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Erziehungsverständnisse in evangelikalen ... - Bieler Tagblatt

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6. Ordnungsliebe: Ordentlichkeit, Fleiss, Sauberkeit<br />

7. Gewissensbildung: moralische Orientierung, Sittlichkeit, Anständigkeit, Glaube<br />

Das <strong>in</strong> dieser Liste und bereits <strong>in</strong> den Erziehungsmetaphern zum Ausdruck kommende Spannungsverhältnis<br />

zwischen Fremd- und Selbstbestimmung wird im Erziehungsziel der Autonomie, wie es von Speck (1997)<br />

umschrieben wird, zugunsten e<strong>in</strong>es Ergänzungsverhältnisses aufgelöst. Autonomie ist nach Speck nicht<br />

gleichzusetzen mit der Willkür e<strong>in</strong>es unbegrenzten Selbstentfaltungsmotivs. Für Speck schliesst Autonomie<br />

immer auch die Verantwortung gegenüber anderen und dem Leben <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft und gegenseitiger Abhängigkeit<br />

mit e<strong>in</strong>: „Der aus se<strong>in</strong>er Autonomie heraus handelnde Mensch ist der, der aus freier eigener Bejahung<br />

das Gute auch für die anderen will. Er ist deshalb derjenige, der sich primär auch für andere verantwortlich<br />

fühlt, der dem Anderen mit Achtung begegnet und sich ihm gegenüber verpflichtet fühlt. Se<strong>in</strong> freier<br />

eigener Wille und se<strong>in</strong> Verpflichtetse<strong>in</strong> gegenüber den anderen bzw. der Geme<strong>in</strong>schaft s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>s” (Speck<br />

1997, S. 149).<br />

Auch für die E<strong>in</strong>teilung von Erziehungsmethoden s<strong>in</strong>d verschiedene Vorschläge gemacht worden (vgl.<br />

Raither, Doll<strong>in</strong>ger & Hörmann 2009). Birnbaum (1950) unterscheidet vier Formen von Erziehungshilfen:<br />

Evolutionshilfen<br />

Progressionshilfen<br />

Repressionshilfen<br />

(Diszipl<strong>in</strong>ierung)<br />

Transformationshilfen<br />

Regulierende Ordnung<br />

„der Entwicklung helfen“<br />

Regulierende Rangordnung<br />

„dem Besseren den Vorrang vor dem Guten e<strong>in</strong>räumen“ (fortlenkend)<br />

Kontrastierende Ordnung<br />

„den richtigen Weg durch Druck und Zug nahe br<strong>in</strong>gen“ (zurückdrängen, unterdrücken)<br />

Kontrastierende Rangordnung<br />

„wenn der neue Weg noch ungesichert ist“ (umlenkend)<br />

Tabelle 2: Erziehungshilfen nach Birnbaum (1950) zit. nach Raither et al. (2009, S. 32)<br />

Nach Geissler (1982) kommt den Evolutions- und Progressionshilfen stützende und lenkende Funktion zu,<br />

den Repressionshilfen e<strong>in</strong>e hemmende. Ob e<strong>in</strong>e spezifische Massnahme eher stützend oder lenkend ist,<br />

hängt vom Kontext ab. E<strong>in</strong> Lob kann die grundsätzliche elterliche Freude darüber ausdrücken, dass e<strong>in</strong>em<br />

K<strong>in</strong>d etwas gelungen ist (stützend). Es kann aber auch im S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Belohnung verwendet werden, um das<br />

K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e bestimmte Richtung zu führen (lenkend). E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige Überbetonung lenkender Massnahmen<br />

wird als Dirigismus bezeichnet.<br />

Evolutionshilfen sollen die Entwicklung, verstanden als Interaktion zwischen Lern- und Reifungsprozessen,<br />

grundsätzlich fördern und den „Leistungs- und Reifestand e<strong>in</strong>es Heranwachsenden [...] verbessern” (Geissler<br />

1982, S. 24). Progressionshilfen bauen auf diesen primären Entwicklungsprozessen auf und unterstützen<br />

Sozialisations- und Enkulturalisationsprozesse. Bei den Progressionshilfen geht es um die Vermittlung<br />

von kulturspezifischem Wissen und Fertigkeiten sowie von kulturellen Werten und Normen (Bildung). Mit<br />

repressiven, gegenwirkenden Massnahmen sollen unerwünschte Entwicklungen gestoppt werden. Repressionshilfen<br />

alle<strong>in</strong> führen aber nur zu Anpassung oder Unterwerfung, nicht aber zu e<strong>in</strong>er wirklichen Veränderung<br />

des Verhaltens. Um e<strong>in</strong>e tatsächliche, autonome Verhaltensänderung anzustossen, müssen dem K<strong>in</strong>d<br />

auch alternative Verhaltensmöglichkeiten aufgezeigt werden. Diese Funktion erfüllen die Transformationshilfen.<br />

5.3 E<strong>in</strong> entwicklungsfördernder Erziehungsstil<br />

Das Muster von typischen Überzeugungen, E<strong>in</strong>stellungen und Verhaltensweisen, das sich als Ausdruck<br />

e<strong>in</strong>er bestimmten erzieherischen Grundhaltung <strong>in</strong>terpretieren lässt, wird als Erziehungsstil bezeichnet (vgl.<br />

Köhne 2003, S. 254).<br />

Diana Baumr<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e der Pionier<strong>in</strong>nen der Erziehungsstilforschung, untersuchte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Serie von Studien<br />

die Interaktion zwischen Eltern und K<strong>in</strong>dergartenk<strong>in</strong>dern (Baumr<strong>in</strong>d 1971; vgl. Berk 2011, S. 374). Es zeigte<br />

sich, dass sich e<strong>in</strong> für k<strong>in</strong>dliche Entwicklung günstiger Erziehungsstil <strong>in</strong> drei Aspekten von ungünstigen<br />

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