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Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH

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wird mit ausgedünnten Schichten gearbeitet, so dass ca. drei<br />

Nachtschichten pro Monat anfallen. Meist wird fünf Tage in Frühund<br />

fünf Tage in Spätschicht bearbeitet. Daneben gibt es eine<br />

Reihe von individuellen Ausnahmen. Verschiedene Abteilungen<br />

haben noch eine 5,5-Tage Woche, in den meisten Abteilungen<br />

ist die 5-Tage-Woche etabliert. In einer Abteilung wurde ein<br />

Zwischendienst entwickelt der erst um 7:00 Uhr morgens beginnt<br />

(bis 15:12 Uhr) und von dem gerade Menschen mit <strong>Familie</strong>naufgaben<br />

profi tieren, da die Unterbringung der Kinder im Kindergarten<br />

um 7 Uhr wesentlich einfacher gelingt. Auch das Ende des<br />

Mitteldienstes ist variabel. Diese Einzelfallregelungen waren so<br />

populär, dass sie in anderen Abteilungen übernommen wurden.<br />

Teilzeitbeschäftigte machen in der Regel volle Schichten und<br />

reduzieren ihre Arbeitszeiten durch mehr Freischichten. Aber auch<br />

hier gibt es viele Variationsmöglichkeiten: Verkürzte Mittelschichten,<br />

Beschäftigte im OP, die nur vormittags (8 bis 12 Uhr) eingesetzt<br />

werden, Wochenarbeitszeiten bis zu 8 Stunden (vier Nachtschichten<br />

im Monat) oder eine Dauernachtwache, die ein bis zwei Mal pro<br />

Monat drei Nächte hintereinander arbeitet. Früher waren sieben<br />

Schichten hintereinander möglich; jetzt sind diese gesundheitlich<br />

bedenklichen Schichten, die gerade bei Beschäftigten mit <strong>Familie</strong>naufgaben<br />

sehr beliebt sind, auf drei Nachtschichten hintereinander<br />

begrenzt. Auch durch die Überzeugungsarbeit des Betriebsrates<br />

setzt sich die Erkenntnis der gesundheitlichen Bedenklichkeit von<br />

Nachtschichten durch.<br />

Die Teilzeitlösungen sind in der Regel auf einen Zeitraum befristet,<br />

um die Rückkehr zur Vollzeit zu erleichtern.<br />

Weiter gibt es im Verwaltungsbereich eine Gleitzeitregelung und<br />

Bereitschaftsdienste, die einen Teil der Ärzte und den medizinischtechnischen<br />

Bereich (Labor, Röntgenabteilung, OP, Anästhesie)<br />

betreffen. Für Beschäftigte mit Betreuungsaufgaben gibt es die<br />

Möglichkeit sich von den Bereitschaftsdiensten befreien zu lassen.<br />

Allerdings muss dies wiederum im Team verhandelt werden.<br />

Für Mehrarbeit wurden Zeitkonten eingeführt, die innerhalb eines<br />

Monats ausgeglichen werden sollen. Hier besteht nach Ansicht des<br />

Betriebsratsvorsitzenden noch Handlungsbedarf, da nicht geregelt<br />

ist, wie die Überstunden abgebaut werden. Für Teilzeitbeschäftigte<br />

ist die Auszahlung wegen der ungünstigen Steuerklasse meist nicht<br />

attraktiv.<br />

Flexibilität<br />

Die individuellen Zeitoptionen werden vor allem durch das<br />

Spannungsverhältnis zwischen Teamerfordernissen und betriebswirtschaftlichen<br />

