Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH
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auftreten, können sich die betrieblichen Abläufe kurzfristig<br />
verändern. Das Excelsior Hotel Berlin wird von den Grand City<br />
Hotels & Resorts verwaltet, aber auf der Ebene der Arbeitsorganisation<br />
eigenständig gestaltet.<br />
<strong>Familie</strong>nfreundliche Maßnahmen<br />
<strong><strong>Familie</strong>nbewusste</strong> Regelungen im Hotel sind einerseits die verlässlichen<br />
und geregelten Arbeitszeiten mit nur wenigen Überstunden<br />
und andererseits individuelle Möglichkeiten, die eigene Work-Life-<br />
Balance herzustellen.<br />
In einer Betriebsvereinbarung ist festgeschrieben, dass bei der<br />
Dienstplangestaltung der Arbeitgeber auf die <strong>Familie</strong>npfl ichten der<br />
Beschäftigten Rücksicht zu nehmen hat. Wenn z. B. die Kinder am<br />
Wochenende nicht betreut werden können, wird in Absprache mit<br />
dem Vorgesetzten nach alternativen Lösungen gesucht. Aufgrund<br />
des relativ hohen Durchschnittsalters der Beschäftigten im Hotel<br />
hat auch das Thema Vereinbarkeit von Pfl ege und <strong>Beruf</strong> an<br />
Bedeutung gewonnen. Viele ältere Beschäftigte haben Pfl egeaufgaben<br />
übernommen, die sich schlecht mit den betrieblichen<br />
Zeit anforderungen vereinbaren lassen. Hier besteht die Möglichkeit<br />
zur kurzfristigen unbezahlten Freistellung.<br />
Auch das Thema Gesundheit steht seit einiger Zeit auf der betrieblichen<br />
Agenda. Alle vier Wochen ist der Betriebsarzt vor Ort,<br />
kontrolliert und berät die Beschäftigten vor allem in Bezug auf die<br />
Arbeitssicherheit und gesundheitliche Belastungen.<br />
Schichtsystem<br />
Früher war es üblich die Beschäftigten unabhängig von der Qualifi<br />
zierung in Vertretungsfällen relativ willkürlich überall im Haus<br />
einzusetzen. In den Arbeitsverträgen ist jetzt sichergestellt, dass<br />
die Dienstpläne nur noch qualifi kationsgerecht besetzt werden.<br />
Dennoch existieren keine festen Arbeitsgruppen, die Beschäftigten<br />
werden variabel eingesetzt. Bestimmte Aufgabenbereiche<br />
sind auf bestimmte Zeiten festgelegt. Das Housekeeping-Team<br />
arbeitet größtenteils in der Frühschicht; lediglich zwei Beschäftigte<br />
werden hier im Spätdienst eingesetzt. Beschäftigte im<br />
Service- und Küchenbereich arbeiten dagegen je nach Geschäft<br />
im Früh- und Spätdienst. Über Qualifi zierungsmaßnahmen besteht<br />
die Möglichkeit, auch in anderen Bereichen zu arbeiten. Aber eine<br />
Frühstücksserviererin wird nach dem für sie geltenden Arbeitsvertrag<br />
nur in der Frühschicht eingesetzt. Spezielle Schichten wie<br />
etwa Arbeit nur am Wochenende werden nicht mehr angeboten.<br />
Damit soll ein zeitlicher Wildwuchs verhindert und möglichst<br />
gerechte Zeitverteilungen für alle Beschäftigten ermöglicht werden,<br />
ohne auf individuelle Freiräume zu verzichten.<br />
Die Planung erfolgt in zwei Schichten von Montag bis Sonntag mit<br />
Früh- und Spätdienst mit roulierenden Schichten an fünf Tagen in<br />
der Woche und anschließenden zwei Tagen frei, wobei die freien<br />
Tage über die Woche rollen. In der Regel wird der Dienst wochenweise<br />
gewechselt. Darüber hinaus gibt es noch eine spezielle<br />
Mittelschicht. Die Dienstpläne sind so gestaltet, dass mindestens<br />
zwei freie Wochenenden pro Monat zur Verfügung stehen.<br />
Besonders viel Wert legt der Betriebsratsvorsitzende Ingolf Noske<br />
