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Festgefügtes im Strome der Zeit - GeneTalogie Arndt Richter

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S e i t e | 26<br />

ist wohl auch <strong>der</strong> Grund, weshalb Goethe nicht neutrale Überschriften<br />

wie „Morphe― o<strong>der</strong> „Entelechie― gewählt hat, son<strong>der</strong>n das dunkelrätselhafte<br />

Δαιμων. Innere Formprinzipien haben auch Tier und<br />

Pflanze. Aber <strong>der</strong> Mensch unterscheidet sich dadurch von ihnen,<br />

daß an dieser Nötigung, selbst zu sein, ein Zwiespalt in ihm<br />

aufbricht. „Dir kannst du nicht entfliehen!“ Das Gehe<strong>im</strong>nis des Ich<br />

wird hier deutlich. Auf <strong>der</strong> einen Seite ist es etwas Gewordenes,<br />

gebildet aus <strong>der</strong> Erbmasse seiner Ahnen durch die Zufälligkeiten<br />

des Erbganges. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ist es doch ein neuer Anfang,<br />

ein eigener Wille, ein selbständiges Aktionszentrum. Als sich selbst<br />

best<strong>im</strong>men<strong>der</strong> Wille möchte es seine eigenen Wege gehen. Aber aus<br />

den Tiefen des Unbewußten kommt von den Ahnen her die Weisung:<br />

„so mußt du sein!―, auch da, wo es ihm wi<strong>der</strong>sinnig erscheint, ja wo es<br />

zu seinem Ver<strong>der</strong>ben führt. Den dunklen Mächten des Blutes [<strong>der</strong> Gene,<br />

des genetischen Codes] kann das Ich nicht entfliehen. Mit Gut und<br />

Böse <strong>im</strong> moralischen Sinne hat <strong>der</strong> Da<strong>im</strong>on <strong>im</strong> Menschen also<br />

nichts zu tun; er ist das Gestaltungsprinzip, das seinen Leib wie seine<br />

Persönlichkeit aufbaut nach Gesetzen, die nicht aus Bewußtsein und<br />

individuellem Willen stammen. …<br />

Noch ein zweites Moment soll mit dem Worte Da<strong>im</strong>on ausgedrückt<br />

werden. Das Werden des Ich ist ein wachstumsmäßiger Vorgang. Das<br />

Ich ist „fort und fort gediehen―, „es entwickelt sich lebend.― Es steckt eine<br />

gehe<strong>im</strong>nisvolle Unruhe, ein Wachsedrang in dieser geprägten Form. Sie<br />

kann nicht stillstehen, ständig wandelt sich die Gestalt des Ich; nicht nur,<br />

ja nicht einmal in erster Linie durch die äußeren Einwirkungen, son<strong>der</strong>n<br />

aus innerem Drange. Die Individualität hält es nicht aus, bei sich<br />

selbst zu bleiben. Jede erreichte Gestalt dient nur <strong>der</strong> Vorbereitung<br />

einer neuen. Damit aber bringt sich die Individualität in einen<br />

Gegensatz gegen die <strong>Zeit</strong> und gegen die Mächte des Alls. Die <strong>Zeit</strong> wird<br />

hier nicht als <strong>der</strong> Lebensraum o<strong>der</strong> die Nahrung angesehen, die das<br />

Wachstum des Ich ermöglichen, son<strong>der</strong>n als die feindliche Gegenkraft,<br />

die das Werden und Wachstum aufhalten will [die „Lebensenergie―<br />

schwindet <strong>im</strong>mer mehr, <strong>der</strong> Tod winkt]. Und das All fühlt sich offenbar<br />

bedrängt durch die Selbstbehauptung des Individuums. Dem<br />

Grundgesetz <strong>der</strong> Individuation steht ein an<strong>der</strong>es gegenüber, das<br />

die Individuen ins All auflösen will. Individuelle Existenz ist daher<br />

<strong>im</strong>mer gefährdete Existenz. Aber solange das Gestaltungsprinzip, <strong>der</strong><br />

„Da<strong>im</strong>on―, nicht sich selbst aufhebt, bleibt die Individualität in aller<br />

Gefährdung unzerstört erhalten.―<br />

Des weiteren sei hier noch Wilhelm FLITNER aus: „Elpis―, in: „Goethe.<br />

Viermonatsschrift <strong>der</strong> Goethe-Gesellschaft N.F. des Jbs. Bd. 4 von 1939<br />

zitiert: „Das erste <strong>der</strong> fünf Worte, ―Dämon―, bleibt als deutsches<br />

Fremdwort stehen, denn unsere Sprache vermag mit ihren<br />

entsprechenden Wörtern – Seele, Geist – nicht mehr auszudrücken,<br />

was früher wohl darin gelegen hat: daß in uns eine treibende Macht<br />

steckt, die uns belebt und doch von uns unterscheidbar ist. Das<br />

aber drücken die griechischen Urworte aus. Sie sind halb nur Abstrakta,<br />

<strong>Festgefügtes</strong> <strong>im</strong> <strong>Strome</strong> <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong>

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