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Diplomarbeit

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Joseph von Sonnenfels, der 1770 von Maria Theresia zum Theaterzensor ernannt wurde, kann<br />

ebenfalls zur Tradition Gottscheds gezählt werden, da auch er sich in seiner Schrift<br />

„Allerunterthänigsten Pro Memoria über die Errichtung der Theatralcensur“ gegen den<br />

Hanswurst ausspricht und sogar fordert, dass dieser von der Bühne verbannt werden solle. 83<br />

Die Wiener Komödie verändert sich von da an völlig. War sie zuvor durch Stegreifspiel und<br />

Improvisation gekennzeichnet, wurden nun zuvor niedergeschriebene Texte auswendig<br />

gelernt und aufgeführt. So verschriftlichte beispielsweise Philipp Hafner den Hanswurst, er<br />

schrieb so genannte „Originallustspiele“. Die Texte konnten problemlos vor der Aufführung<br />

durch die Theaterzensoren begutachtet werden, 84 und der Hanswurststreit wurde „als<br />

Kulturkampf zwischen Staat und Theater entschieden; der Staat gewann für alle Zeit, bis<br />

heute.“ 85<br />

Trotz alledem konnte das Stegreiftheater nicht ganz verbannt werden. Grund dafür war<br />

Kaiserin Maria Theresias Gemahl, Franz Stephan von Lothringen, dem regelmäßige Stücke zu<br />

langweilig waren und der ein Verfechter des Stegreiftheaters war. 86<br />

Die wohl bekannteste Lustige Figur, sowohl im Personentheater als auch im<br />

Marionettentheater, ist der Kasper oder Kasperl, eine Figur, die sich von den Charakterzügen<br />

ihres Vorgängers Hanswurst immer weiter entfernt. Diese Entwicklung wird durch die strenge<br />

Zensur vorangetrieben. Aus dem gefräßigen, obszönen, aggressiven, übermütigen Hanswurst<br />

entwickelt sich der Kasperl, eine Verkleinerungsform des Hanswurst. Kasperl ist nicht mehr<br />

aggressiv, er ist witzig, infantil und steht nicht mehr auf derselben Stufe wie die anderen<br />

Figuren, was schon durch seinen Namen angedeutet ist. 87 Er ist brav, die Sitten werden nicht<br />

mehr verletzt und „er wandelt auf dem Pfade der vernünftigen Heiterkeit und sorglosen<br />

Belustigung“ 88 . Auch das Lachen des Publikums verändert sich, „man lachte nicht mehr mit<br />

der Figur, sondern über sie“. 89<br />

Johann Laroche verkörperte ab 1764 den Kasperl, und ab 1781 trat er über 30 Jahre lang im<br />

Leopoldstädter Theater in Wien auf. Er war so berühmt, dass sogar der Eintrittspreis für eine<br />

Vorführung, eine Viertelkrone, „Kasperl“ genannt wurde. 90 Dieser bereits gebändigte,<br />

gezähmte Kasperl besaß trotz allem noch politische Sprengkraft und wurde von seinen<br />

83 Vgl. SCHEIT, Hanswurst und der Staat, S. 58.<br />

84 Vgl. URBACH, Wiener Komödie und ihr Publikum, S. 49.<br />

85 Ebda.<br />

86 Vgl. MÜLLER-KAMPEL, Hanswurst, Bernardon, Kasperl, S. 154.<br />

87 Vgl. URBACH, Wiener Komödie und ihr Publikum, S. 57.<br />

88 Ebda.<br />

89 MÜLLER-KAMPEL, Hanswurst, Bernardon, Kasperl, S. 187.<br />

90 Vgl. URBACH, Wiener Komödie und ihr Publikum, S. 58.<br />

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