Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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efanden. Das war eine vom Beobachter, in diesem Fall vom Zauberer, geschaffene<br />
Wirklichkeit.<br />
Kochen und Specker haben nachgewiesen, dass ein klassisch orientierter Physiker, der<br />
von der Annahme ausgeht, dass die Beobachtung den Zustand eines Objekts nicht stört,<br />
also die objektive Welt unabhängig von unserer Beobachtung existiert, und dann eine<br />
Reihe von Beobachtungen an den Spinzuständen eines Heliumatoms vornimmt, mit Hilfe<br />
einer unkomplizierten Booleschen Logik schließlich zu so widersprüchlichen Aussagen<br />
gezwungen wird wie: »Das Heliumatom befindet sich im Zustand A, und das Heliumatom<br />
befindet sich nicht im Zustand A.« Wenn man einen logischen Widerspruch wie diesen<br />
akzeptiert, kann man eigentlich alles beweisen; es ist das Ende des vernünftigen Denkens.<br />
Solche Widersprüche lassen sich auf zweierlei Art vermeiden. Einmal kann man für die<br />
Aussagen eine nicht-Boolesche Logik verwenden. Eine derartige »Quantenlogik« ist<br />
völlig konsistent, aber ihre Vorschriften entsprechen den Regeln der gewöhnlichen<br />
Booleschen Logik mit ihrem »gesunden Menschenverstand« nicht. So wie Auge und<br />
Gehirn die Welt in der euklidischen Geometrie wahrnehmen, so denkt offenbar das<br />
menschliche Gehirn in der Booleschen Logik. Aber ebenso wie wir völlig konsistente<br />
nichteuklidische Geometrien ableiten, können wir auch konsistente nicht-Boolesche Logiksysteme<br />
aufstellen, die die Grammatik von »Und« und »Oder« verändern. Wir haben<br />
z. B. im Zwei-Löcher-Experiment die Aussage, »das Elektron geht entweder durch das<br />
Loch 1 oder durch das Loch 2«, untersucht. In der Booleschen Logik hat die Aussage<br />
»entweder... oder« in der Feststellung ihre übliche Bedeutung: entweder gilt die eine oder<br />
die andere Möglichkeit, und beide schließen einander aus. In der nicht-Booleschen<br />
Quantenlogik vertauscht man diese enge Bedeutung von »entweder... oder« mit einer<br />
weniger restriktiven Bedeutung. Interessant ist an dieser Alternative, dass wir die Vorstellung<br />
beibehalten können, die Welt existiere objektiv; wir müssen lediglich eine neue<br />
Quantenlogik wählen, um darüber nachzudenken.<br />
Als zweite Alternative können wir die Boolesche Logik beibehalten, dafür aber die<br />
Vorstellung aufgeben, dass die Welt einen definierten, objektiven Zustand unabhängig<br />
davon aufweist, ob wir sie beobachten oder nicht; das ist der Kern der Kopenhagener<br />
Interpretation. Wenn der Baum im Wald ungehört umstürzt, gibt es nicht nur kein Geräusch,<br />
sondern es ist sinnlos, überhaupt zu sagen, dass der Baum umgestürzt ist. Die<br />
meisten Physiker beziehen diesen letzten Standpunkt; sie behalten die klassische Boolesche<br />
Logik bei und akzeptieren gleichzeitig die merkwürdige Vorstellung, dass die Welt<br />
nur dann existiert, wenn wir sie beobachten. Wie die meisten Menschen, so wollen auch<br />
Physiker ihre gewohnte Denklogik nicht gegen eine andere Logik eintauschen. Solche<br />
Geistesakrobatik dürfte ihnen Mühe bereiten.<br />
Die Bedeutung der Arbeit von Kochen und Specker liegt darin, dass es eine Alternative<br />
zu dieser physikalischen Eigenart gibt, nämlich die logische Eigenart. Es ist aber unmöglich,<br />
die Eigenart überhaupt zu vermeiden, wenn die Quantentheorie stimmt.<br />
Als Entdecker auf dem Weg zur Quantenrealität bedanken wir uns bei dem Märchenerzähler<br />
für seine hübsche Geschichte mit der provozierenden Moral, dass unsere Logik in<br />
der Quantenwelt nichts taugt und dass sie deshalb so eigenartig ist. Den ganzen Nachmittag<br />
lang haben wir im Rasthaus über Quantenlogik diskutiert; jetzt sind wir müde und<br />
wollen hier übernachten. Nach dem Abendessen, wir wollen es uns gerade gemütlich<br />
machen, wird plötzlich die Tür des Rasthauses aufgerissen, und ein wild drein blickender<br />
Mann stürzt herein. »Ich bin den Weg ein Stück weiter hinuntergelaufen; da ist es vielleicht<br />
eigenartig. Jemand hat mir erzählt, nach Einstein bedeutet die Quantentheorie, dass<br />
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