Deutsche - Global Balance
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7. Die Zeit des Schweigens ist vorbei Schweiz<br />
Zyklus für Kriegskinder des zweiten Weltkrieges<br />
Etwa 14,8 Millionen Menschen, die heute in Deutschland leben, haben ihre Kindheit in den<br />
Kriegsjahren verbracht. Sie wurden zwischen 1930 und 1945 geboren.<br />
Über die traumatischen Erfahrungen der Kriegskinder unter Flucht, Vertreibung und durch<br />
Bomben wurde lange geschwiegen. Doch die Zeit des Schweigens ist vorbei. Das Leid der<br />
Kriegskinder des zweiten Weltkrieges wird zunehmend öffentlich thematisiert.<br />
Im Kontext seiner Spiritualität der Versöhnung hat das Katharina-Werk, Basel, einen<br />
Zyklus für Menschen, die den Krieg als Kind erlebten, angeboten. Der Zyklus hilft Sprache<br />
zu finden für die frühen traumatischen Erlebnisse und Schritte der Versöhnung mit der<br />
eigenen Geschichte zu wagen.<br />
Unter der Überschrift „Die Zeit des Schweigens ist vorbei“, haben zehn Frauen der<br />
Jahrgänge 1935 bis 1951 sich ihrer traumatischen Erfahrungen gestellt. Sie erzählten ihre<br />
Geschichte, wurden damit gehört und erlebten Verständnis, denn alle, einschliesslich der<br />
beiden Leiterinnen, waren selbst „Betroffene“. Eine Teilnehmerin berichtet:<br />
„Ich kam in Kontakt mit all dem in mir unbewusst ruhenden Kriegs- und Nachkriegselend<br />
und der daraus resultierenden, aber tief vergrabenen inneren Not. Zum ersten Mal durfte<br />
alles schritt-weise auftauchen und ich wurde damit gesehen, gehört, „ertragen“ und getragen,<br />
akzeptiert und geliebt in einer für mich noch nie da gewesenen Weise.“<br />
In der Prozessarbeit der Seminare kamen zu den eigenen traumatischen Erfahrungen auch<br />
ihre Auswirkungen auf die nachfolgende Generation zur Sprache.<br />
„Der fünfteilige Zyklus war für mich eine Offenbarung. Offenbar wurden nicht nur die tiefen<br />
Wunden, die Kriegs- und Nachkriegszeit mir geschlagen hatten, sondern auch alle<br />
schmerzhaften Erfahrungen danach. Vor allem spürte ich die Not, wenn ich meine vier<br />
Kinder heranwachsen sah und merkte, dass ich vieles Schwere aus meinem „Rucksack“<br />
ihnen auflud.“<br />
Dieses Erkennen war für einige Teilnehmerinnen schmerzhaft und herausfordernd aber<br />
gleichzeitig befreiend wie eine Teilnehmerin es beschreibt:<br />
„Ich merke, wie ich ganz behutsam den „Grauschleier“ von meinem Leben abziehe und mit<br />
Staunen die Farben erkenne von all den Kostbarkeiten, die mir das Leben geschenkt hat.<br />
Danke!“<br />
Sie hatten alle überlebt. Doch für die jetzige Lebensphase wünschen sich alle mehr:<br />
Leben – wollen sie, nicht nur überleben.<br />
Ganz behutsam, Schritt für Schritt, zeigte sich im Laufe der Seminare eine neue<br />
Lebendigkeit, auch wenn noch längst nicht alles geheilt und erlöst ist. Einige stellen am Ende<br />
des Zyklus fest:<br />
„Ich habe zu einer neuen ,befreiten Lebendigkeit und Einzigartigkeit zurückgefunden, weil ich<br />
mich erinnern will.“<br />
Gestaunt haben alle an dem Abschlusswochenende über das, was in den vergangenen zehn<br />
Monaten für jede Teilnehmerin möglich wurde, was frei wurde und sich entfalten konnte an<br />
neuer Lebensenergie und Hoffnung. Der Zyklus wurde für sie zu einem Anfang auf dem<br />
Weg der Versöhnung mit ihrer Geschichte.<br />
Das Angebot für Betroffene des Zweiten Weltkrieges und deren Nachfolgegeneration<br />
wird fortgesetzt.<br />
Gudrun Rütten, Sascha Dönges www.katharina-werk.org<br />
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