Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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Der wichtigste Gedanke in der neuen Matrizenmechanik besagt, dass physikalische<br />
Variablen, wie der Ort q und der Impuls p eines Teilchens, nicht mehr einfache Zahlen,<br />
sondern Matrizen sind. Matrizen folgen nicht zwangsläufig dem Kommutativgesetz der<br />
Multiplikation: p ∙ q muss nicht unbedingt gleich q ∙ p sein. Die Arbeit von Born und<br />
Jordan enthielt eine Beziehung für die Matrizen, die den Ort q und den Impuls p eines<br />
Teilchens darstellen, die besagte, dass die Differenz zwischen p ∙ q und q ∙ p der<br />
Planckschen Konstante h proportional war. Wenn wir in einer stetigen Welt lebten, in der<br />
h Null wäre, gehorchten die Matrizen p und q dem Kommutativgesetz wie einfache<br />
Zahlen, genauso wie in der alten klassischen Physik. Aber weil h von Null verschieden<br />
war, wenngleich dieser Unterschied in der wirklichen Welt kaum ins Gewicht fiel, konnte<br />
man sich den Ort q und den Impuls p eines Teilchens nicht länger als einfache Zahlen<br />
vorstellen; sie mussten als Matrizen dargestellt werden und gehorchten den nicht-kommutativen<br />
Gesetzen der neuen Matrizenmechanik, nicht den Kommutativgesetzen der<br />
klassischen Mechanik. Was hatte das zu bedeuten? Die Physiker stellen sich, wie die<br />
meisten, vor. dass der Ort eines Teilchens einen definierten Wert aufweist, der durch eine<br />
einfache Zahl gegeben ist. Aber in der neuen Matrizenmechanik wurde der Ort eines<br />
Teilchens durch eine Matrix und nicht durch eine einfache Zahl beschrieben. Was war<br />
aber der »wirkliche« Ort eines Quantenteilchens? Hier entstand zum ersten Mal das erstaunliche<br />
Problem einer physikalischen Interpretation der Mathematik dieser neuen<br />
Mechanik, mit dem sich die Quantenphysiker in den folgenden Jahren herumschlagen<br />
mussten.<br />
Als Heisenberg in Kopenhagen von den jüngsten Arbeiten von Born und Jordan hörte,<br />
wusste er noch nicht, was eine Matrize war; er lernte es jedoch sehr schnell. Später im<br />
selben Jahr, 1925, besuchte Heisenberg das Cavendish-Laboratorium in Cambridge und<br />
veranstaltete ein Seminar über seine letzten Arbeiten unter der Leitung von Peter Kapitza,<br />
einem Experimentalphysiker, Gast aus der Sowjetunion. Unter den Zuhörern befand sich<br />
der dreiundzwanzigjährige Paul Dirac, ein brillanter mathematischer Physiker. Dirac<br />
verstand auf Anhieb, worum es in Heisenbergs Arbeiten ging. Bald nachdem Heisenberg<br />
aus Cambridge abgereist war, formulierte Dirac in einem klaren Aufsatz die neue Matrizenmechanik<br />
und wies nach, dass sie als abgeschlossene dynamische Theorie an die<br />
Stelle der klassischen Mechanik trat.<br />
Inzwischen waren Born und Jordan in Göttingen, die mit Heisenberg in Kopenhagen in<br />
Briefwechsel standen, auf einem etwas anderen Weg zu denselben Schlussfolgerungen<br />
gelangt. Die beiden Arbeiten, die eine von Dirac und die andere gemeinsam von Born,<br />
Jordan und Heisenberg verfasst, beide von Heisenbergs Gedankenblitz auf Helgoland<br />
ausgelöst, stellen den Beginn der Matrizen-Quantenmechanik dar.<br />
Die neue Matrizenmechanik war die mathematische Modifikation der Newtonschen<br />
klassischen Mechanik, nach der die Physiker immer gesucht hatten; sie lieferte eine mathematische<br />
Beschreibung bewegter Teilchen, ebenso wie die frühere klassische Theorie.<br />
Sie ging aber noch darüber hinaus. Die theoretischen Physiker hatten eine neue mathematische<br />
Theorie geschaffen und wandten sich jetzt mit großer Aufregung der Frage zu,<br />
ob sie tatsächlich die Natur beschrieb, ob die Matrizenmechanik die richtige Quantentheorie<br />
des Atoms darstellte.<br />
Heisenberg in Kopenhagen bemühte sich sehr darum, die neuen Matrizenmethoden bei<br />
der Bestimmung des Lichtspektrums des Wasserstoffatoms anzuwenden. Bohr hatte diese<br />
Aufgabe schon gelöst, aber man wollte doch feststellen, ob das neue Verfahren dasselbe<br />
Ergebnis lieferte. Die Lösung des Problems fiel dem arroganten, brillanten jungen Phy-<br />
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