Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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physikalische Phänomene beschreiben kann. Aber die Gründe für diesen Erfolg sind nicht<br />
klar. »Man kommt nicht um das Gefühl herum«, schrieb Heinrich Hertz, der deutsche<br />
Physiker im 19. Jahrhundert, »dass diese mathematischen Formeln ein Eigenleben führen<br />
und eine eigene Intelligenz haben, dass sie klüger sind als wir, klüger selbst als ihre<br />
Entdecker, dass wir mehr aus ihnen herausholen, als ursprünglich in sie hineingesteckt<br />
worden ist.« Formeln als Ausdruck der Naturgesetze tun der natürlichen Welt, vielleicht<br />
sogar Gott, Zwang an. Einstein hat einmal gesagt, er beschäftigte sich auch deshalb mit<br />
Physik, weil er feststellen wolle, ob Gott bei seiner Erschaffung des Universums überhaupt<br />
eine andere Wahl gehabt habe.<br />
Die Physiker glaubten früher, sie könnten in ihrem Netz der Mathematik die ganze<br />
Natur einfangen. Alles, was passiert war, ließ sich bis ins kleinste Detail bestimmen. Aber<br />
die moderne Quantentheorie hat mit der Vorstellung von der mathematischen Beschreibung<br />
der ganzen Natur Schluss gemacht. Einzelne Quantenereignisse, beispielsweise der<br />
radioaktive Zerfall eines Kerns, folgen keinem mathematisch-physikalischen Gesetz<br />
mehr; nur die Verteilung dieser Ereignisse, die Mittelwerte über viele Vorfälle, unterliegen<br />
den Gesetzen der Quantentheorie. Die Gesetze der Physik sind nicht deterministisch,<br />
sondern statistisch, und diese Entdeckung bedeutet das Ende einer mathematischen<br />
Beschreibung der ganzen Natur.<br />
Die Physik macht den Kosmos wunderbar verständlich. Wie können wir ein Universum<br />
verstehen, das wir nicht erfunden haben? Der Philosoph Kant glaubte, die innere Logik<br />
der Natur entspreche der inneren Logik des menschlichen Geistes, und deshalb sei die<br />
Natur verständlich. Wenn es eine Übereinstimmung zwischen der Natur und dem Geist<br />
gibt, so ist das wahrscheinlich kein Zufall der biologischen <strong>Evolution</strong>. Das menschliche<br />
Gehirn ist bei all seiner Großartigkeit dennoch ein Produkt der <strong>Evolution</strong>; es ist Teil der<br />
Natur und unterliegt physikalischen Gesetzen.<br />
Wo stößt das Verstehen der Naturgesetze an Grenzen? Wir können uns vorstellen, wir<br />
bauen eine künstliche Intelligenz, einen Großrechner, der die Naturgesetze entdecken<br />
soll. Aber die Operationen des Rechners selbst sind durch die Naturgesetze beschränkt.<br />
Weil die Lichtgeschwindigkeit endlich ist, dauert es beispielsweise eine endliche Zeit,<br />
Informationen von einer auf die andere Seite des Rechners zu übertragen. Diese Beschränkung<br />
in einem wirklichen Computer kann auch seine Funktionen grundlegend<br />
einschränken, so dass er außerstande ist, die physikalischen Gesetze der Natur aufzufinden,<br />
die auch seinen eigenen Betrieb bestimmen. Wird dadurch wirklich seine logische<br />
Operationsweise eingeengt? Wenn das der Fall ist, stoßen wir hier vielleicht auch auf eine<br />
Grenze unseres Wissens über die Naturgesetze. Ich glaube, die Physik wird sich in Zukunft<br />
auch damit beschäftigen, festzustellen, wie der materielle Aufbau aller realen Intelligenzen<br />
der Erkenntnisgewinnung Grenzen setzt.<br />
Beim Nachdenken über die Beziehungen zwischen physikalischen Gesetzen, Theorien<br />
und der natürlichen Welt hat mir folgende Analogie geholfen: Nehmen wir an, ein<br />
Raumschiff, Produkt einer hochentwickelten außerirdischen Zivilisation, landet auf der<br />
Erde. Wissenschaftler untersuchen das Raumschiff und stellen fest, dass es ein riesiger<br />
Rechner ist. Zuerst sehen sie sich die Hardware, die Rechnerteile an, um herauszufinden,<br />
wie alles zusammenhängt. Bald erkennen sie eine Logik in der Konstruktion und erfinden<br />
Theorien über den Rechner, Bilder von der Art Softwareprogramme, die darin verarbeitet<br />
werden können, und diese Theorien spiegeln dann die großen Auslegungsinvarianzen<br />
oder Gesetze des Rechners wider.<br />
Denken wir uns als nächstes das Universum als einen riesigen Rechner; was wir sehen,<br />
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