Ausgabe 08/2004 - qs- nrw
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Gesundheitspolitik<br />
Brandenburg! Rückläufige Fallzahlen pädiatrischer<br />
Patienten werden auf diese Art und<br />
Weise aggraviert – Reduktionen oder gar<br />
Schließungen von Kinderabteilungen oder<br />
Kliniken scheinen logische Schlussfolgerungen<br />
zu sein. Da die UN-Kinderrechtskonvention<br />
jedoch nicht nur für Kinder mit bestimmten<br />
Krankheitsbildern gilt, sondern für alle<br />
Kinder im Krankenhaus, lautet die nachhaltige<br />
Forderung der Kinder und Jugendmediziner<br />
(diese Forderungen lassen nicht den Vorwurf<br />
zu, dass Kinder- und Jugendärzte<br />
idealistische Forderungen jenseits aller wirtschaftlichen<br />
Überlegungen durchsetzen wollten):<br />
1. kein Bettenabbau in Kinderkliniken, solange<br />
Kinder im selben Krankenhaus, jedoch<br />
in Erwachsenenabteilungen versorgt<br />
werden,<br />
2. Anerkennung eines Fehlbelegungsprinzips<br />
für Kinder, die an Krankenhäusern<br />
mit einer Kinderabteilung jedoch in Erwachsenenabteilungen<br />
behandelt werden<br />
und<br />
3. Schaffung von Abrechnungsgrundlagen<br />
(DRG) für die Versorgung von Kindern,<br />
die den spezifischen Krankenhausbehandlungen<br />
von Kindern folgen.<br />
Erste vorliegende Abrechnungsergebnisse unter<br />
DRG-Bedingungen scheinen die schon vor<br />
mehreren Jahren geäußerten Befürchtungen<br />
zu bestätigen, dass die stationäre pädiatrische<br />
Versorgung zu defizitären Erlösen führen<br />
wird. Kinder sind nun einmal bis zu einem<br />
gewissen Alter nicht in der Lage, sich selbst zu<br />
versorgen (Essen und Trinken, Be- und Entkleiden,<br />
Toilettengang etc.), sondern benötigen,<br />
um wieder gesund zu werden und sich entwickeln<br />
zu können, entsprechende Betreuung,<br />
Ansporn und Unterstützung. Eltern müssen integriert<br />
und beraten werden, Kinder mit chronischen<br />
Erkrankungen bedürfen altersentsprechender<br />
Schulungen. Nicht zuletzt gilt es,<br />
wichtige Sicherheitsaspekte zu beachten: Kinder<br />
brauchen permanente Überwachung, sie<br />
halten nicht einfach still und sie lassen diverse<br />
diagnostische bzw. therapeutische Prozeduren<br />
nicht ohne weiteres über sich ergehen.<br />
Um die Realitäten in der DRG-Abrechnung für<br />
die Fachabteilungen Kinderheilkunde abzubilden,<br />
sollten alle Chefärzte gemeinsam mit<br />
ihren Geschäftsführungen die Möglichkeiten<br />
prüfen, Erlös- und Verbrauchsdaten für die<br />
Weiterentwicklung des Abrechnungssystems<br />
dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus<br />
(InEK gGmbH) zur Verfügung zu stellen.<br />
Muss dann aber konstatiert werden, dass es<br />
sich bei der stationären Kinderheilkunde um<br />
ein kostenintensives Fach handelt, wird die<br />
Existenzfrage der Kinderheilkunde zu einer<br />
politischen und darf nicht allein aufgrund<br />
wirtschaftlicher Zwänge entschieden werden.<br />
Der Bundesverband Kinderkrankenpflege<br />
Deutschlands hat es auf den Punkt gebracht:<br />
Der Pflege- und medizinische Bedarf eines<br />
kranken Kindes richtet sich nicht nach vollen<br />
oder leeren Haushaltskassen, sondern ist einfach<br />
existent und muss geleistet werden. Wir<br />
halten dies für eine Selbstverständlichkeit –<br />
hören wir doch immer wieder von unseren Politikern,<br />
dass „Kinder unsere Zukunft sind“.<br />
Dieser Slogan ist leider oft nur ein Slogan und<br />
wird besonders häufig in Wahlkampfzeiten<br />
benutzt.<br />
Sollten sich also bestimmte Entwicklungstendenzen<br />
etablieren, wäre der Niedergang der<br />
klinischen Kinderheilkunde und Jugendmedizin<br />
in Deutschland nur noch eine Zeitfrage.<br />
Wenn jedoch außerdem bekannt ist, dass nur<br />
maximal 8 % aller Betten unseres Landes<br />
durch die Kinderheilkunde belegt werden und<br />
kranke Kinder bereits jetzt eine extrem kurze<br />
Liegezeit im Krankenhaus haben, sollte klar<br />
sein, dass die finanzielle Misere des gesamtdeutschen<br />
Gesundheitswesens mitnichten<br />
durch die Abschaffung des Faches Kinderheilkunde<br />
zu lösen sein dürfte. Wenn also die<br />
politisch Verantwortlichen unseres Landes<br />
nicht nur in Kategorien von Legislaturperioden<br />
denken, sondern ihnen auch die Zukunft<br />
ihrer Kinder und Kindeskinder am Herzen<br />
liegt, so sollten sie es als gesamtgesellschaftliches<br />
Problem verstehen, dafür zu sorgen,<br />
dass kranke Kinder und Jugendliche die gleichen<br />
Rechte auf spezialisierte medizinische<br />
Versorgung eingeräumt bekommen wie jeder<br />
Erwachsene auch.<br />
Vielleicht gelingt es ja mit Hilfe der gesamten<br />
Ärzteschaft des Landes Brandenburg und ihrer<br />
Ärztekammer, in einer konzertierten Aktion<br />
im Sinne eines „Kindergesundheitsgipfels“<br />
diese Botschaft in die gesamte Bundesrepublik<br />
zu transferieren. Begonnen werden muss allerdings<br />
im Land selbst, wo man kurz- und<br />
mittelfristig zu Strukturentscheidungen im Bereich<br />
der Geburtshilfe (Peri- und Neonatalversorgung)<br />
und stationären Kinder- und Jugendmedizin<br />
kommen muss, um den<br />
Prämissen des magischen Dreiecks zwischen<br />
Qualität der Versorgung sowie ihrer Erreichbarkeit<br />
und natürlich auch Bezahlbarkeit zu<br />
genügen. Niemand, der in irgendeiner Weise<br />
im Gesundheitssystem tätig ist, kann sich dieser<br />
Verantwortung entziehen.<br />
Autoren:<br />
Prof. Dr. med. Michael Radke<br />
CA Klinik für Kinder und Jugendliche, Klinikum<br />
„Ernst von Bergmann“ gGmbH Potsdam<br />
Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Erler<br />
CA Klinik für Kinder- und Jugendmedizin,<br />
Carl-Thiem-Klinikum Cottbus gGmbH<br />
Dipl.-Med. Detlef Reichel<br />
Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder-<br />
und Jugendärzte, Landesverband Brandenburg<br />
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Brandenburgisches Ärzteblatt 8/<strong>2004</strong> • 14. Jahrgang<br />
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