Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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gehen wird, weil sie von der Herrschaft der Vernunft getragen wird. Aber andere, wie die<br />
Dichterin, sehen die Vernunft als Werkzeug des Bösen, als Instrument zur Zerstörung des<br />
Lebens und des einfachen Glaubens. Für sie ist der Wissenschaftler jemand, der den<br />
freien menschlichen Geist vernichtet; der Wissenschaftler sieht die Verbündeten der<br />
Dichterin als Menschen, die gegenüber den materiellen Notwendigkeiten für das Überleben<br />
der Menschheit blind sind. Was uns trennt, ist der Unterschied zwischen denen, die<br />
ihren Intuitionen und Gefühlen folgen und denen, die Erkenntnis und Vernunft Vorrang<br />
geben. Beides sind Ressourcen des menschlichen Lebens. Jeder von uns verfügt über<br />
beide Impulse, aber manchmal klappt die fruchtbare Koexistenz nicht, und der Mensch<br />
wird einseitig.<br />
Im 13. Jahrhundert hat die Scholastik versucht, den Glauben mit dem Verstand zu<br />
versöhnen. Sie ist damit gescheitert, aber aus diesem Scheitern ist eine neue Zivilisation<br />
entstanden, die moderne Welt, in der die Dialektik zwischen Glauben und Vernunft uns<br />
weiterhin beschäftigt. Diese Dialektik kann nicht aufgelöst werden; man sollte sie als<br />
Gegenkraft betrachten, die das Leben umwandelt. Unsere Fähigkeit zur Erfüllung kann<br />
nur aus dem Glauben und dem Gefühl kommen. Aber unsere Überlebensfähigkeit muss<br />
aus dem Verstand und der Erkenntnis erwachsen.<br />
Ist die moderne Wissenschaft menschheitsfeindlich? Max Born, einer der Entwickler<br />
der Quantentheorie, hat sich einmal besorgt über die Dauerhaftigkeit der wissenschaftlichen<br />
Taten aus den letzten drei Jahrhunderten geäußert. Die zeitgenössische Wissenschaft,<br />
so meinte er, hat in der Konstellation des menschlichen Lebens keinen so festen<br />
und unverrückbaren Platz wie die Politik, die Religion oder der Handel. Er überlegte, ob<br />
die Menschheit nicht eines Tages die Wissenschaft überhaupt aufgeben könnte. Wenn das<br />
passierte, würden damit unsere immer noch zerbrechlichen Verbindungen zum kosmischen<br />
<strong>Code</strong> zerstört werden, und dieser Fehler könnte uns unsere Existenz kosten. Ich<br />
glaube, künftige Historiker werden die gegenwärtige Zivilisation als Reaktion auf die<br />
Entdeckung der Welten der Moleküle, Atome und der endlosen Bereiche von Raum und<br />
Zeit sehen. Die Herausforderung besteht darin, diese unsichtbaren Gebiete dem Menschen<br />
ins Bewusstsein zu bringen und die unvorstellbaren Kräfte, die wir dort finden, zu<br />
humanisieren.<br />
Wissenschaft ist nur eine andere Bezeichnung für Wissen, und wir sind bisher noch<br />
nicht an die Grenze des Wissens gestoßen, obwohl wir schon viele andere Grenzen entdeckt<br />
haben. Aber Wissen ist nicht genug. Es muss mit Gerechtigkeit, einem Sinn für<br />
sittliches Leben und unserer Liebes- und Mitteilungsfähigkeit Hand in Hand gehen. Die<br />
Wissenschaft verhilft uns zu einer Neubewertung der Lage der Menschheit, zur Erkenntnis<br />
der Grenzen unserer Existenz im Universum. Durch die Erweiterung unserer Wahrnehmungsfähigkeit<br />
in der Wissenschaft erfahren wir immer wieder nicht nur weitere<br />
Fortschritte unserer materiellen Möglichkeiten, sondern auch ihre absoluten Grenzen.<br />
In der Schöpfungsgeschichte lesen wir über unsere Urahnen, die im Paradiesgarten<br />
erschaffen und vom Herrn zu dessen Aufsehern eingesetzt wurden. Da gab es zwei<br />
Bäume, den Baum der Erkenntnis und den Baum des Lebens, und der Herr verbat ihnen,<br />
von der Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Unsere Urahnen kosteten aber von der<br />
Erkenntnis und kannten von da an Gut und Böse. Jetzt konnten sie, wie der Herr, potentiell<br />
unendliche Erkenntnisse sammeln. Der Herr verstieß sie aus dem Garten, ehe sie vom<br />
Baum des Lebens essen und auch im Leben unendlich werden konnten. Die Menschheit<br />
lebt vor der Vision unendlicher Erkenntnisse, aber aus einem Zustand endlichen Seins.<br />
Die Wissenschaft ist kein Feind der Menschheit, sondern einer der stärksten Ausdrücke<br />
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