Diplomarbeit
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Tendenzen oder arischen Idealbilder. Ebenfalls lassen sich keine Versatzstücke des<br />
sozialistischen Kasperl in den Stücken finden, Kasperl kann nicht als vorbildlicher Arbeiter<br />
gesehen werden, der für die Rechte der Arbeiterklasse kämpft.<br />
Welchen pädagogischen Hintergrund haben die sieben Kasperlstücke Springenschmids dann?<br />
Welche Einstellungen werden abgelehnt, welche Werte favorisiert? Welche<br />
Erziehungsmethoden wendet Kasperl als Hauptprotagonist und primäre Identifikationsfigur<br />
der Kinder an? Für welche Altersstufe eignen sich die Kasperlstücke?<br />
Kasperl ist in allen sieben Stücken der Hauptprotagonist, der sich gegen das Böse wendet.<br />
Allerdings ist er nicht durchgehend als positive Figur gezeichnet, vor allem aus dem Grund,<br />
weil er seiner Aggressivität oft allzu freien Lauf lässt. Seine Schläge mit Stock, Gewehr oder<br />
Zepter des Königs können nicht mehr als letzter Ausweg gesehen werden, der Situation Herr<br />
zu werden, da er beispielsweise den Räubern keine Chance gibt, sich zu ergeben und sie<br />
nacheinander erschlägt (KS 12), oder die drei Teufel nicht nur verprügelt, sondern sie auch<br />
noch im Fluss ertränkt (KS 33). Diese überaus aggressiven Handlungen können nicht als<br />
pädagogisches Vorbild für Kinder interpretiert werden, da das Böse nicht nur zurückgedrängt,<br />
sondern völlig ausgerottet wird. Diese Tatsache ließe sich als Vorläufer nationalsozialistischer<br />
Tendenzen interpretieren, allerdings sind die Feindbilder Kasperls, wie bereits kurz erwähnt,<br />
nicht in diesem Sinn angelegt, da nicht konkrete soziale oder ethnische Gruppen abgelehnt<br />
werden, sondern Lebensweisen und Einstellungen.<br />
Das Böse ist in den Kasperlstücken deutlich erkennbar. Die negativen Figuren sprechen die<br />
Kinder nicht an, mit Ausnahme des Zauberers, der sie zum Stillsein auffordert. Das Ignorieren<br />
des Publikums als Strukturmerkmal wird von den Kindern schnell erkannt, vor allem, da sie<br />
von Kasperl völlig anders behandelt werden. Er spricht sie an und bittet sie um Rat und Hilfe,<br />
wodurch diese sich gebraucht und ins Stück eingebunden fühlen, und ihn vor<br />
Gefahrensituationen warnen. Beispiele dafür sind das Einhorn (KS 17), das Auftauchen des<br />
Zauberers (KS 27) oder Warnungen vor den Folgen des Buchöffnens und Lesens (KS 29).<br />
Kasperl ist auch durch sein Dazulernen in einigen Stücken ein pädagogisches Vorbild, da er<br />
den Kindern zeigt, dass sie sich durch Wissenszuwachs in gewissen Situationen besser<br />
zurechtfinden können. Kasperl kann zwar nicht perfekt lesen, wie die zusehenden Kinder<br />
vielleicht auch, aber trotzdem kann er den passenden Zauberspruch aus dem Buch<br />
herausfinden und sich der drei Teufel entledigen (KS 32).<br />
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