auf festgelegte, verlässliche Arbeitszeiten. In einer Betriebsvereinbarung<br />
„Dienstplan“ ist beschlossen, dass die Dienstpläne 14 Tage<br />
vor dem ausgeschriebenen Dienst aushängen müssen. Hiervon wird<br />
nur in Ausnahmefällen abgewichen, wenn unvorhergesehene Dinge<br />
passieren. Es wird versucht, <strong>Familie</strong>ninteressen in den Dienstplan<br />
zu integrieren: So wird z. B. darauf geachtet, dass alleinerziehende<br />
Mütter und Väter keine Spätdienste übernehmen.<br />
Die Dienstpläne werden von den Vorgesetzten erarbeitet und vom<br />
Betriebsrat drei Wochen im Voraus kontrolliert und genehmigt.<br />
Entsprechen die Dienstpläne nicht den vereinbarten Regelungen,<br />
werden sie unter Angabe der sachlichen Gründe abgelehnt.<br />
Gleiches gilt für kurzfristige Änderungen der Dienstpläne. Diese<br />
strikte Kontrolle der Arbeitszeiten garantiert in hohem Maße die<br />
Planbarkeit für die Beschäftigten.<br />
Gleitzeiten oder Übergabezeiten existieren im Hotel nicht. Aber<br />
auf einem Zeitkonto, das im Haustarifvertrag festgelegt ist, können<br />
zehn Plusstunden bzw. fünf Minusstunden angesammelt werden.<br />
Überstunden werden mit 33,5 % vergütet und müssen innerhalb<br />
eines halben Jahres ausgeglichen werden. Das kann wahlweise<br />
in Freizeit- oder Geldausgleich erfolgen. Dadurch hat auch der<br />
Arbeitgeber ein großes Interesse an der Einhaltung der normalen<br />
Arbeitszeiten. Die geringen Kontogrenzen haben dazu geführt,<br />
dass Überstunden erfolgreich eingedämmt wurden. Darüber hinaus<br />
werden die wöchentliche Obergrenze von 48 Stunden und tägliche<br />
10-Stunden-Grenze nicht überschritten.<br />
Auch wenn es nach Einschätzung des Betriebsrates an vielen<br />
Stellen Verbesserungsbedarf gibt, ist er mit der betrieblichen<br />
Zeitgestaltung zufrieden. Die gute Planbarkeit durch feste Dienstpläne<br />
in Kombination mit der Realisierung individueller Variationsmöglichkeiten<br />
hilft die Vereinbarkeitssituation der Beschäftigten zu<br />
verbessern. Auch die Vermeidung von Überstunden ist ein wesentlicher<br />
Faktor, um die betrieblichen Anforderungen zurückzudrängen.<br />
Einführungsprozess<br />
Das ursprüngliche Arbeitszeitmodell war dadurch gekennzeichnet,<br />
dass die hohe Flexibilität in erster Linie den betrieblichen Erfordernissen<br />
diente. Arbeitszeiten waren kaum verlässlich und Mehrarbeit,<br />
wie in der Hotelbranche allgemein üblich, gang und gäbe.<br />
Auch den Rechten der Auszubildenden wurde wenig Beachtung<br />
geschenkt. Nach dem Motto „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“<br />
wurden dem Nachwuchs viele Belastungen zugemutet, ohne einen<br />
entsprechenden Ausgleich dafür anzubieten.<br />
Die erfolgreichen familienfreundlichen Maßnahmen sind vor allem<br />
das Ergebnis eines längeren Prozesses, in dem zunächst einmal<br />
die Rechte der Interessenvertretung durchgesetzt werden mussten<br />
und der Arbeitgeber den Betriebsrat als gleichwertigen Verhandlungspartner<br />
anerkannt hat. In einem 6-jährigen Prozess mit vielen<br />
harten Auseinandersetzungen wie Einigungsstellen und Arbeitsgerichtsverfahren<br />
konnte der Betriebsrat einen Status erkämpfen,<br />
bei dem die Interessenvertretung vom Arbeitgeber ernst genommen<br />
wird und die Interessen der Beschäftigten auch durchgesetzt<br />
werden. Die klare und kompromisslose Linie des Gremiums und das<br />
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