Regionale Siedlungshierarchien und interregionaler Austausch
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369ff.) angenommen. Dieses Modell kann aber nicht auf das Tal von Oaxaca extrapoliert<br />
werden, da Bevölkerungsdruck dort kein Stressfaktor gewesen ist <strong>und</strong> sich dort<br />
siedlungsarchäologische <strong>und</strong> soziopolitische Hierarchisierung dennoch entwickelt hat. Einen<br />
unterrepräsentierten Anteil in der theoretischen Literatur zu diesem Komplex nimmt der<br />
<strong>Austausch</strong> oder Handel als Motor der politischen Zentralisierung ein <strong>und</strong> ist deshalb<br />
Schwerpunkt des folgenden zweiten Hauptteils. 180<br />
6. INTERREGIONALER AUSTAUSCH IM MITTLEREN<br />
FORMATIVUM<br />
6.1 Ziele <strong>und</strong> Methodik<br />
Die folgenden Kapitel (6.2 <strong>und</strong> 6.3) verfolgen zwei gr<strong>und</strong>legende Ziele. Zum einen wird der<br />
<strong>Austausch</strong> als ein kulturelles Subsystem, neben anderen wie dem technologischen, sozialen,<br />
symbolischen oder subsistenzökonomischen Subsystemen (Renfrew 1975: 36), die in<br />
gegenseitiger Interdependenz stehen, als ein wesentlicher Bestandteil <strong>und</strong> treibende Kraft<br />
innerhalb des Prozesses der politischen Zentralisierung auf einer bestimmten Stufe der<br />
soziopolitischen Entwicklung, nämlich des Häuptlingstums, betrachtet. In diesem<br />
Zusammenhang wird hier der Begriff „<strong>Austausch</strong>“ (exchange) gegenüber dem Konzept des<br />
„Handels“ (trade) vorgezogen <strong>und</strong> in seinen weitesten Implikationen, wie es Marshall Sahlins<br />
in seinem Artikel „On the Sociology of Primitive Exchange“ (1965) als eine Transaktion von<br />
Gütern, Ideen <strong>und</strong> Symbolen eingebettet in einen soziokulturellen Kontext betrachtet,<br />
verwendet. Damit wird ein substantivistisch-funktionalistischer Ansatz postuliert, der den<br />
<strong>Austausch</strong> in seiner emischen Bedeutung integriert, als einen soziokulturellen Akt mit<br />
funktionaler Intention ansieht. 181 Dagegen trägt der Begriff „Handel“ eine marktwirtschaftlich<br />
orientierte Konnotation, die aus der Sicht Polanyis (1968[1957]: 156) in einen staatlichen<br />
Rahmen oder in westliche industrialisierte Gesellschaften eingeordnet wird. 182 Die in dieser<br />
Arbeit behandelten Gesellschaften befinden sich auf einer nicht-staatlichen Ebene. Ebenso<br />
wenig konnten Märkte, sowohl als loci des <strong>Austausch</strong>es (ibd. 169), als auch in Form des<br />
180 Beispiele für diesen Ansatz bilden die Arbeiten von Helms (1991); Drennan (1991: 279-281); Earle (1997:<br />
198f.); (Hirth 1992); Coe <strong>und</strong> Diehl 1980a: 390f. ; Rathje (1971: passim; Fig. 1, 2); Freidel 1978: 253ff., Smith<br />
1976 <strong>und</strong> diverse Beiträge in Hirth 1984b.<br />
181 Von formalistischer Seite kann an diesem Vorgehen der Einwand erhoben werden, dass vor allem im<br />
Zusammenhang mit einem Prestigegüteraustausch, die einzelnen Akteure den Prinzipien neoklassischer<br />
Ökonomie folgen, indem sie eine Maximierung ihres eigenen Ansehens forcieren <strong>und</strong> damit die eigenen<br />
Bedürfnisse mit den knapp zur Verfügung stehenden Ressourcen zu befriedigen trachten. Eine strikte Trennung<br />
beider Paradigmata ist nicht beabsichtigt.<br />
182 Handel ist jedoch auch eine Form des <strong>Austausch</strong>es, auch wenn der soziale Kontext vor allem in westlichindustrialisierten<br />
Gesellschaften weitestgehend abhanden, jedoch nicht gänzlich verloren gegangen ist, wie<br />
Polanyi (1966: xvii, zit. n. Rössler 1999: 88) konstatiert.<br />
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