Anforderungen begrenzt.<br />

Grundsätzlich sind Wechsel in andere Teams möglich. Diese<br />

werden aber selten genutzt, da die Teams meist schon seit Jahren<br />

bestehen und zum guten Betriebsklima beitragen. Das Team ist<br />

die zentrale Institution, in der individuelle Regelungen getroffen<br />

werden können. Je höher die sozialen Kompetenzen im Team, desto<br />

besser funktionieren Ausnahmeregelungen. Oft sind die Durchsetzungsmöglichkeiten<br />

deshalb von der Zusammensetzung des<br />

Teams abhängig. Das gegenseitige Verständnis ist normalerweise<br />

größer, wenn sich das Team schon lange kennt, als wenn ein neues<br />

Mitglied mit Betreuungsaufgaben Rücksichtnahme einfordert.<br />

Hieraus können sich unter Umständen Konfl ikte ergeben, die die<br />

Position im Team schwächen.<br />

Wer also am längsten im Team ist, hat oft die meisten Rechte und<br />

in der Regel gilt, dass jüngere Beschäftigte weniger Spielräume<br />

haben, ihre Vereinbarkeitssituation zu verbessern. In der Praxis<br />

ergeben sich daraus sehr unterschiedliche Bedingungen in den<br />

Abteilungen. Es gibt Teams in denen fast alles möglich ist – von<br />

früher gehen bis zu Wunschdienstplänen – und es gibt Teams, in<br />

denen wenig Spielräume zur Verfügung stehen.<br />

Voraussetzung für die Realisierung der Arbeitszeitwünsche ist,<br />

dass sie in die betrieblichen Abläufe passen. Für die Krankenhausleitung<br />

steht im Vordergrund, dass bei Arbeitszeitfragen die<br />

Patientenversorgung vorgeht. Hinzu kommt, dass im Krankenhaus<br />

die klassischen hierarchischen Strukturen vorherrschen (Schichtleitung,<br />

Stationsleitung, Bereichsleitung, Pfl egedirektion). So kann<br />

es in bestimmten Abteilungen vorkommen, dass sich die Dienstpläne<br />

stark an den ökonomischen Interessen orientieren. Setzen<br />

sich diese Leitungen zu oft durch, besteht die Gefahr, dass das<br />

Team auseinandergesprengt wird, woran die Leitung kein Interesse<br />

haben kann. Hat sich das Verhältnis zwischen Team und Leitung<br />

eingespielt, kann die Hierarchie auch ein Vorteil sein, da die Teams<br />

relativ autonom handeln können, solange es gut läuft und keine<br />

Anweisungen von oben kommen.<br />

In der Praxis stellt sich ein abteilungsspezifi sches Geben und<br />

Nehmen ein, bei dem das Team einige Entscheidungsspielräume<br />

hat und individuelle Flexibilität ermöglicht, wenn im Gegenzug<br />

bei personellen Engpässen die Beschäftigten einspringen. In<br />

diesem Spannungsverhältnis kann es immer wieder zu Ungerechtigkeiten<br />

kommen, wenn von der Leitung Erwartungshaltungen<br />

an die Beschäftigten bestehen, die kaum zu erfüllen sind oder<br />

die Hilfsbereitschaft der Beschäftigten ausgenutzt wird. Dann ist<br />

der Betriebsrat gefragt, der Leitung Grenzen zu setzen und die<br />

Interessen der Beschäftigten zu stärken. Aber auch in Phasen<br />

des Pfl egenotstandes war es wichtig, den Arbeitgeber damit zu<br />

konfrontieren, dass durch die Arbeitszeitbedingungen Pfl egebeschäftigte<br />

zur Konkurrenz der ambulanten Pfl ege abgewandert<br />

sind.<br />

Umsetzungsprozess<br />

Die Veränderungen der Arbeitszeiten haben sich in einem längeren<br />

Umbruchprozess entwickelt. Dabei sind in den letzten Jahren auch<br />

die betrieblichen Strukturen mit gewachsen. Ausgangspunkt waren<br />

Arbeitszeiten mit einer 6-Tage-Woche und Arbeitsblöcken von zwölf<br />

Tagen Arbeit hintereinander und anschließenden zwei freien Tagen.<br />

Das Aufbrechen dieser Strukturen und die Etablierung einer 5-Tage-<br />

Woche hat relativ viel Zeit in Anspruch genommen. Dieser Prozess<br />

ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Eine Strategie, um das Ziel<br />

einer menschengerechten Schichtplangestaltung zu erreichen, war<br />

es, den Anteil der Teilzeitbeschäftigten zu erhöhen. Damit wurde<br />

ein Kulturwandel eingeleitet, der einerseits die alten Zeitmuster<br />

ablöste und andererseits das Selbstbewusstsein der Beschäftigten<br />

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