15.02.2014 Aufrufe

Ausgabe 08/2004 - qs- nrw

Ausgabe 08/2004 - qs- nrw

Ausgabe 08/2004 - qs- nrw

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Fortbildung<br />

Thorakoskopische Therapie der Hyperhidrosis<br />

Hintergrund<br />

Die Hyperhidrosis ist eine durch Übererregbarkeit<br />

des sympathischen Nervensystems bedingte<br />

generalisierte, oft aber auf die oberen<br />

Extremitäten und den Kopf beschränkte Dysfunktion<br />

der ekkrinen Schweißdrüsen. (Hyperhidrosis<br />

axillaris und facialis bzw. manum<br />

und pedis). Neben den symptomatischen Formen<br />

bei Hyperthyreose, Phäochromozytom,<br />

Parkinsonismus, Einnahme von Parasympathikomimetika,<br />

Menopause und anderen somatisch<br />

begründbaren Ursachen etwa im<br />

Rahmen eines Raynaud-Syndroms hat epidemiologisch<br />

vor allem die genuin-konstitionelle<br />

bzw. primäre Form klinische Bedeutung. Die<br />

primäre Hyperhidrosis ist mit einer Gesamtinzidenz<br />

von ca. 1% in westlichen Populationen<br />

ein durchaus verbreitetes „Volksleiden“ (1) . Sie<br />

zeigt mit unterschiedlichen Schweregraden<br />

ein frühzeitiges Einsetzen (meist in der Kindheit<br />

oder Adoleszenz) in der Regel mit lebenslanger<br />

Persistenz und dürfte auf eine<br />

emotional-konstitutionell veränderte Verarbeitung<br />

psychischer Belastungen (Angst-, Spannung-,<br />

Stress- und Schmerz) zurückzuführen<br />

sein. Eine gewisse familiäre Disposition<br />

scheint eine Rolle zu spielen (1) . Meist tritt die<br />

Funktionsstörung beidseits auf und führt bei<br />

den jugendlichen Patienten mit vorzugsweisem<br />

Befall der Palmarflächen („Schweißhändchen“)<br />

und der Axilla sowie fakultativ einem<br />

fazialen „Blushing“-Syndrom zu einer erheblichen<br />

psychischen Belastung und sozialem<br />

Stress. Dem seltenen einseitigen Auftreten<br />

liegt in der Regel hingegen eine periphere somatische<br />

Ursache zugrunde. Die internistische<br />

Therapie, aber auch alternative und psychotherapeutische<br />

Interventionen sind bei der genuinen<br />

Form meist undankbar, langwierig<br />

und ohne anhaltenden Erfolg. Viele Patienten<br />

haben ein „Odyssee“ verschiedenster ineffizienter<br />

Therapieverfahren mit oft sekundär<br />

noch verstärkter emotionaler Verunsicherung<br />

hinter sich.<br />

Hier setzen chirurgisch-interventionelle Lösungsversuche<br />

in Form der thorakoskopischen<br />

Sympathektomie an, wie sie in Deutschland in<br />

den 1960iger Jahren durch Kux und Wittmoser<br />

ausführlich beschrieben und in der Folgezeit<br />

mit großem und anhaltendem Erfolg<br />

durchgeführt wurden (2) .<br />

Anatomische Voraussetzungen<br />

Grundlage der chirurgischen Therapie ist die<br />

hervorragende thorakoskopische Darstellbarkeit<br />

und Zugänglichkeit des Grenzstrangs in<br />

den paravertebralen Abschnitten der pleura<br />

mediastinalis (vergl. Abb.). Für die ekkrine Innervation<br />

der oberen Extremität sind bezüglich<br />

der Hand die Ganglien 2-5, für die Axilla<br />

das Ganglion 3 verantwortlich. Als Orientierungshilfe<br />

bzw. Leitstrukturen für das Auffinden<br />

der entsprechenden Ganglien dient einerseits<br />

die Identifikation des zuzuordenden<br />

2.-5. Rippenverlaufs und nach kaudal die<br />

vena azygos. Bei schlechten Sichtverhältnissen<br />

durch vermehrten subpleuralen Fettgehalt<br />

können sie auch instrumentell-palpatorisch<br />

dargestellt werden (3) .<br />

Abb.: Thorakoskopischer Situs bei der Sympathektomie<br />

– Rechter Hemithorax: grau eingezeichnet<br />

der n. phrenicus, der truncus sympathicus und<br />

schwarz markiert das Verödungsareal in Höhe<br />

Th2-4<br />

Indikation und Durchführung<br />

Die thorakoskopische Sympathektomie ist das<br />

