Ausgabe 08/2004 - qs- nrw
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Kammerinformationen<br />
Nach dem 107. Deutschen Ärztetag in Bremen:<br />
Quo vadis, Berufsordnung?<br />
„Ärztetag liberalisiert Berufsordnung“,<br />
„Niedergelassene rüsten sich gegen MVZ“,<br />
„neue Kooperationsmöglichkeiten für Ärzte“,<br />
„überörtliche Gemeinschaften als Konkurrenz<br />
zum MVZ“, „Du-darfst-Berufsordnung“.<br />
So klingen die Überschriften der Berichterstattung<br />
über die Novellierung der Berufsordnung<br />
auf dem 107. Deutschen Ärztetag.<br />
Bereits auf dem 105. Deutschen Ärztetag<br />
wurde die Berufsordnung „liberalisiert“: Das<br />
Werbeverbot wurde gelockert, die Berufsordnung<br />
von alten Hüten befreit. Ist eine Berufsordnung,<br />
die sich ständig ändert, noch ernst<br />
zu nehmen?<br />
Dr. Renate<br />
Schuster<br />
Foto: Kühne<br />
Ja, denn die Berufsordnung gestaltet den berufsrechtlichen<br />
Rahmen für die ärztliche Tätigkeit,<br />
die der Gesetzgeber durch seine politischen<br />
Vorgaben bestimmt. Mit der<br />
gesetzlichen Verankerung der medizinischen<br />
Versorgungszentren (MVZ) bestand auf Seiten<br />
der ärztlichen Selbstverwaltung akuter<br />
Handlungsbedarf. Um im Wettbewerb mit<br />
kommerziellen nichtmedizinischen Anbietern<br />
zu bestehen, wurden neue Kooperationsmöglichkeiten<br />
für Ärzte geschaffen. Bisher durfte<br />
jeder Arzt nur einer Berufsausübungsgemeinschaft<br />
angehören. Nach der auf dem107.<br />
Deutschen Ärztetag angenommenen Novellierung<br />
der Berufsordnung dürfen künftig niedergelassene<br />
Ärzte an mehreren Praxissitzen<br />
tätig werden und überörtliche Gemeinschaftspraxen<br />
bilden. Sie dürfen Fachfremde<br />
anstellen und so ihr Leistungsspektrum erweitern.<br />
Sie dürfen Ärztegesellschaften, z. B. in<br />
Form einer GmbH, betreiben. Dazu sind allerdings<br />
noch gesetzliche Änderungen im<br />
Heilberufsgesetz nötig. Im SGB V, bei der<br />
Ärztezulassungsverordnung und der GOÄ<br />
bedarf es der Anpassung. Auch die Möglichkeiten<br />
zur Anstellung von Ärzten wurden ausgeweitet.<br />
Voraussetzung ist, dass der niedergelassene<br />
Arzt seine Praxis persönlich ausübt und leitet<br />
und dem angestellten Praxisarzt eine angemessene<br />
Vergütung sowie angemessene Zeit<br />
für Fortbildung gewährt.<br />
Der Status des angestellten Arztes in der ambulanten<br />
ärztlichen Berufsausübung ruft den<br />
Marburger Bund auf den Plan. Die Tarifverhandlungen<br />
dürfen sich nicht nur auf die angestellten<br />
Ärzte im Krankenhaus beschränken,<br />
die Belange der angestellten Ärztinnen<br />
und Ärzte in MVZ und Arztpraxen sind jetzt<br />
mit zu berücksichtigen.<br />
Ungewünschte Kartellbildungen in der ärztlichen<br />
Versorgung gilt es zu verhindern, auf<br />
das kollegiale Miteinander muss auch in Zukunft<br />
hingewirkt werden. Der ärztliche Nachwuchs<br />
darf in seinen beruflichen Chancen<br />
nicht durch die wirtschaftliche Macht bereits<br />
etablierter Praxen, Berufsausübungsgemeinschaften<br />
und Verbünde beraubt werden.<br />
Ist die bisherige Berufsordnung durch die Regelungen<br />
ihres Charakters beraubt worden?<br />
