieder<br />

vom Abbruchobjekt zum architektonischen Kleinod: die villa trautheim ist ein<br />

seltenes Zeugnis des Heimatstils in Nidwalden. Für ihre liebevolle restaurierung<br />

erhielt sie einen der drei Schweizer denkmalpreise 2011.<br />

Von Gerti Kaspar, Bild Jesco Tscholitsch<br />

als die textildesignerin Mireille tscholitsch<br />

und der architekt hanspeter<br />

odermatt das «Grundstück mit abbruchobjekt»<br />

(inserat) kauften, erhielten<br />

sie nicht als Meistbietende den Zuschlag,<br />

sondern weil sie das haus erhalten<br />

wollten. sie erkannten die Qualitäten<br />

des äusserlich maroden, doch in der<br />

substanz gut erhaltenen hauses und<br />

machten sich unter beizug der Denkmalpflege<br />

an eine dreijährige renovierung.<br />

Das Gebäude wurde 1914 vom obwaldner<br />

architekten robert omlin für<br />

den stationsvorsteher der angrenzenden<br />

stanserhornbahn, arnold Waser, errichtet.<br />

omlins Vorliebe für grosse, geschwungene<br />

Dächer und kompakte baukörper<br />

ordnet ihn dem heimatstil zu; die<br />

florale ornamentik zeigt einflüsse des<br />

Jugendstils. Der heimatstil war eine reformbewegung<br />

in der architektur anfang<br />

des 20. Jahrhunderts, die das Protzige<br />

und akademische des historismus<br />

überwand und durch ländliche bautraditionen und -formen ersetzte.<br />

Die klassische Moderne in der baukunst nach dem ersten<br />

Weltkrieg aber brach rigoros mit allen traditionen, der heimatstil<br />

und der historismus galten für lange Zeit als nicht ernstzunehmende<br />

Kunst. erst in den letzten Jahren wurde diese wichtige<br />

Übergangsphase neu bewertet.<br />

überall verspielte details<br />

Das Gebäudeäussere ist heute wieder im originalzustand:<br />

Zwei Wohngeschosse mit lauben-, erker- und balkonanbauten<br />

auf drei seiten sind von einem geschwungenen Krüppelwalmdach<br />

überdeckt. Der raue Putz des erdgeschosses zieht sich an<br />

den ecken als lisene hinauf in das glatt verputzte obergeschoss.<br />

Überall findet sich der hang des erbauers zu verspielten Details:<br />

kleine Dreieckfenster über dem Krüppelwalm, Kleeblattornamente<br />

im Dachgiebeltäfer oder an der balkonbrüstung sowie blecherne<br />

rollladenkästen mit floraler Prägung. Die ursprüngliche<br />

fassadenfarbe – ein lachsfarbenes Gelb – stellte der architekt mit<br />

mineralischen farben wieder her, ebenso das grosse blumenstrauss-fresko<br />

an der eingangsveranda<br />

und die mit blattgold belegten Putzornamente.<br />

sie gaben dem haus seinen spitznamen<br />

«Goldhuisli».<br />

Grösser waren die eingriffe im inneren.<br />

einerseits wegen heutiger Wohnbedürfnisse,<br />

andererseits wegen höherer<br />

ansprüche an die energieeffizienz – ein<br />

Grundsatzproblem der Denkmalpflege.<br />

eine aussenwärmedämmung verändert<br />

immer die Proportionen und die Materialwirkung,<br />

deshalb hat odermatt hier<br />

auf der innenseite hinter einer Gipskartonverkleidung<br />

eine mehrlagige, wärmereflektierende<br />

folie eingebaut. auch die<br />

neuen isolierverglasten holzfenster mit<br />

der alten sprosseneinteilung verbessern<br />

die energiebilanz.<br />

neue küche, alte wendeltreppe<br />

ess- und Wohnraum wurden mit einem<br />

grossen Durchbruch zusammenge-<br />

Die eingangsveranda mit Jugendstilfresken an der<br />

Wand und blattgoldornamenten an der stütze.<br />

legt und der brusttäfer durch niedrigere,<br />

brüstungshohe einbauschränke ersetzt<br />

– beides vom Denkmalschutz mitgetragen. Die Küche wurde am<br />

alten Platz im erdgeschoss neu gestaltet und ein neues bad im<br />

obergeschoss eingebaut. Die alten holztüren, die gewendelte<br />

treppe und die Parkettböden sind geblieben und zeigen ihr alter.<br />

Die neuen besitzer verzichteten auf die ursprüngliche dunkle<br />

Maserierung der holztüren und strichen alle bestehenden holzoberflächen<br />

und neuen schrankfronten in einem zurückhaltenden<br />

hellen braungrau. Die Küchenschränke überzieht ein ornament<br />

aus vielen kleinen eingefrästen blütenrosetten, ein archetypisches,<br />

stilneutrales Muster, das auch an den einbauschränken,<br />

den heizkörperabdeckungen und an den badezimmerfenstern<br />

zu finden ist. bis zu 3000 kleine blüten bedecken die einrichtung<br />

als hommage an den verspielten Geist des hauses überall,<br />

wo alt und neu sich verbinden sollen. Dies macht die Qualität<br />

dieser feinsinnigen restaurierung aus: sie will nicht das alte<br />

vom neuen rigoros absetzen, wie bei der mit dem schweizer<br />

Denkmalpreis 2009 geehrten Villa annamaria in horw mit ihrem<br />

expressiven anbau aus stahlbändern, sondern fügt alt und<br />

neu zu einem neuen Ganzen zusammen.<br />

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