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Deutsche - Global Balance

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88. „Winter im Morgengrauen“ Deutschland<br />

Fringe Ensemble spielt “Winter im Morgengrauen” im Theater im Ballsaal<br />

Die Banalität des Bösen: Stück des dänischen Autors Jens-Martin Eriksen zeigt, was<br />

Krieg aus Menschen machen kann<br />

Die Philosophin Hannah Arendt hat den Begriff geprägt: die Banalität des Bösen. Ein Begriff, der<br />

mit dem Massenmord der Nazis verbunden ist und sich gleichfalls aus diesem Kontext lösen und<br />

übertragen lässt. Wo auch immer sich eine Maschinerie der Macht in Gang setzt, die ihre<br />

Untergebenen durch Propaganda und Manipulation zu Gewaltexzessen und der fabrikmäßigen<br />

Ermordung unschuldiger Zivilisten treibt. Genau das widerfährt dem namenlosen Protagonisten<br />

des Romans “Winter im Morgengrauen”, den der dänische Schriftsteller und Theaterautor Jens-<br />

Martin Eriksen 1996 mit Blick auf die Gräueltaten im Kosovo schrieb und aus dem Regisseur<br />

Frank Heuel für die Produktionsgemeinschaft Fringe Ensemble /Phoenix 5 jetzt ein 90-minütiges,<br />

packendes und verstörendes Drama gemacht hat.<br />

Und das in einer Sprache, die so erschreckend prosaisch klingt wie auch in der Romanvorlage<br />

und der Banalität des Bösen wieder ein neues Gesicht gibt. Auch wenn niemals direkt von<br />

“ethnischen Säuberungen” gesprochen wird, ist der menschenverachtende Zynismus dahinter<br />

doch in jeder Minute spürbar; sozusagen zum Greifen nah.<br />

Dabei erweist sich Heuels Idee, die Rolle des Protagonisten mit den drei im Alter aufsteigenden<br />

Schauspielern Manuel Klein, David Fischer und Harald Redmer zu besetzen, als nahezu genial.<br />

Dieser Kunstgriff führt einerseits dazu, die Zerrissenheit des anonymen Soldaten einer ebenso<br />

anonymen Miliz in einem Kriegsgebiet irgendwo in Europa zu demonstrieren und sein Schicksal<br />

andererseits zu verallgemeinern. Dabei beginnt die Geschichte eher unspektakulär mit einer<br />

Gruppe junger Soldaten, die nach gerade mal einem Tag “Grundausbildung” in einer zur Kaserne<br />

umfunktionierten Schule auf ihre Marschbefehle warten. Sie sollen die Männer eines Dorfes –<br />

kurzum nur “die Begleiteten” genannt – eskortieren. So heißt es jedenfalls zunächst. Doch schnell<br />

wird klar, dass es damit nicht getan ist und der Protagonist und seine Kameraden an<br />

Erschießungen teilnehmen.<br />

Dabei, so erzählt er, sei es wichtig gewesen, dass sich alle gleichzeitig vor dem Graben<br />

aufstellen, damit keiner fürs Sterben noch Schlange stehen müsse. Nur ein paar Tage dauert es,<br />

bis aus den Soldaten willenlose Vollstrecker geworden sind, die allenfalls noch nach logistischen<br />

Problemen bei den Exekutionen fragen. Bis der Erzähler eines Tages einem alten Freund aus<br />

Kindertagen gegenübersteht. Er bringt es nicht fertig, ihn zu erschießen. Er lässt nur zu, dass ein<br />

anderer den “Job” erledigt, während die Augen des Opfers ihn verfolgen. Klein, Fischer und<br />

Redmer verleihen der Figur eine bedrohlich-banale Intensität. Schade ist nur, dass beim Zuhören<br />

über 90 Minuten die Konzentrationsfähigkeit mitunter etwas leidet. Das Hauptaugenmerk des<br />

Stückes liegt auf dem Text.<br />

Das ist die Stärke und manchmal eben auch die Schwäche dieser Inszenierung, die niemanden<br />

kalt lassen wird. Um zu zeigen, dass Krieg auf allen Seiten unbarmherzig seine Opfer fordert,<br />

reicht manchmal eben schon ein lakonischer Bericht. Ulrike Strauch, General-Anzeiger Bonn,<br />

28.02.2009<br />

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