Nein. Professor Dr. Ingo Flenker wies in seinem<br />
Grundsatzreferat auf dem 107. Deutschen<br />
Ärztetag darauf hin, dass der Arzt, der<br />
an mehreren Stellen ärztlich tätig ist, dafür<br />
Sorge zu tragen hat, dass seine Patienten an<br />
allen Orten ordnungsgemäß versorgt werden.<br />
Auch bei kooperativer Leistungserbringung<br />
ist der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung<br />
zu beachten. Bei allen<br />
Formen der ärztlichen Kooperation soll die<br />
freie Arztwahl des Patienten gewährleistet<br />
bleiben.<br />
Die Regeln zur Berufsausübung, wie sie in der<br />
Berufsordnung formuliert sind, haben nach<br />
wie vor Gültigkeit. Wie die Ärzte die Regeln<br />
einhalten und nicht wo sie sie einhalten, daran<br />
werden sie auch zukünftig von ihren Patienten<br />
beurteilt. Dr. Renate Schuster<br />
Hilfsangebot für Kammerangehörige mit einem<br />
Suchtmittelproblem<br />
Vorstand der Landesärztekammer Brandenburg beschloss ein Interventionsprogramm<br />
Hintergrund<br />
Wie bei jedem anderen Berufsstand treten<br />
auch unter Medizinern Suchterkrankungen<br />
auf. Studien zufolge besteht für Ärzte sogar<br />
eine höhere Suchtgefährdung als in vergleichbaren<br />
akademischen Berufen. Droge<br />
Nummer eins ist dabei der Alkohol.<br />
Den besonderen Risikostatus für Ärztinnen<br />
und Ärzte begründen unter anderem die<br />
relativ leichte Zugriffsmöglichkeit zu psychotropen<br />
Substanzen, die besondere Vertrautheit<br />
mit diesen Substanzen und der<br />
berufliche Stress bei ungünstigen Arbeitszeiten<br />
mit erhöhtem Verantwortungsdruck.<br />
Der Zugang zu professionellen Hilfsangeboten<br />
ist bei Ärzten allerdings häufig schwieriger,<br />
als er sowieso schon bei anderen Personen<br />
mit Suchtmittelproblemen ist. Abhängigkeit<br />
bei Angehörigen der „helfenden Berufe“<br />
wird oft tabuisiert. Betroffenen Ärzten fällt es<br />
schwer, sich von der Therapeuten- in die Patientenrolle<br />
zu begeben. Dennoch wird allgemein<br />
die Erfolgsquote bei der Behandlung der<br />
Suchterkrankung von Ärzten als relativ hoch<br />
angesehen. Das bei betroffenen Ärzten in der<br />
Regel intakt gebliebene soziale Stützsystem,<br />
ihr medizinisch-therapeutisches Wissen, ihr<br />
hohes Maß an Durchhaltefähigkeit und<br />
Selbstkontrolle sowie die existenzbedrohenden<br />
Folgen bei Fortbestehen der Suchtmittelproblematik<br />
stellen günstige Prognosen für die<br />
Überwindung des Problems dar.<br />
Hilfsprogramm der Landesärztekammer<br />
Vor diesem Hintergrund hat die Koordinierungsgruppe<br />
gegen Suchtgefahren der Landesärztekammer<br />
Brandenburg ein Interventionsprogramm<br />
für Kammerangehörige mit<br />
einem Suchtmittelproblem erarbeitet. Bei der<br />
konkreten Ausgestaltung wurde auf die<br />
langjährigen und überwiegend positiven Erfahrungen<br />
der Ärztekammer Hamburg mit<br />
einem entsprechenden Programm zurückgegriffen.<br />
Erfahrungen aus ähnlichen Berufsfeldern<br />
(v. a. Führungskräfte, Piloten und Polizeibeamte),<br />
deren Tätigkeit ein besonders hohes<br />
Ausmaß an Verantwortung erfordert, sind<br />
hierbei eingeflossen.<br />
244 Brandenburgisches Ärzteblatt 8/<strong>2004</strong> • 14. Jahrgang