klassische Beispiel eines minimal-invasiven<br />

chirurgischen Eingriffs und wurde in diversen<br />

Arbeitsgruppen in großer Fallzahl und mit<br />

nahezu 100%igem sowie ganz überwiegend<br />

dauerhaftem Erfolg durchgeführt (Kux 1969,<br />

Wepf 1979, Wittmoser 1984, Boutin 1984,<br />

Lindsay 1986, Toomes 1987, Inderbitzi<br />

1992, Zacherl 1998, Lin 1999). Die Indikation<br />

ergibt sich selektiv bei der Hyperhidrosis<br />

der Axilla und der oberen Extremitäten, wobei<br />

sich allerdings eine plantare Hyperhidrosis<br />

nach Beseitigung der palmaren Symptome<br />

durchaus bessern kann. Eine Hyperhidrosis<br />

des Stamms oder des gesamten Körpers stellt<br />

keine Indikation dar (4) . Der VATS-Eingriff erfolgt<br />

in thorakoskopischer Seitlagerung, Doppellumenintubation<br />

und Vollnarkose über<br />

3 Standardtrokarzugänge (5) . Modifikationen<br />

der anästhesiologischen Technik bis hin zur<br />

Neuroleptanalgesie bei ambulanter Durchführung<br />

sind jedoch möglich (6) . Die Ausschaltung<br />

der postganglionären Faserbündel umfasst<br />

die Segmente Th2 bis Th4. Keinesfalls<br />

wird oberhalb der 2. Rippe koaguliert, um<br />

das Ganglion stellatum nicht zu erfassen, und<br />

damit nicht ein Horner-Syndrom zu induzieren.<br />

Die eigentliche Koagulation kann sich<br />

nach Inzision der Pleura und Darstellung des<br />

Grenzstrangs fokal auf die Zielganglien beschränken<br />

oder mehr flächig das pleurale<br />

Areal im Bereich des 2.-4. Ganglions umfassen.<br />

Für die Durchführung bietet sich wahrscheinlich<br />

prospektiv ähnlich wie bei der Pleurodese<br />

die photothermische Präparation mit<br />

dem modernen Neodym-YAG-Laser im bare<br />

fiber-Modus an. Die bisherige Expertise bezieht<br />

sich auf mechanische Präparation und<br />

die Elektrokoagulation. Die Operationsdauer<br />

beträgt im Regelfall kaum 30 Minuten. Bereits<br />

unmittelbar postoperativ ist typischerweise<br />

der Behandlungserfolg durch eine warme,<br />

trockene und hyperämisierte Hand buchstäblich<br />

„fassbar“. Nach mehrtägigem Verlauf<br />

und Entfernung der Drainage kann ggfs. der<br />

Eingriff auf der Gegenseite angeschlossen<br />

werden.<br />

Ergebnisse, Sicherheit und Komplikationen<br />

Die Erfolgsrate, gemessen als („patient-selfreported“)<br />

Beseitigung bzw. signifikante Besserung<br />

der Hyperhidrosis, beträgt in den meisten<br />

Serien über 90% (93 bis 100%, median<br />

97,5%) (so insbesondere Kux bei einer Fallzahl<br />

von 102 Patienten) (2-9). Oft fehlen allerdings<br />

über 10 Jahre hinausgehende Langzeitbeobachtungen.<br />

In einer der weltweit<br />

umfangreichsten Serien werden 1-Jahres-Rezidivraten<br />

von 0,6% im ersten Jahr bis 1,7%<br />

im dritten Jahr angegeben (7) . Einer anderen<br />

Quelle zufolge ist im 5-Jahres Follow-up mit<br />

5,4% Rückfällen zu rechnen (8) . Mögliche intraoperative<br />

Komplikationen wie Verletzung<br />

von Interkostalnerven oder -gefäßen lassen<br />

sich bei sorgfältiger Präparation vollständig<br />

vermeiden, im Langzeitverlauf betragen die<br />

Horner-Syndrom-Raten maximal 3,8% (9) . Die<br />

unabdingbaren thorakoskopischen Zugangsnarben<br />

fallen kosmetisch nicht ins<br />

Gewicht. Präoperativ sollten anderweitige<br />

somatische Ursachen einer Hyperhidrosis<br />

ausgeschlossen werden und sichergestellt<br />

sein, dass durch etwaige Vorerkrankungen<br />

keine Syndesmose des Pleuraspalts vorliegt.<br />

Literatur bei den Autoren:<br />

O. Schega, Klinik IV,<br />

Chirurgie/Thoraxchirurgie<br />

W. Frank, Klinik III, Pneumologie<br />

Johanniterkrankenhaus im Fläming<br />

Treuenbrietzen-Jüterbog<br />

Brandenburgisches Ärzteblatt 8/<strong>2004</strong> • 14. Jahrgang<br />

253

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!