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Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH

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10. Umsetzung familienbewusster Schichtmodelle<br />

Bei der Umsetzung eines familienbewussten Schichtmodells oder<br />

Dienstplans stellen die betrieblichen Besonderheiten eine große<br />

Herausforderung dar. Grundsätzlich kann zwischen Schichtplänen<br />

und Einsatzplänen unterschieden werden. Während der Schichtplan<br />

meist sehr übersichtlich die festen Schichten und Schichtzyklen<br />

fi xiert und die kollektive Schichtgruppe organisiert, bildet der<br />

Einsatzplan den entgegengesetzten Planungspol. Vorteil der<br />

Schichtplanung sind die festen Vorgaben für viele Beschäftigtengruppen,<br />

die eine sehr große Planbarkeit gewährleisten. Nachteil<br />

sind vor allem die fehlende Berücksichtigung individueller Arbeitszeitinteressen<br />

und die geringe Flexibilität z. B. bei familiären<br />

Verpfl ichtungen oder Notfällen.<br />

Bei der Einsatzplanung werden teilweise sehr komplexe,<br />

wechselnde Einsatzzeiten mit exakten Zeitvorgaben für einzelne<br />

Beschäftigte auf Minuten genau festgelegt. Größtmögliche Flexibilität<br />

steht hier einer fehlenden Vorhersehbarkeit der Arbeitszeiten<br />

gegenüber. Darüber hinaus besteht in solchen Systemen die Gefahr,<br />

dass ausschließlich nach ökonomischen Kriterien geplant wird und<br />

sich einzelne Beschäftigte individuell mit ihren Vorgesetzten auseinandersetzen<br />

müssen. Eine Zwischenform bilden Dienstpläne, die<br />

Merkmale beider Organisationsprinzipien verbinden, also kollektive<br />

Zyklen vorgeben, in denen sich passgenaue individuelle Arbeitszeiten<br />

wiederfi nden.<br />

Das Dilemma zwischen kollektiver oder individueller Gestaltung der<br />

Schicht stellt sich in den verschiedenen Systemen also sehr unterschiedlich<br />

dar. Neben den beschriebenen Flexibilisierungsformen<br />

in festen Schichtsystemen bietet vor allem die Auswahl zwischen<br />

ganz unterschiedlichen Schichtmodellen eine Alternative, um den<br />

Arbeitszeitwünschen der verschiedenen Beschäftigtengruppen<br />

besser gerecht zu werden. Je breiter die Palette an Angeboten und<br />

Schichtmodellen ist, desto mehr fi nden sich die Arbeitszeitwünsche<br />

der unterschiedlichen Beschäftigtengruppen darin wieder. Sofern<br />

diese Möglichkeit umgesetzt werden kann, ist es immer ratsamer<br />

auch für wenige Beschäftigte eine Alternative anzubieten, als die<br />

Belegschaft vor die Entscheidung für ein einziges Modell zu stellen.<br />

Ein einzelnes Modell erreicht vielleicht eine Mehrheit der Beschäftigten,<br />

spaltet aber möglicherweise die Belegschaft oder fi ndet sehr<br />

wenig Akzeptanz bei den Gegnern.<br />

Umgekehrt lassen sich auch in individuellen Einsatzplänen mehr<br />

Planbarkeit und vor allem eigene Zeitinteressen verwirklichen,<br />

wenn bestimmte Grobpläne für einen längeren Zeitraum ausgearbeitet<br />

werden. Meist wird die Planung in Grob- und Feinplanung<br />

unterschieden, wobei der Grobplan bis zu mehreren Monaten im<br />

Voraus die Einsatztage und/oder bestimmte Zeitfenster festlegt.<br />

Die eigentliche Einsatzplanung erfolgt dann wesentlich zeitnaher,<br />

Wochen oder Tage vor dem Dienst oder Einsatz.<br />

Ein komplett neues Schichtsystem für den ganzen Betrieb oder die<br />

Dienststelle einzuführen ist meist ein sehr aufwendiger Prozess,<br />

weil viele Dinge zu berücksichtigen sind und die Umstellungen mit<br />

tiefen Einschnitten im <strong>Familie</strong>nleben der Beschäftigten verbunden<br />

sein können. Erfahrungen zur Umstellung von traditionellen auf<br />

familienbewusste und gesundheitsförderliche Schichtsysteme<br />

zeigen fast immer ein großes Widerstandspotenzial, das erst<br />

im Laufe der Zeit durch positive Erfahrungen in Zustimmung<br />

verwandelt werden kann. Deshalb dauert ein solcher Umstellungsprozess<br />

sehr lange – meist ein Jahr – und bedarf einer guten<br />

Vorbereitung und schrittweisen, transparenten Durchführung, in die<br />

möglichst viele betriebliche Akteure mit eingebunden werden. Wie<br />

ein solcher Umsetzungsprozess organisiert werden kann und was<br />

dabei zu bedenken ist, wird im Weiteren (Kapitel 12 Prozess der<br />

Umsetzung) beschrieben.<br />

Die andere Möglichkeit Veränderungen zu gestalten, besteht<br />

darin, Stück für Stück kleinere Neuerungen einzuführen und<br />

funktionierende Modelle weiterzuentwickeln. Nach dem Prinzip<br />

„auf Bekanntes aufbauen und dieses fortführen und entwickeln“<br />

können immer mehr individuelle Elemente hinzugefügt werden.<br />

Die Einführung von Teilzeit in Schichten lässt sich beispielsweise<br />

durch individuelle Freischichten relativ einfach vornehmen ohne das<br />

ganze Schichtmodell umzukrempeln. Für welche Strategie man sich<br />

entscheidet, hängt von der Dringlichkeit der Probleme, den betrieblichen<br />

Bedingungen und den erwarteten Erfolgsaussichten ab.<br />

In beiden Fällen empfi ehlt es sich, neue Systeme oder Veränderungen<br />

an bestehenden Modellen vorher in kleinen Abteilungen<br />

testen zu lassen. Die Bereitschaft zu Neuerungen wächst, wenn<br />

Pilotprojekte zugelassen werden und die Erfahrungen der Betroffenen<br />

dazu kommuniziert werden. Diese Pilotprojekte sind einerseits<br />

Türöffner für Veränderungen und andererseits können sie<br />

bestimmte Fehlentwicklungen verhindern, die bei einer fl ächendeckenden<br />

Einführung wesentlich negativere Folgen hätten und<br />

womöglich das ganze neue System gefährden würden.<br />

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