Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH
Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH
Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
13. Widerstände bei der Umsetzung<br />
Vorbehalte und Widerstände gegen die Einführung neuer Schichtpläne<br />
kommen einerseits von den Beschäftigten selbst, andererseits<br />
aus Teilen des Managements z. B. von Schichtführern/innen<br />
oder Meistern/innen. Die Bedenken der Belegschaft gründen sich<br />
im Wesentlichen darauf, dass die komplizierten Anpassungen<br />
an die aktuellen Schichtrhythmen in der Vergangenheit große<br />
Anstrengungen gekostet haben und im Verlauf der Jahre ein<br />
Zeitarrange ment zustande gekommen ist, mit dem die Schichtbeschäftigten<br />
einigermaßen gut leben können (siehe Kapitel 3<br />
Soziale Aspekte). Dieses Arrangement wieder in Frage zu stellen,<br />
bedeutet auch, den schwierigen Prozess der Neugestaltung<br />
wiederum zu beginnen. Um die Beschäftigten von den Verbesserungen<br />
eines neuen Schichtmodells zu überzeugen, sind deshalb<br />
umfangreiche und intensive Gespräche und Informationsveranstaltungen<br />
notwendig. Durch gute Beispiele und Argumentationen<br />
lässt sich Überzeugungsarbeit leisten. Dennoch wird man nicht<br />
alle Bedenken zerstreuen können, da entweder unterschiedliche<br />
Interessen bestehen bleiben oder die eigenen positiven Praxiserfahrungen<br />
erst noch gemacht werden müssen.<br />
Von Seiten der Interessenvertretung wird häufi g argumentiert, dass<br />
ein neues Arbeitszeitmodell eine neue Betriebsvereinbarung erforderlich<br />
macht, die aber aufgrund von veränderten Machtkonstellationen<br />
in der aktuellen Situation nur mit größeren Abstrichen zu<br />
realisieren sei. Dies spräche eher für eine Strategie der behutsamen<br />
Veränderung bestehender Arbeitsmodelle.<br />
Die Gegenargumente der Vorgesetzten beziehen sich zum einen auf<br />
organisatorische und betriebswirtschaftliche Bedenken und zum<br />
anderen auf das fehlende Vertrauen in die Belegschaften.<br />
Um den organisatorischen Befürchtungen zu begegnen, können<br />
auch hier positive Beispiele sinnvoll sein. Gleichwohl ist die<br />
Angst vor Veränderungen nicht völlig aus der Luft gegriffen.<br />
Neue Schichtmodelle sind oft mit neuen Anforderungen an die<br />
Organisation verbunden, die sich aber auch positiv auswirken<br />
können. Veränderungen in der Arbeitsorganisation bringen die<br />
Schichtplaner in Schwung und wecken ein neues Flexibilitätspotenzial.<br />
Die Schichtbesetzung wird dynamisiert wenn z. B. Teilzeit<br />
in Schichten eingeführt wird oder eine laufende Steuerung der<br />
Personaleinsatzplanung erforderlich wird. Neue Wirtschaftlichkeitsreserven<br />
können über neue Steuerungsformen (z. B. Abwesenheitssteuerung)<br />
erschlossen werden, die in anderen Bereichen schon<br />
länger etabliert sind. Gleichzeitig kann die höhere Flexibilität auch<br />
den Unternehmensinteressen zugute kommen. Das Beispiel der<br />
Heidelberger Druckmaschinen zeigt, wie beide Seiten von fl exiblen<br />
Arbeitszeiten profi tieren können (siehe Kapitel 9 Individuelle<br />
Zeitoptionen).<br />
Was das Vertrauen des Managements in die Belegschaft betrifft,<br />
ist vor allem ein Wandel der Unternehmenskultur anzustreben. Die<br />
aktive Unterstützung der Unternehmensführung in Sachen familienbewusster<br />
Arbeitszeiten ist ein wichtiger Garant dafür, dass die<br />
Vereinbarkeit von <strong>Familie</strong> und <strong>Beruf</strong> in <strong>Schichtarbeit</strong> gelingen kann.<br />
Oftmals ist dies erst möglich, wenn die Unternehmensführung<br />
einen Kulturwandel einleitet und strategisch unterstützt (z. B. in<br />
Ziel vereinbarungen und Bewertungen der Führungskräfte). Studien<br />
zum Arbeitsfähigkeitsindex (ABI) zeigen, dass ein solcher Kulturwandel<br />
in Schichtbetrieben vor allem über den Dreiklang von betrieblicher<br />
Gesundheitsförderung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />
und guter Führung zu erreichen ist (vgl. Weiß 2011). Erfahrungen<br />
in verschiedenen Betrieben und Verwaltungen belegen immer<br />
wieder, wie entscheidend der Wille zur Umsetzung ist. Dafür sind<br />
verschiedene Machtpromotoren aus dem Management, der Interessenvertretung,<br />
den Akteuren der betrieblichen Gesundheitsförderung<br />
und den Beschäftigten selbst wichtig.<br />
Oft muss auch das Betriebsrats-/Personalratsgremium selbst<br />
überzeugt werden, dass Vereinbarkeitsthemen wichtig sind. Die<br />
Bedeutsamkeit, Gestaltbarkeit und Politikfähigkeit dieses strategischen<br />
und querschnittsorientierten Themas wird von vielen<br />
Interessenvertretern selten erkannt. Dabei handelt es sich um ein<br />
Themenfeld, das große Schnittmengen mit dem Arbeitgeber bietet<br />
und deshalb weniger konfl iktträchtig ist als andere Themen. Es<br />
zeigt sich, dass <strong>Familie</strong>nfreundlichkeit ein Zukunftsthema ist, das<br />
mit vielen anderen Handlungsfeldern verbunden ist: Arbeitszeit,<br />
Gesundheitsförderung, Personalentwicklung, Arbeitsgestaltung,<br />
Entgeltpolitik und Geschlechtergerechtigkeit. Diese Verbindungen<br />
lassen sich für die Beschäftigten nutzen. Betriebs- und Personal räte<br />
können hier punkten und ihre vielfältigen Kompetenzen<br />
verknüpfen, um auf eine familienfreundliche Betriebskultur hinzuwirken.<br />
Bei der Sensibilisierung zum Thema Vereinbarkeit innerhalb<br />
der Betriebe und Verwaltungen können sie als Impulsgeber und<br />
Motor wichtige Veränderungen auf den Weg bringen und sich als<br />
aktiver Gestalter profi lieren.<br />
47