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Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH

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Kollegen/innen üblich, wenn z. B. die Freischichten aus familiären<br />

Gründen anders gelegt werden sollen. Verkürzungen der Schichtlängen<br />

sind im Allgemeinen nicht möglich. Aber für einen<br />

bestimmten Zeitraum können Beschäftigte, z. B. wenn sie einen<br />

Angehörigen pfl egen, nur in einer bestimmten Schicht arbeiten.<br />

Eine Dauernachtschicht ist dagegen aus gesundheitlichen Gründen<br />

grundsätzlich für alle Beschäftigten ausgeschlossen.<br />

Zur Optimierung der Schichtübergaben überlappen sich die<br />

Schichten um 15 Minuten. Für das Übergabegespräch sind fünf<br />

Minuten eingeplant. Da die/der übergebende Kollege/in früher<br />

gehen könnte, wird als Ausgleich eine zusätzliche Freischicht pro<br />

Jahr für alle Schichtbeschäftigten gewährt.<br />

Auch die betriebliche Flexibilität kann in wirtschaftlichen Krisenzeiten<br />

erweitert werden. Durch kurzfristige Reaktion auf betriebliche<br />

Schwankungen kommt der Betriebsrat dem Unternehmen<br />

entgegen. Im Gegenzug wird verhindert, dass Beschäftigte in<br />

Kurzarbeit gehen müssen.<br />

Insgesamt bewertet Betriebsrat Robert Verbücheln das Arbeitszeitmodell<br />

sehr positiv. Beleg für den Erfolg des Schichtmodells ist die<br />

große Zufriedenheit der Beschäftigten: Insbesondere hat sich das<br />

soziale Leben enorm verbessert, da das <strong>Familie</strong>nleben nicht mehr<br />

wochenweise stattfi ndet. Früher konnte es öfter passieren, dass<br />

man Aktivitäten mit den Kindern um zwei Wochen verschieben<br />

musste, weil sich z. B. das Wetter zum gemeinsamen Schwimmbadbesuch<br />

verschlechtert hatte. Jetzt bietet der kurze Rhythmus eine<br />

gute Planbarkeit und bessere Möglichkeiten mit Freunden/<strong>Familie</strong><br />

oder in Vereinen aktiv zu sein. Auch bei kurzfristigem Zeitbedarf<br />

des Arbeitgebers wird auf die Vereinbarkeit von <strong>Familie</strong> und <strong>Beruf</strong><br />

Rücksicht genommen. Mittlerweile können sich die Beschäftigten<br />

kein anderes Arbeitszeitmodell mehr für die Schicht vorstellen.<br />

Auch der Betriebsrat sieht hier kaum noch Verbesserungsbedarf.<br />

Die große Aufmerksamkeit anderer Betriebe für das Rasselsteiner<br />

Schichtmodell zeigt die hohe Attraktivität. Viele andere Unternehmen<br />

möchten das Schichtsystem übernehmen und kommen zu<br />

Rasselstein um sich vor Ort vom Schichtmodell zu überzeugen.<br />

Im Laufe der Jahre wurden immer wieder kleinere Verbesserungen<br />

in das Schichtsystem eingeführt. Im Rahmen eines wissenschaftlichen<br />

Projektes (Kronos-Projekt) sollten demografi efeste Elemente<br />

in das Schichtmodell integriert werden. Dabei wurde insbesondere<br />

überlegt, wie durch veränderte Schichtzeiten (z. B. Verlegung des<br />

Beginns der Frühschicht von 5:00 auf 6:00 Uhr) das Schlafverhalten<br />

positiv beeinfl usst werden könnte. Auch wenn in der Pilotphase<br />

durchaus positive Effekte auf den Schlaf festzustellen waren, wurde<br />

die Schicht nicht eingeführt, da andere negative Folgen das Schlafverhalten<br />

konterkarierten. Auch die Einführung von Kurzpausen<br />

scheiterte daran, dass der Aufwand für die Pausenvorbereitung<br />

(Händewaschen, Absprachen mit Kollegen/innen) nicht angemessen<br />

erschien. Hier zeigt sich, wie wichtig eine Pilotphase ist. Trotz guter<br />

Ideen und Vorsätze konnten sich die möglichen Verbesserungen<br />

nicht in der Praxis bewähren.<br />

Einführungsprozess<br />

Vor der Einführung des aktuellen Schichtsystems wurde klassisch<br />

in langen Schichtblöcken gearbeitet mit sieben Tagen Früh-, Spätund<br />

Nachtschicht und anschließender Freiwoche. Der Auslöser<br />

für die Umstellung war Mitte der 90er Jahre ein vom Arbeitgeber<br />

geplanter Personalabbau, der 40 Kollegen/innen treffen sollte. In<br />

einer solidarischen Aktion konnte der Betriebsrat einen Teil der<br />

Belegschaft dazu bewegen, ihre Arbeitszeiten zu verkürzen und<br />

damit die Entlassung abwenden. Damit wurde der Einstieg in<br />

die Teilzeit eingeleitet. Auch in der letzten Finanzkrise wurde das<br />

Instrument zur Beschäftigungssicherung genutzt, indem weitere<br />

Beschäftigte überzeugt werden konnten von Vollzeit in Teilzeit zu<br />

wechseln.<br />

Gleichzeitig wurde der Umsetzungsprozess von der Universität<br />

Karlsruhe wissenschaftlich durch Prof. Knauth begleitet. Dazu<br />

zählten eine umfangreiche Informations- und Diskussionsphase<br />

mit anschließender Einführung einer Pilotgruppe, in der das<br />

spätere Schichtmodell getestet wurde. Anfangs war die Skepsis<br />

der Beschäftigten gegenüber dem neuen Modell sehr groß. Eine<br />

typische Reaktion auf die neuen Arbeitszeiten war: „Welches Hirn<br />

denkt sich denn so einen Unsinn aus? Da kann man sich doch nicht<br />

dran gewöhnen!“ Dann verbreiteten sich erste positive Berichte<br />

aus der Pilotgruppe und konnten allmählich die Widerstände gegen<br />

den neuen Schichtrhythmus verringern. Hilfreich war sicher auch<br />

die Bereitschaft der Kollegen/innen in Teilzeit zu wechseln, um<br />

damit die Beschäftigungssicherung möglich zu machen.<br />

Auch der Arbeitgeber leistete einen Beitrag indem auf eine der drei<br />

zusätzlichen Bringschichten (bei der 32-Stunden-Woche) verzichtet<br />

wurde. Der größere Arbeitsaufwand durch die Kontoführung<br />

und die Optimierung der Schichten für die Teilzeitbeschäftigten,<br />

wurde relativ schnell dadurch ausgeglichen, dass keine Menschen<br />

entlassen wurden, das Betriebswissen dem Unternehmen nicht<br />

verloren ging und in wirtschaftlich guten Zeiten Kosten für Einarbeitung/Rekrutierung<br />

neuer Beschäftigter eingespart wurden.<br />

Die letzten Zweifel der Kollegen/innen wurden aber erst in der<br />

eigenen Praxis mit dem neuen Schichtmodell beseitigt. Damals<br />

bestand nach der alten Altersteilzeitregelung in der aktiven Teilzeitphase<br />

die Möglichkeit wieder auf die 35-Stunden-Woche zu gehen,<br />

was aber kaum eine/r der Kollegen/innen in Anspruch nahm.<br />

Vielmehr fi el die Entscheidung zugunsten von mehr Freizeit und<br />

weniger Geld aus.<br />

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